
Die Geschichte ist gar nicht lustig. Eine Mutter auf der Autobahn fährt mit ihren drei jungen Kindern zur Hochzeit der älteren Tochter Elizabeth (Lavinia Wilson). Da bricht von der Gegenfahrbahn ein Tanklaster durch die Leitplanke und schiebt sich quer wie eine Wand vor das rasende Auto. Schnitt. Der Unfallort ist ein brennendes Inferno; Retter ziehen die schwer verletzte Frau aus dem Wagen, der kurz darauf explodiert. Als sie im Krankenhaus erwacht, ist ihre Frage nach den Kindern längst gegenstandslos.
Info
Schoßgebete
Regie: Sönke Wortmann,
94 Min., Deutschland 2013;
mit: Jürgen Vogel, Lavinia Wilson, Juliane Köhler
Weitere Informationen zum Film
Angst, Wut + schlechtes Gewissen
Elizabeth hat all diese Puffer und Leisetreter um sich herum dringend nötig: Angst, Wut und schlechtes Gewissen sind ihre ständigen Begleiter. Angst vor ihrem eigenen Tod. Wut auf die Boulevardzeitung, die damals skrupellos ihr Unglück auf die Titelseite setzte. Und das schlechte Gewissen gegenüber dem Mann (Robert Gwisdek), den sie nach dem Unfall verließ.
Offizieller Filmtrailer
Ins Leben zurückficken
Der einzige Ausweg: Sex. „Nur beim Sex“, sagt sie sehr bald, „vergesse ich alle Probleme“. Dabei sieht man sie durch eine Glasscheibe, auf der sie sich abstützt, während ihr Mann sie von hinten vögelt. Selbst ihre gemeinsamen Bordellbesuche, die einfach Spaß machen könnten, bekommen so etwas Verzweifeltes. „Fick mich ins Leben zurück“, bittet sie ihren Mann.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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Sex toys-Kauf + Darmwürmer-Befall
Trotzdem hat sich Regisseur Sönke Wortmann, der durchaus tragisch und ernst filmen kann, mit dieser Roman-Adaption an einer Komödie versucht − und ist gescheitert. Die Therapie-Sitzungen mit einer etwas distanzlosen Patientin sind nicht originell, könnten aber komisch sein. Ebenso Testaments-Änderungen als Beziehungs-event, gemeinsamer Einkauf von sex toys oder der ständige Kampf gegen Darmwürmer als running gag des Plots.
Doch es ist nicht witzig, überhaupt nicht. Gegen verbrannte Hände, deren Haut am Lenkrad kleben bleibt, kommt die sitcom nicht an. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.
Heiterkeit wickelt Horror nicht ein
Da fragt man sich, warum Regisseur Wortmann nicht ein packendes Psychogramm gedreht hat, das ohne weiteres drin gewesen wäre: eine Geschichte über die Gewalt des Zufalls, die Schuld des Überlebens und Sexualität aus Notwehr. Die Antwort ist wohl einfach: weil die Verfilmung an den Kassenerfolg des Buchs anknüpfen soll, indem sie weniger beschäftigt als unterhält.
Obwohl der Film präzise und unbestechlich den Schrecken vermittelt; der Horror lässt sich von der Heiterkeit nicht einwickeln. Das macht ihn integer; andernfalls wäre er konfus und korrupt. Für einen guten Film ist das aber zu wenig.