Köln

52 Wochen, 52 Städte – Fotografien von Iwan Baan

Heydar-Aliev-Kulturzentrum in Baku, Aserbaidschan (Detail); entworfen von Zaha Hadid. Foto: © Iwan Baan, Fotoquelle: Marta Herford/AIT Köln
X-mal um die ganze Erde: Der Architektur-Fotograf hat ein Jahr lang in jeder Woche eine andere Stadt abgelichtet. Seine urbane Weltkarte von Erdhöhlen und Prachtbauten gleicht einem bunt schillernden Flickenteppich – zu sehen im AIT Architektursalon.

Ein kosmopolitischer Wochenkalender: Ein Jahr lang – von Oktober 2012 bis Oktober 2013 – hat der Fotograf Iwan Baan in jeder Woche eine andere Stadt abgelichtet. Daraus entstand eine Ausstellung für das MARTa in Herford; nun wird sie im AIT Architektursalon in Köln gezeigt.

 

Info

 

52 Wochen, 52 Städte - Fotografien von Iwan Baan

 

20.10.2014 - 20.12.2014

dienstags + mittwochs

11 bis 17 Uhr,

donnerstags + freitags bis 20 Uhr, samstags ab 13 Uhr

im AIT Architektur Salon, Vogelsangerstr. 70, Köln

 

Bildband 39,90 €

 

Weitere Informationen

 

Für Vielflieger Baan war es nicht schwierig, diese Bilder zusammen zu tragen. Als renommierter und hoch bezahlter Architektur-Fotograf reist er ohnehin ständig um die Welt, um Aufträge auszuführen; nach eigener Aussage lebt er „seit zehn Jahren mehr oder weniger ununterbrochen aus dem Koffer“. Da lag es nahe, Aufnahmen für dieses Projekt zu sammeln.

 

Nur für ein Foto zwei Mal anreisen

 

Allerdings sind keine Schnappschüsse darunter; der Niederländer hat einen hohen Qualitätsanspruch. Wenn Wetterverhältnisse keine gute Sicht bieten, reist er Tage oder Wochen später eigens noch einmal an, nur um aus derselben Perspektive ein Foto zu schießen. So verbindet alle 52 Bilder, dass sie technisch und visuell makellos sind.


Interview mit Iwan Baan auf Englisch + Impressionen der Ausstellung


 

Informelle Architektur ohne masterplan

 

Ansonsten sind sie völlig verschieden; mit den üblichen, glatt polierten Frontalansichten von Fassaden haben sie wenig gemeinsam. Baan ist dafür bekannt, auf seinen Aufnahmen Gebäude in ihren landschaftlichen und sozialen Kontext einzubinden. Er will zeigen, wie Nutzer oder Bewohner mit ihnen umgehen und zurecht kommen – Architektur als Teil der Lebenswelt.

 

Daher interessiert sich Baan vor allem für informelle Architektur, die ohne masterplan und Bauleitung entstanden ist – sondern durch Eigeninitative von Menschen, die ihre Behausung einfallsreich aus vorhandenen Materialien konstruieren. Um besonders kreative Lösungen zu fotografieren, geht er oft weite Wege.

 

Schwimmende Schule im Hausboot-Slum

 

Etwa in die chinesische Provinz Henan, wo die Bauern von Sanmenxia in unterirdischen Höhlen-Wohnungen leben: keine elenden Erdlöcher, sondern geräumige Zimmer, die vergleichsweise komfortabel ausgestattet sind. Aber eben unter der Erdoberfläche; Licht fällt nur durch ein Loch in der Decke ein.

 

Oder er begibt sich zum schwimmenden Slum in der Bucht von Nigerias Hauptstadt Lagos: Zehntausende von Habenichtsen hausen hier auf ärmlichen Hausbooten im Wasser. Das niederländisch-nigerianische Architektur-Büro NLÉ hat mitten in der Lagune eine Schule verankert, die auch als Nachbarschafts-Zentrum dient; als größte Freifläche der Siedlung.

 

Doppelriegel-Börse von Rem Koolhaas

 

Baan ist auch fasziniert vom Zabaleen-Viertel in Ägyptens Hauptstadt Kairo: Dort leben koptische Christen, die traditionell den Abfall der Millionen-Metropole einsammeln und weiterverwerten. Hier sind alle Straßen von Müllbergen übersät, Müll stapelt sich in Hauseingängen und sogar Wohnungen – aber der Alltag verläuft manierlich und gesittet.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Bericht über die Architektur-Biennale 2014, kuratiert von Rem Koolhaas, in Venedig

 

und hier eine Rezension der Ausstellung “Kultur:Stadt” über wegweisende Kulturbauten weltweit in Berlin und Graz

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung Eastern Promises über zeitgenössische Architektur in Ostasien im MAK, Wien

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Ein Leben für die Architektur" - Werkschau des Fotografen Julius Shulman im Architekturmuseum Schwaben, Augsburg.

 

Nichtsdestoweniger verdient der Fotograf sein Geld mit der Dokumentation spektakulärer Neubauten; davon sind etliche vertreten. So die Börse, die Rem Koolhaas für die chinesische Stadt Shenzen entwarf: aus zwei rechtwinklig aufeinander gestellten Riegeln. Oder die Filiale des Louvre im nordfranzösischen Lens, gestaltet vom japanischen Büro SANAA: ein verschlungenes, ätherisches Gebilde, das sich ins städtische Weichbild einschmiegt.

 

Manhattan im Dunkeln bei Stromausfall

 

Oder das „Heydar-Aliev-Kulturzentrum“, das Aserbaidschans Machthaber bei der dekonstruktivistischen Star-Architekten Zaha Hadid in Auftrag gab: Sie lieferte ein elegant fließendes Wellengebirge, das in der postsowjetischen Tristesse ringsum wie ein UFO wirkt.

 

Manchmal kommt Baan der Zufall zu Hilfe: Als er aus Peking abflog, war ausnahmsweise die notorische Smog-Glocke verflogen – und er konnte eine der seltenen Luftaufnahmen der Stadt machen. Ähnlich in den USA: Am Abend nach dem Hurrikan „Sandy“ flog er New York an und fotografierte Manhattan, das im Dunkeln lag, weil der Strom ausgefallen war – ein Titelbild für das „New York Magazine“.

 

Wirr geknüpftes Netz

 

Alle 52 großformatigen C-Prints in der Ausstellung werden informativ kommentiert; teils mit Baans persönlichen Eindrücken und Erlebnissen. Doch sie folgen keinem roten Faden, sondern seinen Reiserouten über den Globus; die ähneln einem wirr geknüpften Netz. So liefert die Schau kein Panorama der Gegenwart, sondern eher einen urbanen Flickenteppich – vielfältig und bunt schillernd wie die Welt selbst.