Berlin

Wiedereröffnung des Kunstgewerbe- museums am Kulturforum

Blick ins Foyer mit den "Superzeichen" des Wegeleitsystems. Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum/ Achim Kleuker
Ein Methusalem will modisch werden: Das älteste deutsche Kunstgewerbemuseum gönnt sich eine Frischzellenkur. Die beschränkt sich auf kosmetische Eingriffe: Schicke Kleider in Höhlengängen, grelle Signal-Buchstaben und Räume im Raum – besser als nichts.

Zur Mode geht’s durch schwarzen Schlauch

 

Im Untergeschoss weist die Abteilung DESIGN eine ähnliche Raum-im-Raum-Konstruktion auf, die allerdings weniger übersichtlich ist. Außerdem sind Designer-Stühle nun in einer Schau-Galerie aufgestellt. Neu, frisch und cool möchte das umgebaute Museum erscheinen; es nennt sich daher jetzt „Haus für Kunst, Mode und Design“, was ein wenig nach Warenhaus-Katalog klingt.

 

Seine neue Mode-Galerie ist dem Museum teuer: 2003 zahlte es für den Ankauf einer Privat-Kollektion von 1600 erlesenen Objekten sechs Millionen Euro. Die Abteilung MODE beginnt an einem schwarzen Schlauch; man läuft dann bis zum Ende des Rundgangs in einer Art Höhlenschacht, den man eher in einer Pyramide oder Katakombe vermuten würde.

 

Coco Chanels Geist in Wolke No. 5

 

Jeden Moment erwartet man, den Geist von Coco Chanel schaurig kichernd in einer Wolke No. 5 vorbeihuschen zu sehen. Doch hier rührt sich nichts: Die wunderschönen Stücke stehen still in ihren Vitrinen. Das ist Absicht; die Kleider und Accessoires sollen als Einzelstücke wahrgenommen werden wie die Designer-Stühle in ihrer Galerie.

 

Man könnte sich eine lebendigere Präsentation vorstellen; vielleicht einen Laufsteg, an dem die Besucher auf beiden Seiten vorbeigehen. Oder eine Kombination von Kleidern und Accessoires in den Umgebungen, in denen sie getragen wurden. Von der oft beschworenen „Inszenierung“ ist hier nichts zu sehen – obwohl Mode doch etwas Sinnliches ist, situationsbezogen und Ausdruck gesellschaftlichen Lebens.

 

Wie bleibt Keil-Sandalette am Fuß?

 

Vorteilhaft ist, dass Zahl der Objekte übersichtlich bleibt, und zu den Kleidern passende Accessoires gezeigt werden: Schuhe, Hüte, Handtaschen. Doch anschaulich wirken sie nicht: Wie sah etwa eine Dame im perlenbestickten schwarzen Abendkleid von Charles Frederick Worth um 1880 wirklich aus? Und wie soll ein Mensch die unglaublichen Keil-Sandaletten von Givenchy an den Füßen behalten?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Jugendstil bis Gegenwart – Design im 20. Jahrhundert" - neue Design-Dauerausstellung im Grassi-Museum, Leipzig

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Art and Design for All" – die weltgrößte Kunstgewerbe-Sammlung des Victoria & Albert Museum in London zu Gast in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier einen Bericht über die “Wiedereröffnung des Museums Berggruen” - grandiose Kollektion der Klassischen Moderne in Berlin-Charlottenburg

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Paul Bonatz 1877 – 1956: Leben und Bauen zwischen Neckar und Bosporus"- Retrospektive des Architekten in Frankfurt/ Main + Tübingen.

 

Die Stilgeschichte der haute couture endet am Ausgang mit Kleidern, die vermutlich gar nicht abseits eines Laufstegs getragen werden. Solche Entwicklungen, die Bedeutung von Mode und ihre Funktion werden wenig bis gar nicht thematisiert. Stattdessen sollen die Exponate im Bereich Mode öfter ausgetauscht werden; da schlummert noch viel im Depot.

 

Große oder kleine Sonder-Schauen

 

Generell will sich Direktorin Sabine Thümmler aber künftig eher auf große Ausstellungen konzentrieren; anstatt kleine, häufig wechselnde Sonder-Schauen zu veranstalten, wie es etwa die Neue Nationalgalerie schräg gegenüber zunehmend macht. Obwohl sich derartige Lösungen für ihr Mammut-Haus anbieten: Kein Mensch könnte bei einem Besuch alle Abteilungen durchlaufen.

 

Jeder wird sich darauf beschränken, was ihn am meisten interessiert: Mittelalter mit Welfenschatz, Jugendstil mit Lalique, Bauhaus-Design oder Mode von Elsa Schiaparelli. Mehrere kleine Ausstellungen wären da attraktiver; solche richtet das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) seit Jahren erfolgreich aus.

 

Weniger Besucher geht nicht

 

Auch die Dingfülle in der Dauerausstellung ließe sich ansprechender darstellen, wie etwa das Grassimuseum in Leipzig vorführt: mit einem mäandernden Parcours über zwei Etagen. Nichtsdestoweniger können die zuletzt lächerlich geringen Besucherzahlen nach der Wiedereröffnung nur steigen. Ob das Kunstgewerbemuseum aber durch Aufkleben von roten Signal-Buchstaben fortan zum „Ort der Begegnung“ wird, den Gutbrod für seine offenen, vernetzten Säle im Sinn hatte, bleibt doch sehr fraglich.