Killer haben es wirklich nicht leicht. Das weiß man nicht erst, seitdem Quentin Tarantino 1994 das Auftragsmörder-Gespann Vincent Vega und Jules Winnfield auf seine Klienten losgelassen hat. Vor „Pulp Fiction“ gab es schon „Die Filzlaus“ 1973, in der anstelle des zu erschießenden Opfers die Gelassenheit von Lino Ventura auf der Strecke bleibt.
Info
Killing Time – Zeit zu sterben
Regie: Florin Piersic Jr.,
103 Min., Rumänien 2012;
mit: Cristian Ioan Gutău, Florin Piersic Jr., Olimpia Melinte
Kommunikation verhindert Attentat
Bei Edouard Molinaro, der seine französisch-italienische Tragikomödie 1973 mit Ventura und Jacques Brel als dessen Störenfried in Szene setzte, war es eher die aufgezwungene Kommunikation, die am Ende das geplante Attentat verhindert. Killer haben es eben nicht leicht, wenn sie reden müssen, anstatt zu töten.
Offizieller Filmtrailer
Nichtraucher-Sehnsucht nach Zigarette
Florin Piersic Jr. scheint dieses Dilemma zu seinem Film „Killing Time – Zeit zu sterben“ animiert zu haben. Er orientiert sich an der kargen Stilistik eines Michael Haneke und erzählt in monotonen Einstellungen von der trostlosen Routine des Kapitalverbrechers. In der Eröffnungsszene kehrt er die kommunikative Gesetzmäßigkeit um und lässt das Opfer reden.
Ein alter Mann hat es sich offenbar mit dem Gangster Gambone verscherzt und sitzt nun seinem Vollstrecker gegenüber. Der lässt ihn erzählen, vom unerfüllten Kinderwunsch, von der Sehnsucht eines Nichtrauchers nach einer letzten Zigarette, von der Frage nach dem Warum. Denn natürlich ist ihm klar, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat.
Drei in den Kopf, drei in den Bauch
„Wie viele Kugeln?“, fragt der Alte. „Sechs“, erwidert der bis dahin wortkarge Auftragskiller (dargestellt von Piersic). „Ich vermute, ich hab’ keine Chance?“, versucht es der Alte noch mal, sich der Ausweglosigkeit der Situation wohl bewusst, und zieht an seiner Zigarette. Dem Gesetz des Genres folgend, redet er aber noch eine Weile weiter, eher er sich sechs Kugeln einfängt.
Drei in den Kopf, drei in den Bauch, was der Zuschauer nicht sieht. Mittlerweile hat der durchgängig pseudodokumentarisch gedrehte Film auf den Killer geschwenkt, der im eleganten schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte seinen Auftrag ausführt und sich danach mit einem ebenfalls namenlos bleibenden Kollegen trifft.
Enervierend langweilige Dialoge
„Killing Time“ ist als Kammerspiel zweier Männer angelegt, die in langen Wartezeiten zwischen der Erfüllung ihrer Aufträge vor allem eines müssen: miteinander reden. Bloß gab es schon bessere Dialoge von Berufsverbrechern. Etwa die von Ben Kingsley, der 2007 in „You Kill Me“ einen Auftragskiller spielte, der sich vor einer Versammlung der Anonymen Alkoholiker offenbaren musste.
In „Sexy Beast“ (2000) gab Kingsley einen Gangster mit so faszinierender wie einschüchternder Kommunikationsstörung. Die Unterhaltungen der beiden Killer von Piersic sind allerdings weder geistreich oder unterhaltsam, noch psychologisch tiefgründig à la Haneke, sondern einfach nur enervierend langweilig.
Wie auf Pausenhof einer Grundschule
Zwei klischeehafte Charaktere treffen hier aufeinander: Ein eher in sich gekehrter Melancholiker trifft auf den exaltiert gestörten, redseligen Typ (Cristian Ioan Gutău). Seinen Redeschwall unterbrechen immer wieder Szenen des Nichtstuns, die visuell ebenso öde sind wie das Geschwafel uninspiriert.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "The Act of Killing" - faszinierende Dokumentation über indonesische Massenmörder von Joshua Oppenheimer, Europäischer Filmpreis 2013
und hier einen Bericht über den Film "Zero Killed" - Dokumentation über Mordfantasien von Michal Kosakowski
und hier einen Beitrag über den Film "Django Unchained" - Spätwestern über Südstaaten-Sklaverei von Quentin Tarantino.
Zum guten Menschen werden
Doch der Regisseur Piersic muss weitermachen, um die reguläre Spielfilmlänge zu füllen. Also sieht und hört man weiter zu, wie die beiden namenlosen Killer weiter warten. Zwischendurch erfährt man sogar etwas über die beiden; etwa über die Mentalität eines Mafioso.
Bevor es allerdings spannend werden könnte, kommt ein Schnitt, und Killer 2 erzählt wortreich ein Rätsel, wie Kinder auf Klassenfahrt. Auch Killer 1 fühlt sich genötigt, mehr von sich preiszugeben. Er erkundigt sich telefonisch nach seinem kranken Sohn, betet für ihn, bricht in Tränen aus: „Ich will zu einem guten Menschen werden.“ Nun ja, da wird nichts draus.
Eskalation aus Entfremdung
Denn die Stimmung der beiden in einer tristen Wohnung wartenden Männer sinkt zusehends; die Entfremdung wird zur Eskalation führen. Bis dahin redet man weiter über den professionellen Auftragsmord, liest sich Jugendprosa vor, langweilt sich gegenseitig und das Publikum bis zur Erschöpfung. Dann passiert ein Unglück, weil einer die Beherrschung verliert. Das treibt die Spannungskurve allerdings auch nicht mehr nach oben.