Naumburg/ Saale

Glanzlichter – Meisterwerke zeitgenössischer Glasmalerei im Naumburger Dom

Ludwig Schaffrath: links "Für Georges de la Tour" & rechts "für Johan Thorn Prikker", ausgestellt im Kreuzgang, Naumburger Dom, Ausführung links H. Oidtmann/Linnich & rechts Hein Derix/Kevelaer, (c) Vereinigte Domstifter. Fotoquelle: Naumburger Dom
Es werde Licht: Glaskunst der Gegenwart wird zwar meist für Kirchen geschaffen, sprengt aber den christlichen Formenkanon und spielt mit allen möglichen Leucht-Effekten. Das zeigt ein Überblick über 150 Werke im Dom und an vier weiteren Standorten.

Fiat lux: Nach dem Erfolg der Großausstellung über den „Naumburger Meister“ 2011 sollen nun „Glanzlichter“ erneut Scharen schaulustiger Ausflügler in den Dom locken. Dazu bietet sich zeitgenössische Glasmalerei an: Wo käme sie besser zur Geltung als in diesem Juwel spätromanischer Baukunst?

 

Info

 

Glanzlichter - Meisterwerke zeitgenössischer Glasmalerei im Naumburger Dom

 

01.06.2014 - 02.11.2014

täglich 9 bis 18 Uhr

im Naumburger Dom, Domplatz, Naumburg/ Saale

 

Begleitband 10 €

 

Website zur Ausstellung

 

Zumal der profane Kunstbetrieb sie meist in den Schatten stellt. In Museen, Kunsthallen und auf Messen sind Glasarbeiten selten zu sehen; ihnen haftet das Stigma des Kunsthandwerklichen an. Zu Unrecht: Glasmalerei ist technisch anspruchsvoll; dabei eröffnen moderne Materialien und Verfahren früher ungekannte Gestaltungs-Spielräume.

 

Größte Nachfrage nach dem Weltkrieg

 

Darauf spezialisierte Künstler geraten selten ins Rampenlicht, leben aber nicht schlecht davon: Die Nachfrage ist gesichert. Am größten war sie nach dem Zweiten Weltkrieg, als zahllose zerstörte Kirchenfenster ersetzt werden mussten. Bis heute sind Gotteshäuser die wichtigsten Abnehmer und ihre Aufträge prestigeträchtig: Kirchenfenster überdauern lange und werden von vielen Augen gesehen. Ihre sakrale Aura färbt auf den Schöpfer ab; er gestaltet im Idealfall zeitlos gültige Eindrücke.

Impressionen der Ausstellung im Naumburger Dom


 

Wie Collagen oder Assemblagen

 

Wobei die christliche Ikonographie keine große Rolle mehr spielt. Das zeigt dieser Überblick anhand von rund 100 Beispielen zeitgenössischer Glasmalerei im Naumburger Dom-Komplex; dazu kommen mehr als 50 Werke in Sakralbauten an „Korrespondenzorten“ im Umland: Merseburg, Schulpforte, Memleben und Freyburg. Die meisten wurden als Fenster für deutsche Kirchen geschaffen, einige als Probefelder oder freie Bilder.

 

Auffallend ist die Vielfalt der verwendeten Techniken: Da werden mehrere Ebenen geschichtet, überfangen, geklebt, laminiert, geätzt, sandgestrahlt, mit diversen Metallen kombiniert und auf jede erdenkliche Weise bemalt. Die Resultate ähneln oft mehr Collagen oder Assemblagen als herkömmlichen Glasbildern. Was ihrer visuellen Wirkung keinen Abbruch tut, im Gegenteil: Mannigfach gebrochenes Licht zeitigt verblüffende Effekte.

 

Dom-Kapelle von Neo Rauch

 

Dafür nutzen die meisten Künstler abstrakte Kompositionen. Nur wenige greifen noch zu figurativen Motiven wie etwa Neo Rauch, der 2006 die Elisabethkapelle im Dom mit drei blutroten Episoden aus dem Leben der Heiligen ausstaffierte. Auch die Österreicherin Xenia Hausner, Tochter des Phantastischen Realisten Rudolf Hausner, setzte 2012 ihre „Gehrdener Kreuzigung“ aus fotorealistischen Armen und Frauenköpfen zusammen – barock anmutendes Getümmel im Stil der Neuen Leipziger Schule. Doch solche Menschen-Bilder sind Ausnahmen.

