Frankfurt am Main

Dürer. Kunst – Künstler – Kontext

Albrecht Dürer (1471–1528): Herkules im Kampf gegen die stymphalischen Vögel. © GNM, Nürnberg/ Fotoquelle: Städel Museum
Der ganze Dürer soll es sein: Das Städel Museum breitet das Werk des bedeutendsten deutschen Renaissance-Künstlers in allen Aspekten so kompetent wie anschaulich aus – samt seinem Beitrag zur Copyright-Debatte. Er malte selbst das, was man nicht malen kann.

Altar verbrannt, Entwürfe erhalten

 

Am Heller-Altar hatte Dürer das ganze Spektrum seines Könnens demonstriert: „Will ich noch etwaß machen, das nit viel leut khönnen machen.“ Später wurde der Altar zerlegt; die einzelnen Tafeln befinden sich heute in verschiedenen Museen. Im Städel sind sie mitsamt äußeren Standflügeln von Matthias Grünewald wieder zum ursprünglichen Ensemble zusammengefügt: ein Prunkstück der Ausstellung.

 

Dürers Mitteltafel verbrannte allerdings im 18. Jahrhundert und wurde durch eine maßstabsgetreue Kopie aus dem 17. Jahrhundert ersetzt. Sie komplettiert die Komposition, dürfte aber nicht annähernd an die Raffinesse von Dürers Original heranreichen. Das zeigen seine Entwurfs-Zeichnungen, die erhalten blieben: expressive Gesichter, Gewänder mit verschlungenem Faltenwurf oder Details wie die „Betenden Hände“ oder „Füße eines knienden Apostels“.

 

Innovative Linienstärken-Variation

 

In der Grafik wird Dürers Ausnahmestellung unter den Künstlern seiner Epoche am deutlichsten: Anstatt dunkle Zonen schematisch mit Kreuzlinien zu schraffieren, variierte er die Stärke seiner Linien und schuf damit völlig neuartige, subtile Hell-Dunkel-Abstufungen – worin er alle Zeitgenossen übertraf.

 

Wie beim Kupferstich „Vier nackte Frauen“ von 1497: Ein Hexen-Quartett bildet stehend einen Kreis, während ein Dämon sie beobachtet. Ein Jahr später übernimmt der venezianische Maler Jacopo de‘ Barbari das Motiv, doch seine Gestalten wirken vergleichsweise plump.

 

Nashorn-Porträt ohne Anschauung

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Alte Meister 1300 - 1800"  - im Städel Museum, Frankfurt am Main

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Drunter und Drüber"  – Altdorfer, Cranach und Dürer auf der Spur in der Alten Pinakothek, München

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung “Meister der Dürerzeit” über Hans Baldung, gen. Grien, in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier einen kultiversum-Bericht über die Ausstellung "Renaissance. Barock. Aufklärung"  - Kunst + Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert mit Werken von Dürer im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg

 

Einzigartig ist auch Dürers Darstellung eines Nashorns. 1513 war ein solches Tier aus Indien nach Lissabon verschifft worden: das erste Exemplar in Europa seit der Antike. Dürer hatte es nie gesehen; er kannte nur Beschreibungen und grobe Skizzen. Doch er schuf einen Holzschnitt vom „Rhinocerus“, der seinem tatsächlichen Aussehen sehr nahe kommt: ein überragendes Beispiel kreativer Einbildungskraft.

 

Seine Fähigkeiten versuchte Dürer, in ein System zu bringen: Er wollte ideale Maßverhältnisse für die Darstellung menschlicher Körper finden. Mit Studien dazu verbrachte er viel Zeit und hinterließ rund 1500 Blätter. Seine „Vier Bücher von menschlicher Proportion“ erschienen erst posthum 1528. Die Ausstellung erlaubt, seine Notizen nachzuschlagen: Die 228 Seiten der so genannten „Dresdener Dürerhandschrift“ wurden digitalisiert; nun kann man virtuell darin blättern.

 

Größter Holzschnitt aller Zeiten

 

Eindrucksvoller ist jedoch die „Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.“ von 1518 aus 36 gedruckten Papierbögen – mit drei mal dreieinhalb Metern der größte Holzschnitt aller Zeiten. Damit verherrlichte Dürer seinen Gönner, der ihm drei Jahre zuvor eine jährliche Rente von 100 Gulden gewährt hatte: ein Meisterstück politischer Propaganda und künstlerischer Virtuosität.

 

Wofür ihn der Humanist Erasmus von Rotterdam als genialsten Künstler überhaupt pries: „Was malt er nicht alles, auch was man nicht malen kann: Feuer, Strahlen, Donner, Wetterleuchten, Blitze und Nebelwände, wie man sagt, die Sinne, alle Gefühle, endlich die ganze Seele des Menschen, die sich aus der Bildung des Körpers offenbart, sogar fast die Stimme selbst.“