Bruno Barreto

Die Poetin – Reaching for the moon

Ménage à trois: Die Architektin Lota de Macedo Soares (Glória Pires, li.) lebte jahrelang mit Mary (Trace Middendorff, mi.) zusammen - nun aber mit Elizabeth (Miranda Otto). Foto: © Pandastorm Pictures
(Kinostart: 10.4.) Schöner Wohnen auf Luxus-Landsitz in Brasilien: Die US-Dichterin Elizabeth Bishop erlebt mit der Architektin Lota die Liebe ihres Lebens. Sein Akademiker-Melodram inszeniert Regisseur Bruno Barretto als Fest des guten Geschmacks.

Jeder wäre wohl auf ein solches Arbeitszimmer neidisch: frei auf der Kuppe eines Hügels gelegen, mit Blick auf den Himmel und den vor saftigem Grün strotzenden Regenwald. Bis sie ihre Luxus-Schreibstube genießen kann, muss die Dichterin Elizabeth Bishop (Miranda Otto) einen weiten Weg zurück legen – nicht nur geografisch.

 

Info

 

Die Poetin –
Reaching for the Moon

 

Regie: Bruno Barreto,

110 Min., Brasilien 2013;

mit: Miranda Otto, Glória Pires, Tracy Middendorff

 

Website zum Film

 

1951 reist Bishop nach Rio de Janeiro, um dort ihre alte Studienfreundin Mary (Tracy Middendorf) zu besuchen und einer Schaffenskrise zu entfliehen. Dort erwartet die zaghafte Dichterin ein heftiger Kulturschock. Die graumäusige New Yorkerin ist von tropischer Üppigkeit völlig überfordert; sowohl von der Natur als auch der überschwänglichen Emotionalität der Brasilianer.

 

Freundin lebt mit Frau zusammen

 

Außerdem lebt Mary mit einer Frau zusammen, der bekannten Architektin Lota de Macedo Soares (Glória Pires). Zu dieser Zeit ist das in Brasilien noch sehr ungewöhnlich und sogar gefährlich, aber Lota zählt zur high society: Sie kann sich viel mehr Freiheiten erlauben als Normalbürger.


Offizieller Filmtrailer


 

Farbloser Fremdkörper in Brasilien

 

Zunächst will die Dichterin nur ein paar Tage bleiben; daraus werden schließlich 15 Jahre. Obwohl sich Lota und Elizabeth anfangs nicht ausstehen können, werden sie ein Paar: Gegensätze ziehen sich an. Lota ist selbstsicher, großzügig, pragmatisch, energisch, von vielen Freunden umgeben und trägt mit Vorliebe Anzüge in satten Farben.

 

Elizabeth hingegen ist scheu, hat trotz ihrer Erfolge als Autorin wenig Selbstvertrauen, ein Alkoholproblem und bevorzugt Kleidung in fahlen Unfarben. Schon allein damit wirkt sie in Brasilien wie ein Fremdkörper. Sie wird sich aber rasch einleben und später einige ihrer besten Werke in dem Studio schreiben, das Lota auf ihrem großen Landsitz für sie errichten lässt.

 

Zwei schillernde Weltkultur-Gestalten

 

Lotas kosmopolitischer Freundeskreis akzeptiert Elizabeth schnell, zumal alle ihre Dichtung kennen und bewundern. Nur ihre alte Freundin Mary ist im Hintertreffen, wird aber noch auf dem Anwesen geduldet – aus alter Freundschaft und weil Lota sich ihr verpflichtet fühlt.

 

Regisseur Bruno Barreto erzählt diese Geschichte glücklicherweise auf emotionaler Ebene wohltuend kitschfrei. Das liegt vor allem an den hervorragenden Hauptdarstellerinnen, die ihre Figuren glaubwürdig verkörpern und dem Zuschauer zwei schillernde Gestalten der Weltkultur nahe bringen.

 

Pulitzer-Preis + Unesco-Welterbe

 

Elizabeth Bishop wurde 1956 für ihren Gedichtzyklus „North & South – A Cold Spring“, der in Brasilien entstand, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Lota de Macedo Soares gestaltete auf einer Brache mitten in Rio de Janeiro den Parque do Flamengo, der heute zum Unesco-Welterbe zählt.

 

Das Setting des Films schwelgt in allem, was gerade diese Periode – Anfang 1950er bis Mitte der 60er – ästhetisch immer noch interessant macht. Die vermögende Großbürgerin Lota wohnt am Rande des Kurorts Petropolis in der Hügelkette vor Rio de Janeiro auf einem riesigen Landgut mit Bediensteten.

 

In Hausherrin + Landschaft verlieben

 

Das Auge kann sich an feinster modernistischer 1950er-Jahre-Architektur in immergrüner Umgebung genauso erfreuen wie am bis ins letzte Detail stimmigen Design der Inneneinrichtung. Bei so viel Schönheit muss man sich verlieben – wenn nicht in die Hausherrin, dann zumindest in die Landschaft.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Kill Your Darlings"  - Drama über das Coming Out des Dichters Allen Ginsberg von John Krokidas

 

und hier einen Beitrag über den Film "Hélio Oiticica"  - brillante Doku über den "Andy Warhol Brasiliens" von Cesar Oiticica Filho

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Das Verlangen nach Form" - Neoconcretismo der 1960er Jahre in Brasilien in der Akademie der Künste, Berlin.

 

Zusehends wird die anfangs zugeknöpfte Dichterin lockerer und trägt farbige Kleider, während die immer vagabundierende und sehr erfolgreiche Architektin zeitweise häuslicher wird. Beide bewundern einander und inspirieren sich gegenseitig.

 

Lota pro, Elizabeth contra Putschísten

 

Allerdings nagt manches an ihrer Beziehung und verschiebt das Kräfteverhältnis: erstens ihr Verhältnis zu Mary, die ein Kind adoptiert hat, und ihre nicht reibungsfreie ménage à trois. Sodann auch der Sturz von Brasiliens Präsidenten João Goulart durch rechtsgerichtete Militärs 1964: Lota arrangiert sich mit den Putschisten, um weiter Aufträge zu bekommen, während Elizabeth diesen Opportunismus mit deutlichen Worten geißelt.

 

Kurz darauf kehrt sie selbstbewusst nach New York zurück, um an der Universität zu unterrichten. Lota erleidet einen Nervenzusammenbruch, wird immer verzagter und sehnt sich nach ihrer Geliebten. Das kann kein gutes Ende nehmen, doch es wird immer noch ein Ende in makelloser Schönheit.

 

Perfektion ist etwas langweilig

 

Es fällt schwer, das als Vorwurf zu formulieren: Aber perfekte Schönheit ist immer auch etwas langweilig – zumal die wunderbar komponierten, opulenten Bilder von einem süßlichen score untermalt werden. Trotzdem: ein Film über eine große, tragische Liebe und zwei Künstlerinnen, die wieder zu entdecken lohnt.