
Seine science fiction ist down to earth: US-Regisseur Mike Cahill gelang 2011 mit dem Drama „Another Earth“, das er mit nur 100.000 Dollar Budget drehte, ein Überraschungs-Erfolg. Der Film über eine zweite Erde, die plötzlich am Himmel auftaucht, bricht das Genre auf eine menschliche Dimension herunter: Das Geschehen wird nicht mit Hollywood-typischen grellen Knalleffekte, sondern ernsthaften philosophischen Fragen angereichert.
Info
I Origins –
Im Auge des Ursprungs
Regie: Mike Cahill,
106 Min., USA 2014;
mit: Michael Pitt, Astrid Bergès-Frisbey, Brit Marling
Evolutionstheorie geht ins Auge
Dr. Ian Gray (Michael Pitt) ist Molekularbiologe und untersucht die Entwicklung des Auges. Gray will beweisen, dass Darwins Evolutionstheorie vollkommen richtig ist: Jede Fortentwicklung soll durch zufällige Mutationen erklärbar sein. Das würde die Auffassung widerlegen, das Leben folge einem Intelligent Design – also einem gesteuerten Plan.
Offizieller Filmtrailer
Filme über unverstandene Themen machen
In einem Club begegnet Ian der geheimnisvollen Sofi (Astrid Bergès-Frisbey): Die faszinierende Kosmopolitin arbeitet als Model. Der kühle Wissenschaftler und die feurige Südländerin beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Zugleich macht Ians spröde Assistentin Karen (Brit Marling) eine Entdeckung, die bahnbrechend sein könnte. Als Ian Sofi verliert, reist er bis nach Indien, um ihre unvergesslichen Augen zu suchen.
Zurzeit widmen sich Filmemacher gern hochkomplexen wissenschaftlichen und philosophischen Themen, die sie nicht ansatzweise verstanden haben. Gerade erst sorgte Luc Besson mit dem action thriller „Lucy“ für unfreiwillige Komik: Ausgerechnet Scarlett Johansson soll zeigen, was passiert, wenn ein Mensch auf sein gesamtes geistiges Potential zugreift, das angeblich größtenteils brachliegt. Doch während „Lucy“ ein überdrehtes Pop-Spektakel ist, das man nicht ernst nehmen muss, gibt sich „I Origins“ betont seriös. Nur hat Regisseur Cahill ebenso wenig kapiert, wovon er zu erzählen glaubt.
Alles irgendwie mystisch hier
Er greift den vor allem in den USA aktuellen Streit zwischen Darwinisten und Intelligent Design-Anhängern auf, ob die Evolution eine rein zufällige Angelegenheit ist oder ihr eine intelligente Steuerung zugrunde liegt. Vertreter des Intelligent Design argumentieren mit dem individuellen Aufbau des Auges: Seine hochkomplexe Form könne nicht nur durch zufällige Mutationen entstanden sein. Dabei lassen sie zunächst offen, ob intelligente Steuerung einem Gott zugeschrieben werden muss. Nicht so Mike Cahill: Er stellt von vorneherein Religion gegen Wissenschaft, Mystik gegen Rationalität.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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Bilder mit mysteriöser Stimmung
Dabei verschwimmt dem Regisseur alles zu einer gemeinsamen Soße; dem diffusen Gefühl des Verstehen-Glaubens. Dazu passt der pseudo-smarte, vieldeutige Titel „I Origins“, der ungefähr „Der Ursprung des Ichs“ bedeutet; laut ausgesprochen, schwingt aber auch das gleich klingende „Eye Origins“ („Ursprung des Auges“) mit.
Obwohl inhaltlich flach, hat der Film auch klare Stärken. Wie bereits in „Another Earth“ gelingt es Mike Cahill erneut, eine mysteriöse Stimmung zu kreieren. Dabei unterstützt ihn sein deutscher Kameramann Markus Förderer, der etwa „Finsterworld“ drehte: Er vermittelt mit seinen Bildern einiges von der Mystik und dem Zauber, die in der Handlung meist nur Behauptung bleiben.
Sofis Augen ändern alles
So tritt Sofi beim ersten Mal in einem Kostüm auf, dass lediglich den Blick auf ihre Augen freigibt. In kühl stilisierten Bildern eingefangen, wirkt sie wie das personifizierte Mysterium. Zugleich hebt ihre Erscheinung das Thema Augen von der rein wissenschaftlichen auf eine emotionalere Ebene und deutet die spätere spirituelle Wendung an. Keine Frage: Als Filmemacher versteht Mike Cahill sein Handwerk. Nur thematisch hat er sich diesmal eindeutig verhoben.