
Ferguson ist überall: Nachdem die Polizei grundlos einen 18-jährigen Schwarzen erschossen hatte, tobten in der US-Kleinstadt wochenlang Unruhen. Dabei rüsteten die Polizisten auf, als führten sie Krieg gegen ihre Landsleute − und heizten damit die Proteste zusätzlich an. Solche Verhältnisse sind nicht auf die USA beschränkt: Jenseits der Grenze in Mexiko sieht es noch viel schlimmer aus.
Info
Heli
Regie: Amat Escalante,
105 Min., Mexiko/ Deutschland/ Frankreich 2013;
mit: Armado Espitia, Andrea Vergara, Juan Eduardo Palacios
Mit 17 Vater eines Kindes
Der 17-jährige Heli (Armando Espitia) versucht, alles richtig zu machen: Ohne besondere Freude oder Leid lebt er rechtschaffen in der Kleinstadt Guanajuato in Zentralmexiko. Er ist bereits verheiratet und hat ein kleines Kind. Die junge Familie lebt in Helis bescheidenem Elternhaus mit seinem Vater und der 12-jährigen Schwester Estela (Andrea Vergara) zusammen.
Offizieller Filmtrailer (OmU)
Volkszählung erfasst ganzes Leben
Vater und Sohn arbeiten in der örtlichen Automobil-Fabrik; ein einfaches Leben mit wenig Perspektive, viel Arbeit und kaum Freiraum für persönliche Entfaltung. Heli ist früh erwachsen geworden: Auf seinem jungen Gesicht zeigt sich schon die Bürde von Verantwortung − und etwas Überdruss an der Enge seiner kleinen Welt.
Deren Umrisse erfasst der Zuschauer schon zu Beginn: Eine Frau klopft an Helis Tür und stellt ihm für die Volkszählung standardisierte Fragen. Seine misstrauischen Antworten reichen aus, um dieses Leben zu charakterisieren. So zeichnet Regisseur Escalante mit wenigen Strichen ein präzises Porträt von Mexikos Landbevölkerung.
Hausdach als Drogenversteck
Doch Helis Schwester Estela sprengt mit ihrem Aufbegehren dieses beschauliche Dasein. Sie hat einen 17-jährigen Freund und träumt von einer besseren Zukunft mit ihm. Der Polizeikadett Beto (Juan Eduardo Palacios) will das Mädchen heiraten; dafür braucht er Geld.
Im Rahmen seiner Ausbildung lernt Beto gerade, wie man Drogenfunde vernichtet. Er stiehlt zwei Pakete Kokain und versteckt sie auf dem Dach von Helis Haus, um sie später zu Geld zu machen. Heli entdeckt und beseitigt zwar die Drogenpakete, kann das Unheil aber nicht abwenden: Die Drogenmafia, eine Polizei-Sondereinheit und das Militär machen Jagd auf seine Familie − und zerstören sie schnell und brutal.
Selbstjustiz gegen Gewalt-Komplex
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Miss Bala” von Gerando Naranjo über den Drogen-Krieg in Mexiko
und hier einen Beitrag zum Film “Savages” von Oliver Stone über Drogenbanden-Kriege in Kalifornien
und hier einen Bericht über die Ausstellung “Frontera” von Teresa Margolles mit Kunst zur Gewalt in Mexiko im Fridericianum, Kassel.
Was der Titelheld zwar überlebt, doch seine Schwester bleibt verschwunden. Völlig traumatisiert verliert er seinen Job. Der Polizei traut Heli nicht mehr; er greift zur Selbstjustiz. Womit er eine weitere Runde im Teufelskreis einleitet: Die Gewalt wird zurückkommen und weitere Kreise ziehen.
Kein staatlicher Schutz
„Heli“ ist ein harter Brocken: Um diesen Film zu verkraften, braucht man ein dickes Fell. Regisseur Escalante zeigt Brutalität als derart normal und allgegenwärtig, dass sie einem tief unter die Haut geht. Dabei wird sie nie zum Selbstzweck; der Film berührt nie die Grenze zum torture porn, der Grausamkeiten genüsslich ausmalt.
Gewalt ist hier eher ein Strudel oder Mahlstrom: Sie kann jederzeit hereinbrechen, alles mit sich reißen und das Leben Unschuldiger im Nu zerstören. Ohne dass der Staat seinen Bürgern Schutz böte, im Gegenteil: Seine bewaffneten Kräfte wüten nicht minder willkürlich und zerstörerisch. Diese verheerende Botschaft, verpackt in eine feinsinnige Dramaturgie, brennt sich ins Gedächtnis ein.