Masturbation ist ein Mittel gegen den Frust. Gegen die Langeweile in einem Dorf, das nur aus einer Straße mit wenigen Häusern besteht: bewohnt von dummen Schafen, spionierenden Nachbarinnen und auf dem Trampolin springenden Kleinkindern. Blöd nur, wenn man kurz vorm Höhepunkt gestört wird.
Info
Turn Me On!
Regie: Jannicke Systad Jacobsen,
76 Min., Norwegen 2011;
mit: Helene Bergsholm, Matias Myren, Henriette Steenstrup
Fataler Griff zum Hosenknopf
Im richtigen Leben begleitet er Alma höchstens mal ein paar Schritte beim Gassi gehen mit dem Hund, nickt ihr im Schulkorridor kurz zu oder knöpft sich im Bierrausch während einer Party im Jugendzentrum die Hose auf, um Alma etwas zeigen – was sie zwar dringend zu sehen wünscht, aber in ihrer emotionalen Überforderung nicht für sich behalten kann. So nimmt das Verhängnis in „Turn Me On!“ seinen Lauf.
Offizieller Filmtrailer
Medienpartner „Bravo“ für Dr.-Sommer-Thema
Die wunderbar frische und mit 76 Minuten knackig kurze coming of age-Komödie war in Norwegen ein großer Erfolg. Das Debüt von Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen gewann auf dem Tribeca Festival in New York 2012 den Preis für das beste Drehbuch. Nun kommt der Film mit Verspätung auch in die deutschen Kinos – mit dem Jugendmagazin „Bravo“ als Medienpartner. Kein Wunder: behandelt wird ein geradezu klassisches Dr.-Sommer-Thema. Allerdings ebenso sympathisch wie unverkrampft.
„Artur hat mich mit seinem Schwanz gepiekst“, erzählt Alma ihren Freundinnen nach der sexuellen Annäherung in der lauen Mittsommernacht. Keine so gute Idee! Die frühreife, mit großem Vorbau und rosa lipgloss bewaffnete Ingrid hat nämlich nichts Besseres zu tun, als Artur direkt darauf anzusprechen. Immerhin ist sie selbst scharf auf ihn.
Hauptdarstellerin wurde überredet
Ihre schwarz gekleidete, Kette rauchende Emo-Schwester Sara wendet sich von Alma ab: Sie ist eher mit Weltrettungs-Gedanken beschäftigt und kurz davor, selbst in ihr erstes Liebesabenteur zu stolpern. Und Artur hat nicht den Mumm, zu seiner uneleganten Anmache zu stehen. Also macht die Geschichte in der Schule die Runde. Die scheue, dünne, blonde Alma hat plötzlich keine Freunde mehr, aber ihren Stempel weg: „Schwanz-Alma“!
Bis auf die Rolle von Almas Mutter (Henriette Steenstrup) hat Regisseurin Jacobsen den Film nur mit Laiendarstellern besetzt. Für Helene Bergsholm in der Hauptrolle war es das erste Mal vor einer Kamera. Sie begleitete eigentlich nur eine Freundin zum casting, habe sich dann aber zum Vorsprechen überreden lassen, erzählt sie nach der Berliner Vorpremiere: „Ich war total schüchtern und fand es schrecklich.“
Mittelfinger für Ortseingangs-Schild
Dennoch überstand sie alle Auswahlrunden und wurde als Hauptfigur besetzt. Nun ist sie in Norwegen eine Berühmtheit. „Ich habe mich trotzdem entschieden, jetzt erstmal in Oslo zu studieren. Aber ich schließe nicht aus, wieder einen Film zu drehen, wenn mir eine interessante Rolle angeboten wird“, sagt Bergsholm.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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und hier einen Beitrag über "Feuchtgebiete" - brillante Verfilmung des Bestsellers von Charlotte Roche durch David Wnendt
und hier einen Bericht über den Film "Lollipop Monster" - originell bebildertes Coming-of-Age- Drama über nymphomane Lolita von Ziska Riemann + Luci van Org.
Horror-Rechnung von Sex-Hotlines
Bis sich die Wogen um Arturs erektilen und Almas verbalen faux pas wieder glätten, thematisiert der Film noch wichtige Teenager-Fragen: Wie holt man sich Respekt zurück? Wie erklärt man der Mutter eine horrende Telefonrechung, weil man sich auf Sex-Hotlines herumtreibt?
Wie erkennt man, dass man verliebt ist? Wie steht man den Nebenjob durch? Wie wehrt man Mobbing ab? Wie verheimlicht man eigene Lüsternheit? „Turn Me On!“ bleibt dabei immer sensibel, ohne zu moralisieren oder pädagogisch zu werden.
Wie auf der Alb oder in MeckPom
Mit kleinem Budget, aber originellen Regie-Einfällen – Traumsequenzen, Fotoroman-Passagen und surrealen Tanzeinlagen – gedreht, hat der Film das Potential zum Frühlings-Hit: Mutig, witzig und pointiert, lebt er von der Natürlichkeit seiner Darsteller. Vor allem aber ist er nah am Leben: Auf der Schwäbischen Alb, in mecklenburgischen Provinzkaffs oder hinterm Deich haben Jugendliche schließlich die gleichen Probleme wie Alma aus dem Fjord.