So sehen Gentleman-Ganoven aus: seidige Langhaar-Locken, lässig über die Jeans hängendes Freizeithemd und sehr eigentümliches Schmunzeln – keck, verschmitzt, leicht höhnisch. Damit lächelt sich Wolfgang Beltracchi durch den ganzen Film. Als gebe er zu verstehen: Ich binde immer noch allen einen Bären auf.
Info
Beltracchi - Die Kunst der Fälschung
Regie: Arne Birkenstock,
97 Min., Deutschland 2013;
mit: Wolfgang Beltracchi, Helene Beltracchi, Niklas Maak
Ölschinken auf Flohmarkt kaufen
Dort hat ihn Regisseur Arne Birkenstock ausgiebig beobachtet. Und der Kunstfälscher führt bereitwillig die Tricks und Finessen seiner Profession vor: Wie man altehrwürdige Meisterwerke in wenigen, leicht fasslichen Schritten herstellt. Das beginnt mit dem Kauf eines alten Ölschinkens auf dem Flohmarkt, um einen antiken Rahmen zu beschaffen.
Offizieller Filmtrailer
Perfekter Geruch nach 30 Jahren Kneipe
Dann die Leinwand abbeizen, Farben aus den richtigen Pigmenten anrühren, pinseln, im Ofen trocknen und bügeln. Zuletzt hinter das Bild in den Rahmen wieder alte Staubflocken streuen, die man zuvor herausgekratzt hat – fertig! Beltracchi schnuppert kurz an der Leinwand, ob sie „richtig“ riecht: „Am besten sollte das Bild 30 Jahre lang in einer verrauchten Kneipe hängen; dann wäre der Geruch perfekt.“
Solche Rezepte hat er für viele Künstler der klassischen Moderne parat: Max Ernst, Heinrich Campendonk, André Derain, Georges Braque und viele mehr. Er könne alle berühmten Maler nachahmen, selbst alte Meister wie Leonardo, Rembrandt und Vermeer, prahlt Beltracchi. Den Beweis bleibt er allerdings schuldig; Lasurtechnik wäre wesentlich anspruchsvoller als fauvistische oder expressionistische Farbkontraste.
Sammlung des Großvaters erfunden
Dessen ungeachtet wird offensichtlich: Beltracchi ist technisch äußerst versiert. Kunsthistorisch ebenso: Gezielt suchte er nach Werken, von deren Existenz die Kunstgeschichte wusste, die aber als verschollen galten. Diese Bilder hat er angefertigt und damit Lücken im Œuvre berühmter Künstler „geschlossen“. Dafür waren alle dankbar: Experten, Kunstmarkt und Käufer.
Um „glückliche Funde“ mit passender Provenienz auszustatten, erfanden die Beltracchis eine „Sammlung Werner Jäger“; so hieß Helenes Großvater. Belegstücke produzierten sie selbst: „Historische“ Schwarzweiß-Fotos von Jägers angeblicher Wohnung, mit Helene als ihre eigene Oma verkleidet und Wolfgangs Fälschungen an der Wand. Solche grobkörnigen Aufnahmen gelten im Kunstbetrieb tatsächlich als Herkunfts-Nachweise.
Insgesamt rund 300 Gemälde gefälscht
Die wichtigsten Gütesiegel gaben Fachleute wie Werner Spies, der als Max-Ernst-Experte Gemälde kurz begutachtete, sie ins Werkverzeichnis aufnahm und dafür – zumindest in seinem Fall – fette Provisionen kassierte. Willfährige Galeristen brachten anschließend die Bilder in Umlauf und verdienten daran üppig. Beim Prozess wurde nur über 14 davon verhandelt; aktenkundig sind 53.
Beltracchi selbst schätzt, dass er im Lauf der Jahre etwa 300 Gemälde gefälscht hat. Von den Millionen-Erlösen lebte seine Familie gut: auf einem Hof am Niederrhein, später auf einem Weingut in Südfrankreich und in einer Villa in Freiburg. Plus ausgedehnte Urlaube an exotischen Traumstränden; einen Palazzo in Venedig hätte er sich gern noch zugelegt.
Entspannter Späthippie mit savoir vivre
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier ein Interview mit Regisseur Arne Birkenstock zum Film über den Fälscher Wolfgang Beltracchi
und hier eine Besprechung des Films "Trance – Gefährliche Erinnerung" - Psycho-Thriller über einen Kunstraub von Danny Boyle
und hier einen Bericht über den Film “The Best Offer – Das höchste Gebot” - Psycho-Thriller im Kunsthandel von Giuseppe Tornatore mit Geoffrey Rush
und hier einen Beitrag über den Film “Die Mühle und das Kreuz“: Regisseur Lech Majewski überträgt ein Gemälde von Pieter Bruegel auf die Leinwand.
Frühere Abnehmer wollen aber nichts mehr von ihm wissen. Regisseur Birkenstock fiel es schwer, Akteure des Kunstbetriebs aufzutreiben, die zu Stellungnahmen bereit waren. Sie fallen kurz angebunden und wenig aussagekräftig aus. Nur FAZ-Kunstkritiker Niklas Maak spricht es deutlich aus: Beltracchi gelang, die gesamte Kunstwelt zu düpieren, weil alle an der Echtheit seiner Fälschungen interessiert waren. „Echte“ Bilder bringen Geld, falsche nicht.
Neue Käufer nach der Haftzeit
Auch wenn sie perfekt imitiert sind: Ihnen fehlt die Aura bahnbrechender Meisterwerke, die Beltracchi weder kopieren kann noch will. Für ihn ist Malen nur kunsthandwerkliche Tätigkeit; dahinter stehende Ideen, Konzepte und Theorien kümmern ihn nicht. Vielleicht brach er deshalb sein Kunsthochschul-Studium ab; so konnte er im regulären Kunstbetrieb nicht reüssieren.
Doch auf dem undurchsichtigem Graumarkt kennt er sich bestens aus, wie diese Doku zeigt: eher liebevolles Porträt eines sympathischen Spitzbuben als umfassende Aufarbeitung seiner Täuschungsmanöver. So dürfte Beltracchi nach der Haft für seine farbenfrohen Großformate wieder reichlich Käufer finden – nicht trotz, sondern wegen seines Vorlebens. Die Welt will betrogen werden, und das beherrscht er mit Charme und Chuzpe wie kaum ein anderer.