Immer wieder werden die USA von Berichten über rassistische und gewalttätige Polizisten erschüttert; ihre Opfer sind meist Schwarze. Die Erschießung von Oscar Grant in der Silvesternacht 2008 an einer U-Bahn-Station von San Francisco führte zu landesweiten Protesten. Es war der erste derartige Fall, den viele Augenzeugen mit Handys gefilmt hatten, um ihre Videos sofort ins Internet zu stellen.
Info
Nächster Halt:
Fruitvale Station
Regie: Ryan Coogler,
85 Min., USA 2014;
mit: Michael B. Jordan, Melonie Diaz, Octavia Spencer
Gute Vorsätze zum Jahreswechsel
Der 22-jährige Oscar Grant (hervorragend: Michael B. Jordan) aus Oakland war kein Heiliger: Er saß wegen Dealens mit Marihuana zwei Jahre lang im Gefängnis. Doch der Vater der vierjährigen Tatiana will sich ändern und solide werden. Er verspricht am Silvestertag seiner Freundin Sophina (Melonie Diaz), künftig nicht mehr fremdzugehen: Er wolle ein wirklich guter Partner und Familienvater sein.
Offizieller Filmtrailer
Grobkörniger 16-Millimeter-Film passt zum Plot
Oscars Lage ist prekär, da er gerade seinen Job in einem Supermarkt verloren hat. Trotzdem kümmert er sich liebevoll um seine Tochter und erledigt Einkäufe für seine Mutter (Octavia Spencer), die an Silvester Geburtstag hat. Abends überredet ihn Sophina, gemeinsam mit Freunden nach San Francisco zu fahren, um dort den Jahreswechsel ausgelassen zu feiern. Um nicht im Verkehr stecken zu bleiben, nehmen sie die U-Bahn: Das wird Oscar später zum Verhängnis.
Nicht nur Hollywood mag es gerne überdeutlich. Auch independent movies aus den USA hämmern ihre Botschaft dem Publikum oft gnadenlos ein; zudem neigen sie dazu, in vermeintlicher cleverness überkonstruiert zu sein. Regisseur Coogler macht es besser. Er hat sein Debüt auf grobkörnigem 16-Millimeter-Film mit Handkamera gedreht, was „Nächster Halt: Fruitvale Station“ einen zur Handlung passenden, authentischen look verleiht.
Unfall oder absichtliche Hinrichtung?
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Twelve Years a Slave" - fesselnde Sklaverei-Saga von Steve McQueen
und hier einen Bericht über den Film "Der Butler" - Biopic über einen schwarzen Diener im Weißen Haus von Lee Daniels mit Forest Whitaker
und hier einen Beitrag über den Film "The Black Power Mixtape 1967 – 1975" - brillante Doku über die US-Bürgerrechtsbewegung von Göran Hugo Olsson.
Oscar Grant erscheint als ein eigentlich herzensguter Kerl, der unverdienterweise immer wieder Opfer äußerer Umstände wurde – obwohl der reale Oscar kein Unschuldslamm war, was aber am Skandal seiner grundlosen Tötung nichts ändert. Bei der Rekonstruktion des Tathergangs lässt der Film offen, ob die Erschießung ein Unfall oder eine absichtliche Hinrichtung war.
Versehentlich zur Pistole gegriffen
Klar ist, dass Oscar bei der Rückfahrt im U-Bahn-Waggon auf ehemalige Mithäftlinge traf und mit ihnen in ein Handgemenge geriet. An der Fruitvale Station wurden seine Freunde und er von der U-Bahn-Polizei aus dem Zug geholt und brutal auf den Boden gedrückt. Dann fiel der tödliche Schuss, der Oscar in den Rücken traf. Der verantwortliche Polizist sagte später aus, er habe versehentlich zur Pistole anstatt zu seiner Elektroschock-Waffe (Taser) gegriffen.
Dagegen blieb ein weißer Ex-Mithäftling, der Oscar provoziert hatte, von der Polizei unbehelligt. Das zeigt unmissverständlich, dass für Schwarze in den USA das Risiko, von der Polizei erschossen zu werden, wesentlich höher ist als bei Weißen. Dafür steht der Name der „Fruitvale Station“ als düsteres Symbol.