München

Georg Baselitz: Damals, dazwischen und heute

Elke negativ blau (Detail), 2012, Öl auf Leinwand, Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac; Photo: Jochen Littkemann. Quelle: Haus der Kunst, München
Seine Welt steht auf dem Kopf: Mit umgedrehten Motiven wurde Baselitz zum Star-Maler. Nun widmet ihm das Haus der Kunst eine üppige Werkschau, die frühe Gemälde mit neuen "Remix"-Variationen kontrastiert – und die Macht des Marktes spiegelt.

Müssen wir uns den „Modernen Maler“ als einen unglücklichen Menschen vorstellen? Georg Baselitz malte ihn jedenfalls 2007 als gepeinigte Seele, die auf einem Hakenkreuz mit Ecken wie vom Konstruktivisten Piet Mondrian hockt. Zu sehen ist das so genannte „Remix“-Gemälde in der Werkschau, die das Haus der Kunst einem Großmeister der zeitgenössischen Malerei ausrichtet; er wurde 1938 in Deutschbaselitz in der Lausitz geboren und lebt heute am Ammersee im Umland von München.

 

Info

 

Georg Baselitz: Damals, dazwischen und heute

 

19.09.2014 - 01.02.2015

täglich 10 bis 20 Uhr,

donnerstags bis 22 Uhr

im Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, München

 

Katalog 39,95 €

 

Weitere Informationen

 

Eine Retrospektive will und kann diese Ausstellung nicht sein. Zwar empfangen im ersten Saal den Besucher eine Handvoll früher Gemälde aus den Jahren 1965 bis 1977; sie geben Motive vor, die sich fortan immer wieder finden. Da ist das immer noch furiose Bild „Fingermalerei Adler“ von 1972, das den symbolträchtigen Wappenvogel kopfüber stürzend zeigt.

 

Rotzige Rebellion bleibt draußen

 

„Die großen Freunde“ sind Versehrte inmitten einer Welt in Trümmern. Daneben hängen das „Porträt Elke“, ein „Akt Elke“ und der subtil-intime Blick ins „Schlafzimmer“; das umgedrehte Doppelbildnis eines Paares, das in wechselnder Besetzung wiederkehrt. Baselitz’ rotzige Rebellion, wie sie 1963 in der kalkulierten Provokation des Bildes „Große Nacht im Eimer“ mit einer deformierten, masturbierenden Figur Ausdruck fand, bleibt hier außen vor.


Statements von Georg Baselitz + Impressionen der Ausstellung; © Haus der Kunst


 

Gerupfter Adler ist nicht totzukriegen

 

Großen Raum nehmen indes die Bilder der „Remix“-Phase ein; seit 2005 reflektiert und überarbeitet Baselitz sein eigenes Œuvre in Sisyphus-ähnlichem Eifer, mitunter mit trockenem Humor. Dabei entstehen auch Persiflagen auf Jackson Pollock und Willem de Kooning; schließlich war deren Abstrakter Expressionismus ein Reibungsfunke, an dem sich Baselitz’ eigene Künstlerwerdung entzündete.

 

Und was hat er nicht alles mit dem Adler angestellt: Er hat ihn gerupft, getaucht und zerteilt – aber der Vogel ist nicht totzukriegen. Nicht einmal in den „Schwarzen Bildern“ von 2012/13, die inhaltlich wie räumlich im lang gestreckten Mittelsaal im Zentrum stehen. Zwar ist der Aar in opakem Tiefblau und Schwarz schwer auszumachen, aber selbst in der dunkelsten Ursuppe seiner Malerei noch vorhanden.

 

Mit Kettensäge Baumstämme schnitzen

 

Dieser Zyklus ist laut Baselitz’ Aussage „ein Experiment“, bei dem es ihm darum ging, Kontrast und Kontur vermeiden. Doch das Bildmotiv ist immer noch da, obwohl es für ihn keine Rolle spiele, beteuert er – weshalb in seiner Malerei die Welt ja auch seit 1969 auf dem Kopf steht. Ein Spleen, der allerdings den Akt des Sehens an sich bedenkt.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Georg Baselitz: Berliner Jahre" in der Villa Schöningen, Potsdam

 

und hier eine Besprechung des Films “Georg Baselitz “Doku-Porträt des Künstlers von Evelyn Schels

 

und hier ein Beitrag über die Ausstellung Übermalt. Verwischt. Ausgelöscht über das Porträt im 20. Jahrhundert mit Werken von Georg Baselitz in der Hamburger Kunsthalle.

 

Ebenso viel Aufmerksamkeit wie den „Schwarzen Bildern“ wird den in Form und Format gewaltigen Bronzeskulpturen „BDM Gruppe“ (2012) und „Zero Ende“ (2014) zuteil. Dafür ging Baselitz mit der Kettensäge auf ganze Baumstämme los und ließ das Ergebnis in schwarz patinierte Bronze gießen – eine wuchtige Materialität, die schwer beeindruckt. Die Großplastik „Sing Sang Zero“ (2011) wiederum variiert die Paar-Thematik: In leichter Drehung hakt sich die Frau beim Mann unter; eine schöne, vertraute und anmutige Pose.

 

Selbst-Zitate wie bei Dix + Munch

 

Um sein „Remix“-Konzept zu erklären, scheut Baselitz keinen Vergleich: ob mit dem von ihm verehrten Otto Dix oder dem norwegischen Symbolisten Edvard Munch. Von letzterem erwähnt er das Gemälde „Das kranke Kind“ (1885/86): Davon malte Munch in seinem Spätwerk weitere Versionen, wie von anderen seiner frühen Bilder auch. Aber er hielt – anders als Baselitz – nicht alle für ausstellungswürdig.

 

Und der damalige Kunstmarkt lechzte noch nicht derart nach frischer Ware von einem Star-Maler, dessen Name längst zur Handelsmarke geworden ist. Etliche gezeigte Leihgaben stammen von Baselitz’ Galeristen „Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac“; die Schau im Haus der Kunst dürfte ihren Marktwert nach oben treiben. So ist „Damals, dazwischen und heute“ weniger der künstlerische „Meilenstein“, den Direktor Okwui Enwezor postuliert, als vielmehr eine Schau, in der sich auch die Macht des Marktes spiegelt.