München

Richard Avedon – Wandbilder und Porträts

Allen Ginsberg + Peter Orlovsky, Sammlung Udo und Anette Brandhorst, © 2014 The Richard Avedon Foundation. Fotoquelle: Pinakothek München
Porträtfotografie ist Performance: Wenn Star-Modefotograf Richard Avedon nicht für Hochglanz-Magazine arbeitete, nahm er Amerikas Licht- und Schattengestalten nüchtern auf. Seine schonungslosen Konterfeis sind nun im Museum Brandhorst zu sehen.

Er ließ Nastassja Kinski vor seiner Kamera mit einem Python kuscheln: Der New Yorker Fotograf Richard Avedon (1923 – 2004) setzte für Modemagazine wie „Harper’s Bazaar“ und „Vogue“ die schönsten Frauen seiner Zeit in Szene. Doch beauty shots finden sich in dieser Ausstellung nicht: Kurator Armin Zweite, bis 2013 Direktor des Museums Brandhorst, konzentriert sich auf Wandbilder und Porträt-Serien in Schwarzweiß.

 

Info

 

Richard Avedon – Wandbilder und Porträts

 

18.07.2014 - 19.11.2014

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

donnerstags bis 20 Uhr

im Museum Brandhorst, Theresienstr. 35a, München

 

Weitere Informationen

 

Bei solchen Aufnahmen ließ Avedon Mode und glamour links liegen; stattdessen zeichnete er das Bild seines Landes zwischen Wirtschaftswunder und Kaltem Krieg, Antikommunismus, Liberalisierung und Rezession. Er porträtierte prägende Persönlichkeiten aus Politik und Militär, Kunst und Literatur – aber auch Amerikas working class heroes: einarmige Farmer, blutüberströmte Schlachter, kohlenschwarze Bergmänner.

 

Lebensfurchen ohne Schrecken

 

Dabei ist Avedons Blick völlig unsentimental, was manchmal irritiert: Furchen, die ein hartes Leben in die Gesichter gräbt, sind bei ihm ohne Schrecken. Ob Star oder Streuner: Avedon machte – stets mit weißer Foto-Wand als neutralem Hintergrund – Persönlichkeit und Würde seiner Protagonisten sichtbar.


Impressionen der Ausstellung "Richard Avedon - Photographs 1946-2004" im Foam - Fotografiemuseum Amsterdam 2009; © stepupfront.nl


 

Verlorene Marilyn Monroe + waidwunde Janis Joplin

 

Anlass der Schau sind Neuerwerbungen der „Udo und Anette Brandhorst Stiftung“, darunter das Wandbild „The Mission Council“. Es zeigt Befehlshaber der US Army und Mitglieder der US-Regierung 1971 in Saigon: Sie sehen aus wie Männer, die ihre Macht für etwas Gott Gegebenes zu halten scheinen. Das Establishment wird mit Subversion konfrontiert: Gegenüber blicken einen die teilweise nackten Mitglieder von Andy Warhols Factory an. Dazwischen präsentiert ein Breitwand-Fotogemälde die Familie von Allen Ginsberg; sie wirkt, bis auf den Dichter der beat generation selbst, recht konservativ.

 

Diese Aufnahmen sind imponierend, aber nicht ergreifend. Dennoch lohnt sich ein Ausstellungsbesuch absolut wegen der großartigen Foto-Serien für die Bildbände „Observations“ (1959), „Nothing Personal“(1964) und „In the American West“(1985): Da sind der todernste Buster Keaton und der diabolische Charlie Chaplin; der körperlose Maler Francis Bacon, der coole Bürgerschreck William S. Burroughs und der dickköpfige Autor Truman Capote; die verlorene Marilyn Monroe und die waidwunde Rock-Sängerin Janis Joplin.

 

Letzter Sklave, Napalm-Opfer + Lepra-Kranke

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Alice Springs" - erste Retrospektive mit Star- + Modefotografie der Frau von Helmut Newton im Museum für Fotografie, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “True Stories – Amerikanische Fotografie aus der Sammlung Moderne Kunst” in der Pinakothek der Moderne, München

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Walker Evans - Ein Lebenswerk" - Ausstellung im Martin Gropius Bau, Berlin

 

J. Robert Oppenheimer, der „Vater der Atombombe“, schaut verunsichert gen Himmel; der Blick von US-Präsident Dwight D. Eisenhower wirkt einfach nur leer. Eindrucksvoll ist Avedons Ehrerbietung vor seinen legendären Fotografie-Kollegen Robert Frank und Lee Friedlander: Frank (mit Hund) erscheint als zugewandt, aber leise melancholisch; Friedlander als friedlicher Großwildjäger mit Kamera.

 

Avedon interessierte sich aber auch für den letzten Sklaven William Cosby, für Napalm-Opfer und Lepra-Kranke. Eine den psychisch Kranken in US-Heimen gewidmete Serie dokumentiert menschenverachtende Zustände. Hier ist der Fotograf schmerzhaft nah dran an den abgelichteten Menschen; nur die grobe Körnung der Abzüge sorgt für ein bisschen Abstand. Gesichter sind oft angeschnitten, was sie präsenter macht, oder aus der Untersicht aufgenommen, was die Distanz steigert.

 

Alle Fotos sind genau, keines ist wahr

 

So scheinen Avedons Konterfeis Augenblicke der Wahrhaftigkeit zu offenbaren, obwohl er selbst seine Kunst eher nüchtern betrachtete: „Porträtfotografie ist Performance.“ Und weiter: „Ein Porträt zielt nicht auf Ähnlichkeit. Der Augenblick, in dem ein Gefühl oder Gegenstand in ein Foto verwandelt wird, hält nicht eine Tatsache fest, sondern eine Meinung. So etwas wie Ungenauigkeit gibt es nicht in der Fotografie. Alle Fotos sind genau. Keines von ihnen ist wahr.“