Hamburg + Dresden

Dionysos – Rausch und Ekstase

Caesar Boëtius van Everdingen: Bacchus und Ariadne, um 1650. Foto: Bucerius Kunst Forum
Wein, Weib und Gesang: Dionysos ist der populärste antike Gott. Bucerius Kunstforum und Residenzschloss zeigen Kunstwerke aus drei Jahrtausenden: Ein sinnesfroher Mythen-Überblick, bei dem aber Veränderungen im Lauf der Zeit zu kurz kommen.

Die antiken Griechen liebten Dionysos wie keinen anderen der olympischen Götter: Er hatte ihnen den Wein aus Vorderasien mitgebracht und zeigte ihnen, wie man das Leben jenseits aller Konventionen genießt. Der Legende nach trieb er es wild mit seinem Gefolge aus notgeilen, bocksfüßigen Satyrn und einer hemmungslosen Schar von Weibern, Mänaden genannt.

 

Info

 

Dionysos -
Rausch und Ekstase

 

01.10.2013 - 12.01.2014

täglich 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr

im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg

 

Katalog 24,80 €

 

Weitere Informationen

 

06.02.2014 - 10.06.2014

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

im Residenzschloss,  Taschenberg 2, Dresden

 

Weitere Informationen

 

Anarchie, Chaos, Sinnesfreuden und rasende Leidenschaft – als Gott des Rausches und der Fruchtbarkeit machte Dionysos in den ihm gewidmeten Kulten das Verbotene möglich. Das brachte ihn den Menschen so nah und begründete seinen Aufstieg zur Kultfigur, die das Ende der Antike überlebte.

 

Kein Gott wurde öfter porträtiert

 

Das schrankenlos erotische und vor Lebensfreude strotzende Treiben in Dionysien oder Bacchanalien faszinierte Maler und Bildhauer aller Epochen. Kein Gott wurde über Jahrtausende hinweg so oft bildlich dargestellt wie Dionysos oder Bacchus, wie ihn die Römer nannten.

 

Nun widmet ihm das Bucerius Kunstforum eine Ausstellung mit dem viel versprechenden Titel „Rausch und Ekstase“: mit 90 Exponaten aus drei Jahrtausenden, darunter Leihgaben aus Wien, Madrid, London, dem Vatikan und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo die Schau im Anschluss gezeigt wird.

 

Der Rausch bleibt aus

 

Vollmundig heißt es, es handele sich um die erste Ausstellung, die Werke zu Dionysos von der Antike bis ins 20. Jahrhundert versammelt. Auch die Namen der präsentierten Künstler lassen einiges erhoffen: von Andrea Mantegna über Rubens und Lovis Corinth bis Picasso. Doch der erwartete Dionysos-Rausch auf der Zeitreise durch die Jahrhunderte bleibt aus.

 

Das liegt in erster Linie an der Konzeption: Die Ausstellung ist nicht chronologisch, sondern thematisch aufgebaut. Sie widmet sich ausführlich Dionysos‘ legendärer Biografie: seiner Kindheit, seinem Außenseitertum auf dem Olymp und seinem innigem Verhältnis zum Wein. Neun solcher Abschnitte mit Kunstwerken aus drei Jahrtausenden gliedern die Ausstellung.

 

Renaissance- + Barock-Maler kupfern bei Antike ab

 

Problematisch daran ist, dass die Lebensgeschichte der schillernden Göttergestalt zwar in epischer Breite erzählt wird. Doch die eigentlich interessante Frage, ob und wie sich das Dionysos-Bild im Lauf der Jahrtausende gewandelt hat, verliert sich bedauerlicherweise in der Themenfülle.

 

Obwohl es einige spannende Ansätze gibt, den Verlauf der Dionysos-Rezeption nachzuzeichnen. Elegant und unaufdringlich zeigt die Ausstellung, wie Renaissance- und Barock-Künstler antike Dionysos-Vorbilder aufspürten und ihre eigenen Darstellungen daran orientierten; wobei sie in die Motive nur leichte stilistische Variationen des jeweiligen Zeitgeistes einfließen ließen.

