Karlsruhe

art KARLSRUHE 2014

Ma Jun: Porcelain Car II, Fiberglas und Ölfarbe, 2008. Foto: ohe
Fest etabliert: Auf der elften badischen Kunstmesse wird ein vielfältiges Sortiment von Klassischer Moderne bis Gegenwartskunst angeboten. Die überrascht mit ihrer Tendenz zum Tierischen: für Kuschel-Reflexe wie bei Katzen-Videos auf Youtube.

Die art KARLSRUHE hat sich als eine der drei größten Kunstmessen im deutschsprachigen Raum etabliert; ihr Renommee bei Galeristen, Sammlern und Besuchern ist gefestigt. Dass sie in der elften Ausgabe erstmals auf launig nichtssagende Motti wie „Jeder Mensch ein Sammler“ (2012) oder „Mit Leidenschaft für die Kunst“ (2013) verzichtet, zeigt, wie sicher sie mit Zuspruch rechnen kann: Es reicht, dass sie stattfindet.

 

Info

 

art KARLSRUHE 2014

 

13.03.2014 - 16.03.2014

täglich von 12 bis 20 Uhr, am 16.3. von 11 bis 19 Uhr

auf dem Messegelände Karlsruhe, Messeallee 1, Rheinstetten

 

Katalog 25 €

 

Weitere Informationen

 

Dabei erhebt die Messe in diesem Jahr Malerei zum Schwerpunkt – neben der Bildhauerei, der Gründer und Leiter Ewald Karl Schrade seit jeher viel Platz einräumt. Im Mittelpunkt stehen also die beiden ältesten und ohnehin beliebtesten Kunstsparten. Aus simplem Grund: Bilder und Skulpturen verkaufen sich leichter als Installationen oder Video-Projektionen.

 

220 Aussteller aus 13 Ländern

 

Dafür sind 220 Aussteller aus 13 Ländern angereist, ebenso viele wie im Vorjahr; 38 davon sind neu dabei. Wie sehr sie auf Kaufkraft und -lust des Publikums in Karlsruhe vertrauen, zeigt die Fülle von hochkarätigen und -preisigen Werken, die sie mitgebracht haben; vor allem aus dem Segment der Klassischen Moderne.

Impressionen der Kunstmesse


 

„Lachendes Mädchen“ von Lovis Corinth

 

Gleich ein halbes Dutzend Altmeister zeigt die Galerie Cortina aus Barcelona bei ihrem ersten Messeauftritt. Drei kleine Plastiken von René Magritte werden für 24.000 bis 33.000 Euro angeboten, ein großes Aquarell des späten Alexander Calder für 65.000 Euro. Zwei steinerne Würfel-Skulpturen von Eduardo Chillida sind für 50.000 bis 220.000 Euro zu haben, kleinformatige Arbeiten von Picasso, Miró und Dubuffet für niedrige fünfstellige Summen.

 

Ungewohnt sinnliche Grafiken von Otto Dix und George Grosz sind bei den Galerien Hagemeister (Frankfurt/M.) und Rudolf (Kampen) zu sehen. Letztere prunkt mit einem Frühwerk von Lovis Corinth: Sein kokett „Lachendes Mädchen“ im Nachthemd malte er 1883 als 25-Jähriger (Preis auf Anfrage). Noch stärker ist die Nachkriegsmoderne vertreten.

 

Karl Otto Götz für eine halbe Million Euro

 

„Die Galerie“ aus Frankfurt/Main präsentiert Arbeiten der halben CoBrA-Gruppe, darunter intensiv leuchtende Ölgemälde von Asger Jorn (85.000 bis 330.000 Euro); außerdem dezent surrealistische Werke von André Masson (95.000 bis 250.000 Euro) und ein Frottage-Bild von Max Ernst zu ungenanntem Preis.

