Mads Mikkelsen

The Salvation – Spur der Vergeltung

Für Jon (Mads Mikkelsen) sieht es nicht gut aus. Madelaine (Eva Green) und der Bandenanführer Delarue (Jeffrey Dean Morgan) sinnen auf Rache für den Tod des Bruders. Foto: Concorde Filmverleih
(Kinostart: 9.10.) Frisch aus der goldenen Ära der 1940/60er Jahre: Der Däne Kristian Levring dreht mit Mads Mikkelsen einen klassischen Western. Alles sieht so aus wie bei John Ford oder Sergio Leone – ein Augenschmaus für Liebhaber des Genres.

Auch das ist Globalisierung: Ein klassisch gebauter Western kommt aus Dänemark. Warum auch nicht? Die Meilensteine des Genres schätzt man in unserem nördlichen Nachbarland ebenso wie überall sonst auf der Welt. Und Regisseur Kristian Levring ist ein bekennender Verehrer von John Ford und Sergio Leone.

 

Info

 

The Salvation –
Spur der Vergeltung

 

Regie: Kristian Levring,

90 Min., Dänemark 2014;

mit: Mads Mikkelsen, Jeffrey Dean Morgan, Eva Green

 

Website zum Film

 

Trotzdem verblüfft, wie „The Salvation“ ab der ersten Sekunde look and feel legendärer (Italo)-Western der goldenen Ära in den 1940er bis 1960er Jahren haargenau trifft. Ein wortkarg entschlossener Held, raffiniert ruchlose Schurken, die ihnen ausgelieferte Kleinstadt, sengende Sonne, staubige Steppen, zuschanden gerittene Gäule und der showdown als virtuoses Feuerwaffen-Ballett – alles passt. Als habe sich in 50 Jahren nichts verändert.

 

Wie antike Mythen außerhalb der Zeit

 

Was stimmt: Der Wilde Westen ist ein mythischer Ort außerhalb der Zeit. Unerheblich, wann und wo es in Nordamerikas Weiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so zugegangen sein mag, wie der Western vorgibt. Er folgt eigenen Regeln mit stereotypem Personal und Verlauf, um zeitlose Parabeln vorzuführen. Vergleichbar den antiken Mythen – bei denen nur Archäologen fragen, inwieweit sie die Lebenswirklichkeit in Hellas um 1000 v. Chr. widerspiegeln.


Offizieller Filmtrailer


 

Überflüssige Plot-Nacherzählung

 

Das macht es eigentlich überflüssig, die Handlung eines Western nachzuerzählen. Den Plot kennt jeder Kinogänger; er ist quasi in die DNA der westlichen, wenn nicht der Weltkultur eingeschrieben. Deshalb nur ganz kurz: Nach sieben Jahren Trennung lässt der dänische Ex-Soldat Jon (Mads Mikkelsen) Frau und Kind in die Neue Welt nachkommen. Sie werden auf der ersten Kutschfahrt von zwei outlaws ermordet. Jon setzt ihnen nach und knallt sie ab.

 

Dummerweise war ein Toter der Bruder von Bandenchef Delarue (Jeffrey Dean Morgan), der mit seinen Desperados das Kaff Black Creek terrorisiert: Solange dessen Einwohner den Täter nicht finden, müssen sie blechen oder sterben. Natürlich liefern sie Jon an Delarue aus; natürlich befreit ihn im letzten Augenblick sein Bruder (Mikael Persbrandt), der dabei umkommt. Natürlich erledigt Jon im finalen Schlagabtausch den Boss und seine Spießgesellen – mit Hilfe der stummen Bruder-Witwe (Eva Green), die Delarue verabscheut.

 

Neue Kerbe im Colt von Mads Mikkelsen

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Mads Mikkelsen über "The Salvation"

 

und hier einen Bericht über den Film "Michael Kohlhaas" - Verfilmung der Kleist-Novelle mit Mads Mikkelsen von Arnaud des Pallières

 

und hier einen Beitrag über den Film Das finstere Tal – perfekter Western in den Südtiroler Alpen von Andreas Prochaska

 

und hier eine Besprechung des Films “My Sweet Pepper Land” – origineller Western in Kurdistan von Hiner Saleem.

 

Klingt vertraut, nicht wahr? Fehlt nur noch das Ausgangsmotiv: Was wollen die Pistoleros bloß von den armen Siedlern? Natürlich ihr Land – weil darunter Öl vermutet wird: Ins Schlussbild blendet Regisseur Levring einen Wald von Bohrtürmen ein. Indem der Western an der Nahtstelle zur historischen Zeit endet, entschwindet er selbst ins Zeitlose – und suggeriert zugleich, seine archetypischen Muster wirkten weiter bis in die Gegenwart.

 

So weit, so wohl bekannt; umso besser kann man sich auf hervorragende Einzelleistungen konzentrieren. Mads Mikkelsen darf sich eine weitere Kerbe in seinen Colt ritzen: Er glänzt auch als Farmer und Rächer – diesmal, anders als in der Kleist-Verfilmung „Michael Kohlhaas“ von 2013, moralisch absolut untadelig. Worauf sein Gegenspieler verzichten muss; ansonsten steht ihm Jeffrey Dean Morgan als Revolverheld an Präsenz in nichts nach.

 

Perfektionismus in jedem Detail

 

Um ihren Titanen-Kampf herum konstruiert Regisseur Levring ein sehr ökonomisches setting: Jeder Nebenfigur ist genau eine Funktion zugedacht, die sie mit Bravour ausfüllt. Wobei sie auf kanonische Weise gefilmt werden: Die brillanten Farben ausgenommen, sieht alles exakt so aus wie in Genre-Klassikern von Ford, Leone oder Sergio Corbucci – jede einzelne Einstellung, Kamerafahrt und Dialogzeile. Dieser Perfektionismus bis ins letzte Detail beantwortet die Frage, ob die Welt ein solches Retro-remake braucht, von selbst: Love it or leave it!