Stephen Hawking

Die Entdeckung der Unendlichkeit

Jonathan Hellyer Jones (Charlie Cox, li.) und Stephen Hawking (Eddie Redmayne) haben es eilig. Foto: Universal Pictures International Germany
(Kinostart: 25.12.) Eine Theorie über Alles vom Rollstuhl aus: Die Biographie des berühmten Physik-Genies Stephen Hawking verfilmt Regisseur James Marsh als emotionale Tour de Force – und großes Schauspielerkino mit herausragenden Darstellern.

Früher suchten die Alchemisten den Stein der Weisen; heute jagen Physiker der Weltformel hinterher. Doch bisher gelang es weder, unedle Metalle in Gold zu verwandeln, noch fanden Genies wie Einstein eine Formel, die alle physikalischen Phänomene zugleich erklärt. Was bei Einstein recht unsexy „einheitliche Feldtheorie“ hieß, ist im angelsächsischen Sprachraum unter dem großspurigen Begriff Theory of Everything bekannt. Wer es Twitter-kompatibel abgekürzt mag, spricht lässig von einer ToE.

 

Info

 

Die Entdeckung der Unendlichkeit

 

Regie: James Marsh,

123 Min., USA 2014;

mit: Eddie Redmayne, Felicity Jones, Charlie Cox

 

Website zum Film

 

„Theory of Everything“ lautet auch der englische Originaltitel dieses biopics über den berühmten Physiker Stephen Hawking. Dabei hat das Genie im Rollstuhl bis heute gar nicht gewagt, eine eigene ToE zu formulieren. Da aber sowieso keiner versteht, worüber Hawking eigentlich forscht, muss man sich mit solchen Feinheiten nicht unnötig aufhalten. Hierzulande kommt der Film mit dem ähnlich unpassenden Titel „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ in die Kinos. Ist auch egal: Regisseur James Marsh interessiert sich mehr für den Menschen Hawking als den Wissenschaftler.

 

Beunruhigende motorische Aussetzer

 

Cambridge, 1963: Der 21-jährige Stephen Hawking (Eddie Redmayne) ist ein brillanter Physik-Student und wird von seinem Professor Dennis Sciama (David Thewlis) besonders gefördert. Auf einer Party lernt der schüchterne nerd die Romanistik-Studentin Jane Wilde (Felicity Jones) kennen. Beide verlieben sich ineinander und sind bald ein Paar. Doch Hawkings Glück gerät unverhofft in Gefahr, als er plötzlich beunruhigende motorische Aussetzer erlebt.


Offizieller Filmtrailer


 

Schnörkellos und teils überdeutlich

 

Ärzte diagnostizieren bei ihm die Motoneuron-Krankheit; sie führt allmählich zum Versagen aller Muskeln. Hawking erfährt, er habe nur noch zwei Jahre zu leben. Der junge Wissenschaftler ist am Boden zerstört. Aber Jane hält weiterhin zu ihm, obwohl sich sein Gesundheitszustand rasant verschlechtert. 1965 heiraten die Beiden und bekommen ein Kind. Trotz starker körperlicher Einschränkungen promoviert Hawking in Oxford. Doch dem jungen Ehepaar stehen noch schwere Zeiten bevor.

 

Regisseur James Marsh inszeniert „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ sehr klassisch und unspektakulär. Schnörkellos und teilweise überdeutlich werden die wichtigsten Stationen in Hawkings Leben von seiner Studentenzeit bis in die Gegenwart abgeklappert. Das stört aber keineswegs, da seine Geschichte so interessant wie bewegend ist. Zudem setzt die Kamera auf subtile Weise visuelle Akzente.

 

Hinter jedem Genie steht starke Frau

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "The Zero Theorem – Das Leben passiert jedem" - SciFi-Groteske von Terry Gilliam

 

und hier einen Bericht über den Film “Interstellar” – visuell überwältigendes Science-Fiction-Epos mit Matthew McConaughey von Christopher Nolan

 

und hier einen Bericht über den Film “Shadow Dancer” – Polit-Thriller über IRA-Terror von James Marsh.

 

Da Marsh die Autobiographie von Jane Hawking verfilmt hat, verwundert nicht, dass sie im Film fast ebenso im Zentrum steht wie ihr berühmter Mann. Ihre Ehe illustriert fast perfekt die alte Weisheit, dass hinter jedem großen Mann eine starke Frau steht. Die Konzentration auf die Beziehung zwischen Stephen und Jane funktioniert hervorragend, da beide Protagonisten ideal besetzt sind.

 

Besonders Eddie Redmayne verblüfft als schwerstbehinderter Physiker. Ihm gelingt eine vollkommene Anverwandlung seiner Person, die alle kleinen Ticks und gravierenden Bewegungsprobleme mit einschließt. Auch die intensive, aber zugleich nicht unkomplizierte Beziehung beider Ehe- und Lebenspartner wirkt völlig authentisch.

 

Religion für Atheisten

 

Am Beispiel dieser Beziehung verhandelt der Film auch den Widerstreit zwischen Wissenschaft und Religion. Stephen Hawking ist anfangs ein knallharter Rationalist und Materialist, der Physik als „Religion für Atheisten“ beschreibt. Die Geisteswissenschaftlerin Jane geht hingegen regelmäßig in die Kirche. Anfangs erscheinen sie als Gegenpole, doch dieses Verhältnis wandelt sich im Laufe der Zeit. So wird dieses klassische und formal eher unspektakuläre biopic durch die bewegende Lebensgeschichte und herausragende Darsteller zu einem bemerkenswerten Erlebnis.