Das Spiel mit Identität und Verwechselung ist so alt wie die Literatur selbst: Wenn Theseus sein Schiff Planke für Planke auseinander nimmt und andernorts wieder aufbaut, ist es dann noch das gleiche Schiff? Oder wenn Zeus in Gestalt von Amphitryon erscheint, um dessen Frau beizuwohnen – wie soll der Gehörnte beweisen, dass er der wahre Ehemann ist?
Info
Coherence
Regie: James Ward Byrkit,
89 Min., USA 2014;
mit: Emily Foxler, Maury Sterling, Nicholas Brendon
Komet killt Internet + smartphones
Dorthin verlegen Regisseur James Ward Byrkit und sein Koautor Alex Manugian ihr Gedankenspiel: Vier befreundete Ehepaare in Kalifornien treffen sich zum Abendessen. In dieser Nacht kommt ein Komet der Erde nahe. Er bringt manches durcheinander: smartphones zerbrechen, das Internet kollabiert, der Strom fällt aus. Etwas lästig, aber kein Grund zur Aufregung; es gibt ja Kerzen.
Offizieller Filmtrailer OmU
Zufällig Quantenmechanik-Lehrbuch im Auto
Dann klopft es wild und seltsame Botschaften tauchen auf. Um Hilfe zu holen, laufen zwei Gäste zum einzigen Haus in der Nähe, in dem noch Licht brennt. Es entpuppt sich als exakte Kopie vom Haus ihres Gastgebers – auch dort feiert eine Abendgesellschaft von acht Personen. Die Kundschafter treffen auf die Spiegelbilder ihrer selbst.
Zwar haben alle Gäste die üblichen Kreativ-Jobs und keine Ahnung von Physik. Doch zufällig ist ein Verwandter Astro-freak und ließ zufällig sein Quantenmechanik-Lehrbuch im Auto liegen; wie früher auf dem Dachboden eine Karte für die Schatzinsel auftauchte. Damit wird das Rätsel gelöst: Die Wohnstraße ist offenbar zu multiplen Paralleluniversen mutiert.
Party small talk über Ungeheuerliches
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Interstellar" - überwältigendes Science-Fiction-Epos in fünf Dimensionen von Christopher Nolan
und hier einen Beitrag über den Film “I Origins – Im Auge des Ursprungs” – Identitäts-Mystik-Drama von Mike Cahill
und hier einen Beitrag über den Film "Schilf – Alles, was denkbar ist, existiert" - Identitäts-Psychothriller von Claudia Lehmann mit Stipe Erceg.
Das Oktett besteht aus US-Serienschauspielern der gehobenen Kategorie; sie bekamen kein Drehbuch, sondern nur Karten mit knappen Regieanweisungen. Ihr passables Improvisieren gleicht nicht aus, dass action fehlt: Angeblich geschehen hier ungeheuerliche Dinge, doch man erfährt davon nur durch party small talk. Kino ist aber mehr als Hörspiel plus Standbilder.
Wer weiß die höchste Zahl?
Zumal sich das Filmemacher-Team inhaltlich völlig verhebt. Ein Paralleluniversum next door wäre schon unfassbar; es böte genug Stoff für allerlei verstörende Phänomene, mit denen sich mehrteilige mystery-Filmserien füllen ließen. Aber in Kalifornien gilt: bigger is better.
Byrkit und Manugian behaupten unzählige Paralleluniversen, um den Wirrwarr bis zum Anschlag auszureizen. Die sich – wie Materie und Antimaterie – im Nu neutralisieren; bald wird alles egal. Eine Fingerübung wie das Kinderspiel, wer die höchste Zahl aufsagen kann: Bei Hunderttausendtrillionenfantastillarden ist Schluss. Danach bleibt kosmische Leere.