Das timing für den Kinostart könnte kaum besser sein. Während hierzulande alles in Winterstarre fällt, zeigt dieser Film das Paradies eines unbeschwerten Sommers: Sonne, Strand, Meer und einen malerischen Küstenort in Australien. Der Pazifik blitzt blau, verführerische Leichtigkeit liegt in der Luft.
Info
Tage am Strand
Regie: Anne Fontaine,
112 Min., Frankreich/ Australien 2013;
mit: Naomi Watts, Robin Wright, Xavier Samuel, James Frecheville
Doris Lessing starb Mitte November
Das Drehbuch basiert auf der Kurzgeschichte „Die Großmütter“ von Literatur-Nobelpreisträgerin Doris Lessing, die Mitte November starb: Darin verschärft sie das heikle Thema der Beziehungen älterer Frauen zu jungen Männern durch eine inzestuös anmutende Konstellation.
Offizieller Filmtrailer
Ehemänner werden nicht vermisst
Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright) sind beste Freundinnen seit Kindertagen. Sie wachsen in einem australischen Badeort auf und werden zu Müttern zweier gleichaltriger Söhne. Beide Frauen wohnen mit ihren Familien in benachbarten Häusern und verbringen ihre Freizeit gemeinsam am Strand; eine Außenwelt scheint es nicht zu geben.
Auch ihre Söhne werden zu besten Freunden. Als Lils Ehemann bei einem Unfall ums Leben kommt, schweißt dies das Quartett noch enger zusammen. Roz‘ Ehemann verlässt ebenso seine Familie; er wird nicht vermisst. Im Gegenteil: Als das Mütter-Söhne-Viereck sich selbst überlassen ist, entfaltet sich sofort die eigentliche Dynamik.
Paarbildung in homoerotischer Atmosphäre
Erst beginnt Lil’s Sohn Ian (Xavier Samuel) eine leidenschaftliche Affäre mit Roz, kurz danach folgt eine Liaison zwischen Roz‘ Sohn Tom (James Frecheville) und Lil. Die Grenzüberschreitung stellt beide Freundschaften auf die Probe. Nach einiger Zeit suchen sich die Söhne gleichaltrige Partnerinnen, die Mütter werden zu Großmüttern – doch die Viererbande ist nicht so leicht zu überwinden.
Interessant an dieser Liebeskonstellation ist, dass eine homoerotische Atmosphäre die Paarbildung durchwirkt. Hat Roz nicht eher eine Liebesbeziehung mit ihrer besten Freundin Lil, indem sie sich deren Ebenbild in Form ihres Sohnes ins Bett holt – und umgekehrt?
Geschlossenes System
Auch die Grenzen zwischen den Mutter-Sohn-Beziehungen verwischen: Zu symbiotisch sind beide Frauen; zu nahe stehen ihnen beide jungen Männer, die sie gemeinsam großgezogen haben. Eine Beigeschmack von Inzest erschwert die Einschätzung der Verhältnisse.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "The Congress" - Science-Fiction-Animations-Film von Ari Folman mit Robin Wright
und hier einen Bericht über den Film "Die schönen Tage" - lakonisches Drama von Marion Vernoux mit Fanny Ardant + jungem Liebhaber
und hier einen Beitrag über den Film "Mein liebster Alptraum" - sozialutopische Liebes-Komödie von Anne Fontaine mit Isabelle Huppert.
Softporno für ältere Damen
In der steckt auch der Film selbst: Die moralische Brisanz der Geschichte erstickt unter wabernder Erotik, die wie schweres Parfüm über den „Tagen am Strand“ liegt. Wenn die muskulösen Körper der jungen Männer im Sonnenlicht glänzen und die Kamera unermüdlich ihren Bewegungen folgt, entsteht der look eines Softpornos für ältere Damen.
Regisseurin Fontaine bebildert gern komplizierte Biographien und Liebesverhältnisse: In „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ (2009) zeichnete sie den Karriere-Start der Modeschöpferin nach. In „Mein liebster Alptraum“ verkuppelte sie Isabelle Huppert als versnobte Galeristin mit einem Proleten. Doch in der Südsee erliegt Fontaine dem Hang zum Schönfärben.
Daran kann auch die Schauspieler-Riege wenig ändern: Allein Robin Wright bringt genug Tiefe mit, um aus ihrer Roz eine glaubhafte Figur werden zu lassen. Man muss also bei der Verfilmung dieser eigentlich faszinierenden Geschichte recht viel Kitsch und Seichtheit ertragen.