Die antiken Griechen liebten Dionysos wie keinen anderen der olympischen Götter: Er hatte ihnen den Wein aus Vorderasien mitgebracht und zeigte ihnen, wie man das Leben jenseits aller Konventionen genießt. Der Legende nach trieb er es wild mit seinem Gefolge aus notgeilen, bocksfüßigen Satyrn und einer hemmungslosen Schar von Weibern, Mänaden genannt.
Info
Dionysos -
Rausch und Ekstase
01.10.2013 - 12.01.2014
täglich 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr
im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg
Katalog 24,80 €
06.02.2014 - 10.06.2014
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr
im Residenzschloss, Taschenberg 2, Dresden
Kein Gott wurde öfter porträtiert
Das schrankenlos erotische und vor Lebensfreude strotzende Treiben in Dionysien oder Bacchanalien faszinierte Maler und Bildhauer aller Epochen. Kein Gott wurde über Jahrtausende hinweg so oft bildlich dargestellt wie Dionysos oder Bacchus, wie ihn die Römer nannten.
Nun widmet ihm das Bucerius Kunstforum eine Ausstellung mit dem viel versprechenden Titel „Rausch und Ekstase“: mit 90 Exponaten aus drei Jahrtausenden, darunter Leihgaben aus Wien, Madrid, London, dem Vatikan und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo die Schau im Anschluss gezeigt wird.
Der Rausch bleibt aus
Vollmundig heißt es, es handele sich um die erste Ausstellung, die Werke zu Dionysos von der Antike bis ins 20. Jahrhundert versammelt. Auch die Namen der präsentierten Künstler lassen einiges erhoffen: von Andrea Mantegna über Rubens und Lovis Corinth bis Picasso. Doch der erwartete Dionysos-Rausch auf der Zeitreise durch die Jahrhunderte bleibt aus.
Das liegt in erster Linie an der Konzeption: Die Ausstellung ist nicht chronologisch, sondern thematisch aufgebaut. Sie widmet sich ausführlich Dionysos‘ legendärer Biografie: seiner Kindheit, seinem Außenseitertum auf dem Olymp und seinem innigem Verhältnis zum Wein. Neun solcher Abschnitte mit Kunstwerken aus drei Jahrtausenden gliedern die Ausstellung.
Renaissance- + Barock-Maler kupfern bei Antike ab
Problematisch daran ist, dass die Lebensgeschichte der schillernden Göttergestalt zwar in epischer Breite erzählt wird. Doch die eigentlich interessante Frage, ob und wie sich das Dionysos-Bild im Lauf der Jahrtausende gewandelt hat, verliert sich bedauerlicherweise in der Themenfülle.
Obwohl es einige spannende Ansätze gibt, den Verlauf der Dionysos-Rezeption nachzuzeichnen. Elegant und unaufdringlich zeigt die Ausstellung, wie Renaissance- und Barock-Künstler antike Dionysos-Vorbilder aufspürten und ihre eigenen Darstellungen daran orientierten; wobei sie in die Motive nur leichte stilistische Variationen des jeweiligen Zeitgeistes einfließen ließen.
Rubens zeichnet selbst entdeckte Figur
So hängt beispielsweise ein antikes römisches Relief, das Eroten bei der Weinlese zeigt, neben einem Ölgemälde aus dem Umfeld Raffaels mit dem Titel „Eroten bei der Kelter“ (um 1500): Sofort ist zu erkennen, dass sich der Künstler von genau diesem römischen Relief inspirieren ließ.
Gleiches gilt für die Zeichnung eines Silens – eines älteren Satyrn mit dickem Bauch und Glatze – von Peter Paul Rubens, die er um 1600 anfertigte. Als Vorbild diente ihm eine Brunnenfigur aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., die er in Rom entdeckt hatte; sie ist nun ebenfalls in Hamburg zu sehen.
Tierische Gier des Satyrs
Doch dann reißt Faden ab. Die übrigen Abschnitte werden nicht stringent bis ins 20. Jahrhundert durchdekliniert und lassen den Betrachter ratlos zurück. Die thematische Hängung reißt zudem Bilder auseinander, die nebeneinander ein interessantes Spannungsfeld erzeugt hätten.
Etwa das um 1620 entstandene Gemälde eines Trauben essenden Satyrs von einem Nachfolger des italienischen Caravaggisten Bartholomeo Manfredi. Das Bild zeigt drastisch die tierische Gier das Satyrs, der die Trauben über seinem Kopf zusammenquetscht, um schnell den Saft aufzusagen.
Darstellungen variieren nur in Nuancen
Wenig später findet sich das etwa acht Jahre jüngere Bild „Satyr und Mädchen mit Fruchtkorb“ aus der Werkstatt von Peter Paul Rubens. Gier lässt sich hier nur erahnen; stattdessen steht das pralle Leben im Vordergrund. Liegt das an der persönlichen Einstellung des Künstlers oder an einer Zäsur in der Dionysos-Rezeption? Der Frage bleibt unbeantwortet.
Nichtsdestoweniger bleibt der Eindruck, dass Dionysos-Darstellungen inhaltlich und motivisch im Lauf der Jahrtausende, von kleinen stilistischen Nuancen abgesehen, kaum variieren. Der Gott bleibt stets ein mehr oder weniger würdiger, aber immer feister Trunkenbold inmitten seines obskuren Gefolges.
Undurchdringlich vielschichtiger Gott
Selbst moderne Maler wie Picasso und Lovis Corinth, deren Werke nur in zwei Abschnitten vorkommen, nehmen diese Tradition auf. Lovis Corinth etwa zeigt in seiner „Heimkehr der Bacchanten“ von 1898 einen alten, erschöpften Fettwansts: Erschlafft wankt er nach Hause, mit einer Hand ungelenk an die Brust einer erotisierten Mänade gekrallt.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Kleopatra. Die ewige Diva" - in der Bundeskunsthalle, Bonn
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Jordaens und die Antike" - erste deutsche Retrospektive des Barock-Malers im Museum Fridericianum, Kassel
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Peter Paul Rubens" - über politische Aspekte im Werk des Barock-Malers im Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Die perfekte Liebe
Der Sage nach lebte Dionysos nämlich nach ersten jugendlichen Ausschweifungen glücklich und harmonisch mit Ariadne zusammen. Immer wieder haben Künstler das happy end dieser anfangs dramatischen Liebesgeschichte dargestellt.
Blind vor Liebe, hatte Ariadne in Kreta Theseus einen roten Faden gegeben, damit er im Labyrinth den Minotaurus töten und danach wieder heraus finden könne. Doch obwohl Theseus die Ehe versprochen hatte, ließ er bei der anschließenden Flucht Ariadne auf der Insel Naxos sitzen. Zum Glück für Dionysos, der die Verlassene dort fand und mit ihr erlebte, wonach alle Menschen suchen: die perfekte Liebe.