Bonn

Afrikanische Meister: Kunst der Elfenbeinküste

Sabu bi Boti mit von ihm geschnitzten Masken © Eberhard Fischer, Foto: Eberhard Fischer, 1975. Fotoquelle: Bundeskunsthalle, Bonn
Holzstücke, wertvoller als Elfenbein: Die Bundeskunsthalle zeigt 200 hervorragende Werke aus westafrikanischen Kulturen. Den Nachweis, welche Meister sie schufen, führt sie in puristisch unterkühltem Ambiente – nur in der Gegenwart geht es hoch her.

Elfenbein kommt in dieser Ausstellung kaum vor: drei kleine, fein geschnitzte Griffe für Fliegenwedel, mehr nicht. Sie entstanden um 1900 und zeigen behütete Uniformenträger, offenbar Kolonialbeamte. Derlei gehörte nicht zur traditionellen Formensprache. Kein Wunder: Elefantenzähne waren Jahrhunderte lang ein gefragter, kostbarer Exportartikel.

 

Info

 

Afrikanische Meister: Kunst der Elfenbeinküste

 

28.06.2014 - 05.10.2014

täglich außer montags 10 bis 19 Uhr, dienstags und mittwochs bis 21 Uhr

in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland,
Friedrich-Ebert-Allee 4, Bonn

 

Katalog 32 €

 

Weitere Informationen

 

Weswegen Weiße diesen westafrikanischen Landstrich Elfenbeinküste nannten; 1893 wurde er von Frankreich kolonisiert. Im gleichnamigen Staat leben heute rund 60 Volksgruppen. Darunter große Völker wie die Guro, Baule, Dan, Senufo, Lobi und die so genannten Lagunenvölker, die am südöstlichen Küstenstreifen siedeln.

 

Künstlerisch produktive Region

 

Ihre Namen haben bei Kennern und Liebhabern afrikanischer Kulturen einen guten Klang. Die Elfenbeinküste zählt zu den künstlerisch produktivsten Regionen in Schwarzafrika; Werke ihrer Bewohner sind bei Sammlern seit langem beliebt. Dazu zählen neben kleinen Metallguss-Arbeiten und Textilien vor allem Objekte aus Holz: Masken, Figuren, Statuen und Gebrauchsgegenstände wie Türpfosten, Spielbretter und Prunklöffel.


Impressionen der Ausstellung


 

Hochkarätig bestückter Überblick

 

Die Ausstellung wurde im ethnologischen Museum Rietberg in Zürich konzipiert; für dessen langjährigen Direktor Eberhardt Fischer und seinen Afrika-Kurator Lorenz Homberger ist es quasi die Krönung ihres Lebenswerks. Beide forschen seit Jahrzehnten über das Thema, auch vor Ort: Sie steuern zur Schau eigene Fotos und Filmaufnahmen von Tänzern, Festen und Schnitzern in Aktion bei.

 

Zudem haben sie erstklassige Arbeiten aus aller Welt zusammengetragen. Zehn Leihgaben kommen aus dem Musée des Civilisations der Elfenbeinküste, die übrigen aus Museen von Budapest bis Dallas sowie etlichen Privatsammlungen. Ein derart hochkarätig bestückter Überblick über die Kunst der Elfenbeinküste war vermutlich noch nie zu sehen: Alle 200 Exponate, entstanden Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts, sind ausnahmslos Meisterwerke.

 

Alle unterschlugen Künstler-Namen

 

Die Kuratoren unterteilen sie nach Völkern, wie es im Kunstbetrieb Usus ist. Allerdings nur, um diese Gliederung sofort zu unterlaufen. Ihr Anspruch ist, „mit dem Vorurteil des ‚anonymen afrikanischen Bildhauers‘ Schluss zu machen und diese grandiosen Kunstwerke auch Afrikanern zuzuschreiben“ – sprich: einzelnen Künstlern. Die sind fast nie namentlich bekannt.

 

Früher gaben heimische Auftraggeber oft nicht preis, wer für sie aufwändige Masken und Skulpturen schuf, damit kein Konkurrent bei demjenigen noch prestigeträchtigere Stücke bestellen konnte. Namen angesehener Bildhauer gerieten nach ihrem Tod in Afrikas schriftlosen Kulturen rasch in Vergessenheit. Und Kolonialherren, die nach 1900 Holzarbeiten aufkauften, interessierten sich nicht für ihre Schöpfer.

 

Meister der schönen Brüste

 

Doch die übliche Klassifizierung „Kunst des xy-Volkes“ ist so ignorant wie falsch, argumentieren die Macher und ihre Kollegen: Könner überwanden geläufige Vorlagen und schufen eigenständige, unverwechselbare Kunstwerke. Das zeigen sie mit Mitteln der Kunstgeschichte, vor allem Provenienz- und Stilvergleichen. So lassen sich viele Arbeiten, die heute weltweit verstreut sind, auf einzelne Künstler zurückführen – denen sie Notnamen wie „Meister der Schaufelhände“ oder „Meister der schönen Brüste“ geben.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Nok - Ein Ursprung afrikanischer Skulptur" über 2000 Jahre alte Werke aus Nigeria im Liebieghaus, Frankfurt am Main

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung  Minkisi – Skulpturen vom unteren Kongo mit faszinierenden Nagel-Fetischen im Grassi Museum, Leipzig

 

und hier einen Beitrag über die grandiose Ausstellung "Dogon - Weltkulturerbe aus Afrika"in der Bundeskunsthalle, Bonn.

 

Ob dieser Ansatz für mehr kunsthistorische Gerechtigkeit sorgt, muss die Wissenschaft entscheiden. Doch solche Forscher-Fragen lassen das breite Publikum kalt. Die Ausstellung tut alles dafür, damit das so bleibt: Ihre puristisch nüchterne Aufreihung von Objekten und eng gesetzten Erklärtexten schreckt eher ab. Solch eine minimalistische Inszenierung mag im Spezial-Museum für Ethnologie vertretbar sein; in der Bundeskunsthalle wirkt sie fehl am Platz.

 

Ehebruch wie im prallen Leben

 

Das Haus hat 2012 mit seiner grandiosen Ausstellung zur Dogon-Kultur in Mali gezeigt, wie man mit einfallsreich vielseitiger Inszenierung auch Laien für exotische Themen begeistern kann. Dagegen fällt diese Schau deutlich ab; was angesichts der wunderbaren Werkauswahl jammerschade ist. Wie man es besser macht, demonstrieren die Kuratoren selbst in einem Annex mit Holzarbeiten von drei zeitgenössischen Künstlern aus der Elfenbeinküste.

 

An ihren großformatigen Skulpturen-Gruppen wird deutlich, dass dort die Schnitzkunst-Tradition bis heute quicklebendig ist. Blickfang ist ein Ensemble von acht Figuren, die eine Ehebruch-Szene darstellen. Wie aus dem prallen Leben: Die Frau wird angeprangert, ihr Liebhaber gezüchtigt, und der Älteste zahlt dem Gehörnten eine Entschädigung. Das ist kein Deko-Kitsch für Neureiche oder Touristen: Solche Gruppen werden noch heute bei Umzügen durch die Straßen getragen.