
Es geht los wie in einem ganz gewöhnlichen Krimi. In Kapstadt wird die Leiche einer jungen Weißen aus wohlhabendem Hause gefunden; Spuren einer Designer-Droge finden sich in ihrem Blut. Drei Mitglieder der Mordkommission machen sich an die Arbeit: good cop, bad cop and boring cop.
Info
Zulu
Regie: Jérôme Salle,
110 Min., Südafrika/ Frankreich 2013;
mit: Forest Whitaker, Orlando Bloom, Conrad Kemp
Karikatur eines Bullen-Wracks
Dagegen wirkt Kollege Brian Epkeen (Orlando Bloom) wie die Karikatur eines Wracks mit Polizei-Dienstmarke: Er kurvt in einer Rostschüssel herum und futtert Tabletten wie Smarties. Seine Ex hat ihn für einen Zahnarzt verlassen, sein Sohn verachtet ihn. Feierabende verbringt er mit hochprozentigen Drinks und willigen Schönheiten.
Offizieller Filmtrailer
Schluss mit Multikulti-Idylle
Dann wäre da noch der stets korrekte Dan Fletcher (Conrad Kemp), der sich liebevoll um seine krebskranke Frau kümmert. Also nach Genre-Regeln ein Langweiler, der als erster dran glauben muss. So kommt es: Als das Trio am Strand den dealer sucht, der das Mordopfer mit Stoff versorgte, wird es von einer gang überfallen. Dan bleibt auf der Strecke.
Und der französische Regisseur Jérôme Salle schaltet auf Turbo um. Schluss mit Multikulti-Idylle und gemütlichen barbecues an Sommerabenden – mit Vollgas hinein in die Gegensätze und Abgründe eines Landes, in dem Misstrauen, Hass und Brutalität allgegenwärtig sind und jeder sehen muss, wo er bleibt.
Geheimforschung an Giften gegen Schwarze
Fortan verfolgen Ali und Brian verschiedene Fährten. Ali fahndet in den schwarzen townships nach der Quelle der Droge, die ihre user extrem aggressiv macht. Brian kundschaftet eine leer stehende Strand-Villa aus, die einer Briefkastenfirma gehört. Beide Spuren laufen zusammen: Drahtzieher sind hochrangige Ex-Mitarbeiter des „Project Coast“.
Unter diesem Decknamen ließ die Apartheids-Regierung Wissenschaftler in den 1980er Jahren chemische und biologische Waffen entwickeln. Weniger zur Kriegsführung gegen äußere Feinde, als vielmehr gegen die innere Bevölkerungsmehrheit: besonders starkes Tränengas, um Unruhen niederzuschlagen; Stoffe, die gezielt schwarze Männer unfruchtbar machen sollten; und Hautkontakt-Gifte, die Demonstranten und Oppositionelle töteten.
Duldsamkeit in Person wird Racheengel
Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern gesichertes zeitgeschichtliches Wissen. Projekt-Chef Wouter Basson wurde 1999 in Pretoria vor dem High Court angeklagt, ein UN-Report fasste die Erkenntnisse auf 250 Seiten zusammen. Doch außerhalb Südafrikas ist diese Horror-Forschung wenig bekannt – was sich „Zulu“ geschickt zunutze macht.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier einen Beitrag über den Film "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit" - episches Biopic über Nelson Mandela von Justin Chadwick
und hier eine Besprechung des Films "Nairobi Half Life" - packender Kenia-Thriller von Tosh Gitonga
und hier einen kultiversum-Bericht über den Film “The Bang Bang Club” – Drama über Pressefotografen im Südafrika der Apartheid-Endphase von Steven Silver.
Wie im Lazarett unter Feindbeschuss
So entfaltet „Zulu“ das facettenreiche Panorama einer Gesellschaft, unter deren brüchigem Minimal-Konsens unbewältigte Altlasten und Konflikte schwelen: Die Wunden sind nicht verheilt oder vernarbt, sie nässen noch. Doch Regisseur Salle legt sie nicht sorgsam frei wie eine Krankenschwester, sondern kunstvoll improvisiert und hektisch wie ein Feldscher im Lazarett unter Feindbeschuss.
Diese Ausnahmezustand-Atmosphäre macht den präzise konstruierten Politkrimi so mitreißend. Schauplätze und Akteure jagen einander im gleißenden Sonnenlicht; hier landen sie in einer Sackgasse, dort tauchen neue Indizien auf.
Kanak Sprak am Kap
Dabei wird die Tonspur zur Kakophonie: Man redet Englisch, Afrikaans und Zulu wild durcheinander, gerne auch in einem Satz – Kanak Sprak am Kap. Alle Mosaiksteine fügen sich, wie es die Genre-Regeln gebieten, erst am Ende zum schlüssigen Gesamtbild. Und das könnte erbarmungsloser kaum sein.