 

Oder zur Unkenntlichkeit entstellt wie bei Markus Lüpertz: Im Bleisteg-Gewimmel seines monumentalen „Gekreuzigten“ für eine Kölner Kirche dürfte kaum ein Betrachter den Heiland erkennen. Ebenso wenig den „Wiederaufbauer“ im dreiteiligen Chorfenster für eine Dorfkirche: Die chaotische Linienführung des „Neuen Wilden“ verträgt sich schlecht mit fragilem Glas.

 

Bastelarbeit von Mack, Setzkasten von Polke

 

Ohnehin fallen die Beiträge von Kunst-Stars eher enttäuschend aus. Der „Brennende Dornbusch“ von ZERO-Gründer Heinz Mack erscheint unfreiwillig komisch wie eine Bastelarbeit aus Glanzpapier. 25 kleine „Handmuster und Probestücke“ von Sigmar Polke kommen wie eine Art Setzkasten daher. Selbst das so umstrittene wie gefeierte Farbfeld-Raster, das Gerhard Richter 2007 für ein Querhausfenster im Kölner Dom schuf, verliert als Probefeld im Kleinformat an Strahlkraft und wirkt beliebig; size matters.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Johan Thorn Prikker: Mit allen Regeln der Kunst" - zum Gesamtwerk des Jugendstil- + Glaskünstlers im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Der Naumburger Meister"über den "Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen" im Naumburger Dom

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "zeigen verhüllen verbergen – Schrein" zur "Ästhetik des Unsichtbaren" im Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums, Köln.

 

Offenbar lässt sich manch berühmte Handschrift in Öl oder Acryl nicht umstandslos auf Glas übertragen. Stattdessen beeindrucken Arbeiten weniger bekannter Künstler, die sich mit diesem Werkstoff intensiv beschäftigen. Etwa Hella Santarossa, die auch als „Neue Wilde“ anfing, aber seit geraumer Zeit Kirchen ausstattet: Sie verbindet Zutaten wie Crash-Glas und Einlagen von Muscheln bis Holz zu komplexen Gebilden und reizt die Möglichkeiten des Mediums voll aus.

 

Anordnung wirkt beliebig

 

Dagegen beschränkte sich der 2011 verstorbene Ludwig Schaffrath, der jahrzehntelang Glasmalerei an Hochschulen lehrte, auf ungegenständliche Formen in klaren Farben. Ähnlich, nur wesentlich kleinteiliger, gehen Thomas Kuzio und Günter Grohs vor: dessen konzentrische Tondi im Domschatzgewölbe funkeln zwischen prächtigen Altären.

 

Ansonsten wirkt die Anordnung der Exponate in Dom, Krypta, Kreuzgang und Marienkirche ziemlich beliebig. Zwar sind sie locker über die Flächen verteilt, doch korrespondieren sie selten mit dem jeweiligen Umfeld oder benachbarten Glastafeln; sie verharren in splendid isolation.

 

Passions-Zyklus in der Krypta leuchtet ein

 

Info

 

Passions-Zyklus von Johannes Schreiter

 

21.06.2014 - 01.11.2014

täglich 10 bis 18 Uhr

im Museum Kloster + Kaiserpfalz, Memleben

 

Weitere Informationen

 

Anders sieht es an den „Korrespondenzorten“ aus, die nur wenige Objekte aufweisen. Etwa in Memleben, wo im 10. Jahrhundert zwei Kaiser starben: Für die Krypta hat Johannes Schreiter einen Passions-Zyklus aus neun Fenstern entworfen. Deren abstrakte Formensprache mit reduzierter Farbpalette mag nicht jeden ansprechen, doch sie bilden ein geschlossenes Ensemble. Das unmittelbar einleuchtet: Im dunklen Gewölbe der Unterkirche sind sie die einzige Lichtquelle.


Impressionen des Klosters Memleben + Passions-Zyklus' von Johannes Schreiter