 

In ähnlichen Höhen bewegen sich die Summen für Großformate, etwa gestische Malerei von Walter Stöhrer. Sie wird bei Nothelfer (Berlin) und Schloß Mochental gezeigt, der Galerie von Messe-Leiter Schrade. Er präsentiert auch Karl Otto Götz, der jüngst seinen 100. Geburtstag feierte: Das zwei mal drei Meter großes Bild „Scara-Tell“ in Götz‘ typischer Wisch-Technik kostet knapp eine halbe Million Euro.

 

Re-Edition von Manzonis „Künstlerscheiße“

 

Günstiger ist der ZERO-Künstler Heinz Mack bei Geiger (Konstanz): in Acryl für 82.000, in Pastell für 29.000 Euro. Zwei farbintensive Papierarbeiten seines ZERO-Kollegen Otto Piene bietet die italienische Galerie Kanalidarte aus Brescia für 20.000 und 35.000 Euro an. Und als Schnäppchen eine „Re-Edition“ von Piero Manzonis berühmt-berüchtigter „Künstlerscheiße“ in kleinen Blechdosen: als 90er-Neuauflage zu je 5.000 Euro.

 

Für wenig mehr bekommt man bei Geiger eine komplette Assemblage von Daniel Spoerri als gedeckten Tisch nach dem Mahl; inklusive Muscheln, vier Schildkröten und einem Fisch aus Holz. Als Bestiarium ist das Werk von 1993 völlig zeitgemäß: Wenn es im überbordenden Messe-Sammelsurium aus allen Stilen und Strömungen eine gemeinsame Tendenz gibt, dann den Trend zum Tier.

 

Rückkehr auf den Bauernhof

 

Nicht als Chiffre oder Symbol, sondern ganz unmittelbar: als Begleiter und Bedrohung des Menschen. Auf Gemälden spazieren Personen in Begleitung von Tigern, schmusen mit Raubkatzen oder lassen Windhunde ihre Beine umspielen. Steinblöcke werden zu gewichtigen Spinnen und Seesternen geschliffen; ein Zebra-Fell geht in Rastergrafik über. Für den kleinen Geldbeutel gibt es bei Tammen (Berlin) Wand-Trophäen aus grob geschnitzten Tierköpfen für 800 bis 1200 Euro.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Kunstmesse "art Karlsruhe 2012"

 

und hier einen Bericht über die "Berlin Art Week 2013"  - abc art berlin contemporary + Preview Berlin Art Fair in Berlin

 

und hier einen Beitrag über die “Berlin Art Week” - mit der abc art berlin contemporary 2012 in Berlin

 

Eckart Hahn bevölkert gar bei Rothamel (Erfurt/ Frankfurt/M.) eine ganze Voliere: Da kräht ein Hahn auf dem sprichwörtlichen Haufen, Hühner zerpicken einen Sarg, und Raben baden in weißer Farbe. Diese Rückkehr auf den Bauernhof macht stutzig. Offenbar bieten Kunst-Tiere im Messe-Getümmel, das so unübersichtlich ist wie die Gegenwart selbst, einen eindeutigen Vorzug: Vierbeiner und Federvieh erkennt jeder.

 

Skulpturenplätze für Auslauf

 

Vermutlich bedient Kleintierzoo-Kunst dieselben Reflexe wie Katzen-Videos auf Youtube: Sie sprechen Niedlichkeits-Instinkte an und vermitteln das Gefühl kuscheliger Geborgenheit. Solcher Rückzug aufs Kreatürliche kann mit Kunst als Medium kritischer Reflexion nichts anfangen; sie spielt daher auf der Messe eine ebenso geringe Rolle wie Fotografie, die aktuelle Zustände nüchtern dokumentiert.

 

Die vier weitläufigen Messe-Pavillons sind eben ein in sich geschlossener Kosmos voller Kojen. Zwischen denen würde es leicht zu eng und stickig, würde der Parcours nicht immer wieder auf „Skulpturenplätze“ führen. Sie bieten genügend Auslauf zum Durchatmen – vielleicht der innovativste Beitrag der art KARLSRUHE zur Kunstmesse-Landschaft. Damit auch im kommenden Jahr erneut mehr als 50.000 Besucher auf das Gelände strömen.