Porträtgalerie der Paradoxien: Auf den ersten Blick wirken diese Bilder wie eine Fotostrecke aus einem Herrenmagazin – aufgenommen von einer Frau. Langbeinige Schönheiten, laszive Lack- und Latex-Klamotten, viel nackte Haut – kombiniert mit schrägen Accessoires wie Bierflasche, Schaufel oder einer Bein-Prothese aus Glitzer-Plastik.
Info
Bettina Rheims: Bonkers - A Fortnight in London
19.09.2014 - 29.11.2014
dienstags bis samstags
11 bis 18 Uhr
in der Galerie Camera Work, Kantstraße 149, Berlin
Fotoband 38 €
Pin-up-girl verliert Wagenschlüssel
Da räkelt sich eine ätherische Rothaarige auf einer Art Folterstuhl vor ledergepolsterter Rückwand – und wird zur „Präraffaelitischen Kerker-Königin“ gekürt. Oder eine vollbusige Brünette hockt neckisch auf dem Kotflügel eines Sport-Cabrios – wie die PS-vernarrten Pin-up-girls, mit denen biker magazines ihre Umschlagfotos aufmotzen. Doch diese hier guckt verstört, und die Legende kommentiert: „Amber le Bon … hat ihre Wagenschlüssel verloren.“
Impressionen der Ausstellung
Jugendfrei hemmungslose Posen
Nichts ist so, wie es zunächst scheint. Kein Wunder bei Bettina Rheims: Die renommierte französische Fotografin veröffentlicht seit zwei Jahrzehnten Bildbände mit explizit weiblicher Erotik. Ihre Inszenierungen spielen geradezu wollüstig mit Klischees, treiben sie auf die Spitze – und damit ins Absurde.
Womit sie diesem männerdominierten Genre den Ruch des Sexismus austreibt: Ihre Motive sind raffiniert frivol, unverschämt sinnlich und mit ihrer Lust an falschem Prunk auch mal albern oder geschmacklos – aber nie pornographisch. Diese Fotoserie ist streng genommen sogar jugendfrei: So hemmungslos sich die Darstellerinnen in Pose werfen, enthüllen sie doch allenfalls ihre Brüste; kaum je mehr.
Zwischen zwei Engagements, Flügen, Partys
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "I killed my dinner with karate” – körperbetonte Tanz-Fotografie von Franziska Strauss in der Neuen Sächsischen Galerie, Chemnitz
und hier einen Beitrag über den Film "Tournée" – schräg-schillernde New-Burlesque-Tragikomödie von + mit Mathieu Amalric
und hier eine Rezension der Ausstellung "Alice Springs” – erste Retrospektive mit Star- + Glamourfotografie der Frau von Helmut Newton im Museum für Fotografie, Berlin.
Plus ein Schuss New Burlesque: Der in den roaring twenties populäre Striptease-Vorläufer erlebt seit ein paar Jahren eine kleine Renaissance. Mit seinem Faible für Glitter und Glamour, Tattoos und grellem Make-up passt er prima zu diesem Fotoprojekt, dass zwischen Damast-Diwan und schäbiger Absteige changiert. „Bonkers“ entstand laut Rheims in London in nur zwei Wochen mit „Models, die gerade in der Stadt waren: zwischen zwei Engagements, zwei Flügen, zwei Partys“.
Wie gelungener one night stand
So vermeintlich spontan und improvisiert sehen die 23 tableaux, die in der Galerie Camera Work erstmals ausgestellt werden, auch aus: herrlich schrille Arrangements mit Requisiten wie aus der Rumpelkammer, lässig aus dem Kameraobjektiv geschüttelt. Alles ist natürlich sorgsam in Szene gesetzt, doch man merkt es nicht; wie bei einem zufälligen Blickkontakt oder einem gelungenen one night stand.