Die schönsten und bedeutendsten Objekte dieser Mammut-Ausstellung in drei Teilen über Karl den Großen zählen eigentlich gar nicht dazu. Etwa der Aachener Dom mit seinem karolingischen Oktogon und Westwerk-Vorbau, den zwei Torflügel aus Bronze verschließen, die rund zwei Tonnen wiegen: Alles steht seit 1200 Jahren unverrückbar an seinem Platz.
Info
Karl der Große
Macht − Kunst − Schätze
20.06.2014 - 21.09.2014
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr, donnerstags bis samstags bis 21 Uhr
Orte der Macht
im Krönungssaal des Aachener Rathaus am Markt
Karls Kunst
im Centre Charlemagne am Katschhof
Verlorene Schätze
in der Domschatzkammer, Johannes Paul II.-Str., Aachen
Dreibändiger Katalog 59 €,
Einzelbände 24 € bzw. 29 €,
Kurzführer 6 €
600 Jahre lang Krönungs-Thron
Seit 1349 werden alle sieben Jahre die Stoffe aus dem Schrein genommen und zehn Tage lang den Gläubigen gezeigt. Was viele Pilger anzieht; ihre „Heiligtumsfahrt“ fand 2014 wieder statt. Aus karolingischer Zeit stammt auch der Hauptaltar, der ebenso aus Marmor besteht wie der Karlsthron: Auf ihm wurden 600 Jahre lang bis 1531 alle deutschen Könige gekrönt.
Anschließend schmausten Herrscher und Fürsten gegenüber in der Königshalle der alten karolingischen Pfalz. Nach ihrem Verfall errichtete man auf den Trümmern im 14. Jahrhundert das gotische Rathaus: Dessen Krönungssaal, in dem alljährlich der Karlspreis verliehen wird, steht auf ihren Fundamenten. Nun beherbergt er für drei Monate die größte Teil-Schau: „Orte der Macht“.
Impressionen der Ausstellungen "Orte der Macht" im Rathaus + "Karls Kunst" im Centre Charlemagne + Aufnahmen des Oktogons im Dom
Fast nichts, das man zeigen könnte
Ein Ausstellungs-Ort, der zugleich ihr wichtigstes Exponat ist, kommt selten vor. Anders in Aachen: Wohin man auf dem Areal der früheren Königspfalz auch blickt, schimmert eine mehr als 1000-jährige Kontinuität durch. Und sei es als Neuerfindung wie beim Fresken-Zyklus, mit dem Alfred Rethel Mitte des 19. Jahrhunderts die Saalwände bemalte: eine Serie sagenhafter Heldentaten des längst ins Mythische entrückten Kaisers.
Natürlich sind das heroisierende Illusionen eines verstaubten Historismus, doch sie bieten Anschauung. Zurecht bringen die Kuratoren mit raffinierter Multimedia-Beleuchtung die Wandbilder-Geschichten in Bewegung und zum Sprechen. Was ansonsten weitgehend fehlt: Es gibt kaum Aussagekräftiges, das man zeigen könnte.
Auf einem Klappstuhl regieren
Mitteleuropa um 800 war eine bettelarme, statische und schmucklose Lebenswelt: Außerhalb von Kirchen und Klöstern gab es praktisch weder Bilder noch Schriften, und selbst dort herzlich wenige. Holzhäuser, Hausrat und Stoffe von Bauern und Handwerkern verrotteten rasch; die wichtigsten Ereignisse waren ständige Kriege. Davon sind nur verrostete Schwerter und Pfeilspitzen geblieben; dazu etwas Zierrat, den eine kleine Oberschicht meist importierte.
Ein König war der vornehmste Obdachlose seines Reichs. Er zog von Pfalz zu Pfalz, um seine Herrschaft regional abzusichern und Abgaben einzutreiben. Sein Tross schleppte den Hausrat mit, etwa den faltbaren Dagobert-Thron aus vergoldeter Bronze: Majestät regierte vom Klappstuhl aus. Die Königspfalzen waren kaum größer und komfortabler als Landgüter − kein Vergleich zu Palästen in Italien oder dem des Kaisers in Konstantinopel.
Schönes kommt aus Südeuropa
Daher stammen die eindrucksvollsten Exponate zur Veranschaulichung der Epoche nicht aus dem Frankenreich, sondern aus Südeuropa: etwa farbenfrohe Mosaiken aus dem Lateranpalast von Papst Leo III., der dort Karl im Jahr 800 zum Kaiser krönte. Oder filigran durchbrochene Chorschranken aus Ravenna und ein fein gearbeitetes Marmorsäulen-Kapitell aus dem spätantiken Trier, als es 100 Jahre lang kaiserliche Residenz im Römischen Reich war.