Bonn

Die Krim – Goldene Insel im Schwarzen Meer: Griechen – Skythen – Goten

Fibel in Form eines Delphins aus Gold und Bergkristall. 1. Jh. v. Chr. - 1. Jh. n. Chr. Foto: LVR-LandesMuseum Bonn
Ethnische Endmoräne der Ukraine: Seit der Antike ist die Halbinsel im Schwarzen Meer eine Drehscheibe zwischen Europa und Asien. Das Landesmuseum zeigt erstmals in Deutschland prachtvolle Funde von Völkern, die man kaum dem Namen nach kennt.

Bosporanisches Reich so alt wie Rom

 

Im Jahr 17 n. Chr. wurde das Bosporanische Reich ein Klientelstaat Roms und blieb es 330 Jahre lang. Währenddessen vermischte sich die Eliten der Griechen und Sarmaten: Das Heer wurde nach sarmatischem Vorbild umorganisiert, die Herrscher verwendeten als Embleme so genannte Tamga-Zeichen der Steppenvölker. Als das Bosporanische Reich Ende des 4. Jahrhunderts zerfiel, hatte es mehr als 800 Jahre bestanden – wie Westrom.

 

In der Spätantike wurden neue Völker vom Reichtum der Krim angelockt: Nach Thrakern und Kelten kamen Hunnen und Goten; erstere von Osten, letztere von Nordwesten. Auch ihre Präsenz ist archäologisch gut belegt: etwa durch aufwändig gearbeiteter Silber-Schnallen und Fibeln mit stilisierten Adler-Köpfen, mit denen Frauen ihre Gewänder verzierten.

 

Gotisches Fürstentum bis 1475

 

Einige gotische Gruppen konnten sich gegen den Hunnen-Ansturm behaupten. Als die Krim unter Kontrolle des oströmischen Reichs stand, gründeten Goten an der Südspitze ein kleines Fürstentum, das sich bis 1475 halten konnte. Da beherrschten längst Genueser und Venezianer die Küsten, dagegen Krimtataren das Inselinnere.

 

Tummelplatz der Völker und Schmelztiegel der Einflüsse aus allen Himmelsrichtungen: Die antike Krim hatte sogar Handelskontakte nach Ostasien. Das beweisen chinesische Lack-Kästchen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., die man in Ust‘-Al’ma ausgrub. Drei restaurierte Exemplare werden vorgeführt; sie dürften reichen Skythinnen als beauty case gedient haben. Die teuren gadgets wurden nicht direkt auf der Seidenstraße importiert, sondern wechselten mehrmals den Besitzer, bevor sie nach langer Reise die Krim erreichten.

 

Letzte Ausfahrt der Steppen-Autobahn

 

Hier endete die Tausende Kilometer langen Steppen-Autobahn, die Mittelasien mit Osteuropa verbindet. Eine „ethnische Endmoräne“ nennt der britische Publizist Neil Ascherson treffend die Krim: Auf der Halbinsel lagern sich seit Jahrtausenden Spuren aller Völker ab, die auf Wanderschaft waren und dort hängen blieben.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Kykladen – Lebenswelten einer frühgriechischen Kultur"  im Badischen Landesmuseum, Schloss Karlsruhe

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Antike Welten" mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin

 

und hier einen kultiversum-Bericht über die Ausstellung "Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen" über Skythen-Frauen als ihre realen Vorbilder im Historischen Museum der Pfalz, Speyer.

 

Die Krim war aber nicht nur End-, sondern auch Anfangspunkt: für eine grundlegende und ungemein folgenreiche Unterscheidung. Nämlich die zwischen „Kultur“ oder „Zivilisation“ und „Barbarei“: Hier trafen die antiken Griechen erstmals auf Menschen, deren Sprache und Lebensweise sie überhaupt nicht verstanden. Dieser Andersartigkeit begegneten sie zunächst voll Achtung.

 

Bestmögliche Kriegslist der Skythen

 

Der Geschichtsschreiber Herodot nannte die Nomaden in der Steppe „unerreichbar“, was die bestmögliche Kriegslist sei: „Es ist unmöglich, jemanden zu fassen, wenn er sich nicht finden lassen will.“ Insofern fiel den Neuankömmlingen friedliche Koexistenz mit diesen Fremden nicht schwer, zumal sie bald zur gewinnbringenden Handelspartnerschaft wurde. Erst nach den Perserkriegen galt „barbarisch“ als schlecht; seither soll jeder, den man dafür hält, nolens volens zivilisiert werden.

 

Auf der Krim unternahm Stalin den bisher letzten dieser Versuche. 1944 ließ er alle Krimtataren nach Zentralasien deportieren, weil er sie fälschlich der Kollaboration mit den Nazis bezichtigte. Erst seit 1988 dürfen sie zurückkehren; heute stellen sie etwa ein Zehntel der Halbinsel-Bewohner.

 

Was Aschersons Diagnose bestätigt: „Die Krim ist ein Ort des Ankommens und Wegziehens; sie sah schon viele Siedler kommen und, manchmal Jahrhunderte später, wieder gehen. Diese Halbinsel, wo jeder in irgendeiner Weise ein Einwanderer ist, kann niemand je wirklich besitzen.“