 

Rubens zeichnet selbst entdeckte Figur

 

So hängt beispielsweise ein antikes römisches Relief, das Eroten bei der Weinlese zeigt, neben einem Ölgemälde aus dem Umfeld Raffaels mit dem Titel „Eroten bei der Kelter“ (um 1500): Sofort ist zu erkennen, dass sich der Künstler von genau diesem römischen Relief inspirieren ließ.

 

Gleiches gilt für die Zeichnung eines Silens – eines älteren Satyrn mit dickem Bauch und Glatze – von Peter Paul Rubens, die er um 1600 anfertigte. Als Vorbild diente ihm eine Brunnenfigur aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., die er in Rom entdeckt hatte; sie ist nun ebenfalls in Hamburg zu sehen.

 

Tierische Gier des Satyrs

 

Doch dann reißt Faden ab. Die übrigen Abschnitte werden nicht stringent bis ins 20. Jahrhundert durchdekliniert und lassen den Betrachter ratlos zurück. Die thematische Hängung reißt zudem Bilder auseinander, die nebeneinander ein interessantes Spannungsfeld erzeugt hätten.

 

Etwa das um 1620 entstandene Gemälde eines Trauben essenden Satyrs von einem Nachfolger des italienischen Caravaggisten Bartholomeo Manfredi. Das Bild zeigt drastisch die tierische Gier das Satyrs, der die Trauben über seinem Kopf zusammenquetscht, um schnell den Saft aufzusagen.

 

Darstellungen variieren nur in Nuancen

 

Wenig später findet sich das etwa acht Jahre jüngere Bild „Satyr und Mädchen mit Fruchtkorb“ aus der Werkstatt von Peter Paul Rubens. Gier lässt sich hier nur erahnen; stattdessen steht das pralle Leben im Vordergrund. Liegt das an der persönlichen Einstellung des Künstlers oder an einer Zäsur in der Dionysos-Rezeption? Der Frage bleibt unbeantwortet.

 

Nichtsdestoweniger bleibt der Eindruck, dass Dionysos-Darstellungen inhaltlich und motivisch im Lauf der Jahrtausende, von kleinen stilistischen Nuancen abgesehen, kaum variieren. Der Gott bleibt stets ein mehr oder weniger würdiger, aber immer feister Trunkenbold inmitten seines obskuren Gefolges.

 

Undurchdringlich vielschichtiger Gott

 

Selbst moderne Maler wie Picasso und Lovis Corinth, deren Werke nur in zwei Abschnitten vorkommen, nehmen diese Tradition auf. Lovis Corinth etwa zeigt in seiner „Heimkehr der Bacchanten“ von 1898 einen alten, erschöpften Fettwansts: Erschlafft wankt er nach Hause, mit einer Hand ungelenk an die Brust einer erotisierten Mänade gekrallt.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Kleopatra. Die ewige Diva" - in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Jordaens und die Antike" - erste deutsche Retrospektive des Barock-Malers im Museum Fridericianum, Kassel

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Peter Paul Rubens"  - über politische Aspekte im Werk des Barock-Malers im Von der Heydt-Museum, Wuppertal

 

Dagegen liegt die Stärke der Ausstellung darin, dass sie den Dionysos-Mythos wunderbar anschaulich erzählt. Damit spiegelt sie die undurchdringliche Vielschichtigkeit des Gottes wider, der eben nicht nur Rausch und Ekstase, sondern auch Fruchtbarkeit, Harmonie und dauerhafte Liebe repräsentiert.

 

Die perfekte Liebe

 

Der Sage nach lebte Dionysos nämlich nach ersten jugendlichen Ausschweifungen glücklich und harmonisch mit Ariadne zusammen. Immer wieder haben Künstler das happy end dieser anfangs dramatischen Liebesgeschichte dargestellt.

 

Blind vor Liebe, hatte Ariadne in Kreta Theseus einen roten Faden gegeben, damit er im Labyrinth den Minotaurus töten und danach wieder heraus finden könne. Doch obwohl Theseus die Ehe versprochen hatte, ließ er bei der anschließenden Flucht Ariadne auf der Insel Naxos sitzen. Zum Glück für Dionysos, der die Verlassene dort fand und mit ihr erlebte, wonach alle Menschen suchen: die perfekte Liebe.