
Müssen wir uns den „Modernen Maler“ als einen unglücklichen Menschen vorstellen? Georg Baselitz malte ihn jedenfalls 2007 als gepeinigte Seele, die auf einem Hakenkreuz mit Ecken wie vom Konstruktivisten Piet Mondrian hockt. Zu sehen ist das so genannte „Remix“-Gemälde in der Werkschau, die das Haus der Kunst einem Großmeister der zeitgenössischen Malerei ausrichtet; er wurde 1938 in Deutschbaselitz in der Lausitz geboren und lebt heute am Ammersee im Umland von München.
Info
Georg Baselitz: Damals, dazwischen und heute
19.09.2014 - 01.02.2015
täglich 10 bis 20 Uhr,
donnerstags bis 22 Uhr
im Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, München
Katalog 39,95 €
Rotzige Rebellion bleibt draußen
„Die großen Freunde“ sind Versehrte inmitten einer Welt in Trümmern. Daneben hängen das „Porträt Elke“, ein „Akt Elke“ und der subtil-intime Blick ins „Schlafzimmer“; das umgedrehte Doppelbildnis eines Paares, das in wechselnder Besetzung wiederkehrt. Baselitz’ rotzige Rebellion, wie sie 1963 in der kalkulierten Provokation des Bildes „Große Nacht im Eimer“ mit einer deformierten, masturbierenden Figur Ausdruck fand, bleibt hier außen vor.
Statements von Georg Baselitz + Impressionen der Ausstellung; © Haus der Kunst
Gerupfter Adler ist nicht totzukriegen
Großen Raum nehmen indes die Bilder der „Remix“-Phase ein; seit 2005 reflektiert und überarbeitet Baselitz sein eigenes Œuvre in Sisyphus-ähnlichem Eifer, mitunter mit trockenem Humor. Dabei entstehen auch Persiflagen auf Jackson Pollock und Willem de Kooning; schließlich war deren Abstrakter Expressionismus ein Reibungsfunke, an dem sich Baselitz’ eigene Künstlerwerdung entzündete.
Und was hat er nicht alles mit dem Adler angestellt: Er hat ihn gerupft, getaucht und zerteilt – aber der Vogel ist nicht totzukriegen. Nicht einmal in den „Schwarzen Bildern“ von 2012/13, die inhaltlich wie räumlich im lang gestreckten Mittelsaal im Zentrum stehen. Zwar ist der Aar in opakem Tiefblau und Schwarz schwer auszumachen, aber selbst in der dunkelsten Ursuppe seiner Malerei noch vorhanden.
Mit Kettensäge Baumstämme schnitzen
Dieser Zyklus ist laut Baselitz’ Aussage „ein Experiment“, bei dem es ihm darum ging, Kontrast und Kontur vermeiden. Doch das Bildmotiv ist immer noch da, obwohl es für ihn keine Rolle spiele, beteuert er – weshalb in seiner Malerei die Welt ja auch seit 1969 auf dem Kopf steht. Ein Spleen, der allerdings den Akt des Sehens an sich bedenkt.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Georg Baselitz: Berliner Jahre" in der Villa Schöningen, Potsdam
und hier eine Besprechung des Films “Georg Baselitz “ – Doku-Porträt des Künstlers von Evelyn Schels
und hier ein Beitrag über die Ausstellung “Übermalt. Verwischt. Ausgelöscht” über das Porträt im 20. Jahrhundert mit Werken von Georg Baselitz in der Hamburger Kunsthalle.
Selbst-Zitate wie bei Dix + Munch
Um sein „Remix“-Konzept zu erklären, scheut Baselitz keinen Vergleich: ob mit dem von ihm verehrten Otto Dix oder dem norwegischen Symbolisten Edvard Munch. Von letzterem erwähnt er das Gemälde „Das kranke Kind“ (1885/86): Davon malte Munch in seinem Spätwerk weitere Versionen, wie von anderen seiner frühen Bilder auch. Aber er hielt – anders als Baselitz – nicht alle für ausstellungswürdig.
Und der damalige Kunstmarkt lechzte noch nicht derart nach frischer Ware von einem Star-Maler, dessen Name längst zur Handelsmarke geworden ist. Etliche gezeigte Leihgaben stammen von Baselitz’ Galeristen „Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac“; die Schau im Haus der Kunst dürfte ihren Marktwert nach oben treiben. So ist „Damals, dazwischen und heute“ weniger der künstlerische „Meilenstein“, den Direktor Okwui Enwezor postuliert, als vielmehr eine Schau, in der sich auch die Macht des Marktes spiegelt.