Berlin

Hans Richter – Begegnungen: Von Dada bis heute

Hans Richter, Sergei Eisenstein und Man Ray, Paris, 1929, © Estate Hans Richter. Fotoquelle: Martin-Gropius-Bau, Berlin
Erfinder des Multimedia-Kunst: Hans Richter war Tausendsassa der Avantgarde in den 1920ern. Er kannte alle und kooperierte mit jedem; seine Filme schrieben Geschichte. Dieses vielgestaltige Werk präsentiert der Gropius-Bau als große Retrospektive.

Suche nach universaler Kunst-Sprache

 

Mit seinem Debüt-Film „Rhythmus 21“ wird Richter Kunstgeschichte schreiben. Darin sucht er mit Viktor Eggeling nach einer universalen Sprache für den Zusammenhang von Rhythmus und Form. Bewegungen abstrakter Formen werden auf der Leinwand durchgespielt, ähnlich wie später bei den dreidimensionalen Architektur-Modellen von Malewitsch.

 

Die Suche nach einer universalen Kunst-Sprache mit sozialem Anspruch, die „das Leben nicht erklären, sondern verändern“ kann, verfolgt Richter ebenso in der konstruktivistischen Zeitschrift „G“: Es geht ihm um Formen, deren Funktionen „den gesamten Weltprozess“ ausmachen sollen.

 

Alles dreht sich, alles bewegt sich

 

Das wird auch deutlich in Richters Filmen der späten 1920er Jahre. Sergej Eisensteins revolutionäre Montage-Technik prägt „Everyday“ von 1929: Maschinenteile und Arbeiter in Bewegung werden im Kontrapunkt zu Manschetten-Knöpfen und der Schreibmaschine eines bebrillten Büromenschen gezeigt.

 

Auch in den ersten Werbefilmen Richters wie „Alles dreht sich, alles bewegt sich“ und „Zweigroschenzauber“ (beide 1929) stehen Bewegungen von Formen im Zentrum: Belebte Gegenstände und menschliche Gesichter werden vom Hintergrund abgelöst, vervielfältigt und über Flächen gerollt. Richter zeigt, wie austauschbar lebende Menschen und bewegte Objekte im Film sind. Bewegung erscheint als reine Verkettung ohne Grund: als Magie des Visuellen.

 

Riesige Monumentalbilder zum Krieg

 

Der FiFo-Ausstellung von 1929 ist ein Raum gewidmet, in dem damals vom US-Fotografen Edward Weston ausgewählte Aufnahmen und Ausschnitte der Filme versammelt sind, die Richter zusammengestellt hatte. Beide sind stark vom „Neuen Sehen“ beeinflusst, wie es am Bauhaus gelehrt wurde; Fotos und Filme stehen im Dienst von Design und Reklame.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "1914 – Die Avantgarden im Kampf" in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung  “Der Sturm – Zentrum der Avantgarde” im Von der Heydt-Museum, Wuppertal

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die Kulisse explodiert" - Werkschau des Avantgarde-Architekten und Theater-Visionärs Friedrich J. Kiesler in der Villa Stuck, München

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Traumanatomie” - Hans Arp + Hugo Ball als Dadaisten im Arp Museum, Remagen.

 

Als Filminstituts-Leiter in New York wendet er sich wieder der bildenden Kunst zu. Noch während des Weltkriegs schafft er Triptychen und riesige Monumentalbilder, in denen er Malerei und Collage mischt und das Ende des Krieges thematisiert. Das mit Zeitungs-Ausschnitten übersäte Rollbild „Stalingrad“ nimmt eine ganze Wand ein; ähnlich die „Befreiung von Paris“.

 

Keine typische klassische Moderne

 

Diese Bilder werden neben Werken anderer Künstler präsentiert, gegen die sich Richter nicht wirklich behaupten kann. Seine Serien von Reliefs, die mit Holz und Metall experimentieren, hängen neben den „Drei Zypressen“ von Max Ernst und readymades von Marcel Duchamp, was ihnen nicht bekommt.

 

Für Kurator Timothy Benson verkörpert Hans Richter die „Idee der Moderne vom gemeinsamen Wirken der Künstler zum Wohle der Gesellschaft“. Doch die Ausstellung weist in eine andere Richtung: Trotz Monumentalbildern und Maschinenmetaphorik ist Richter kein typischer Vertreter der klassischen Moderne.

 

Eher ein Vorläufer des postindustriellen Medien-Künstlers: Es geht ihm um „Bewegung und Gegenbewegung“ von Formen, die in jedem Medium anders erscheinen. Darin war er ganz klar wegweisend.