Ridley Scott

Exodus – Götter und Könige (3D)

Rhamses (Joel Edgerton, li.) und Moses (Christian Bale, re.) ziehen mit dem Segen des Pharao Seti (John Turturro, o. Mi.) in den Krieg gegen die Hethiter. Foto: © 2014 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 25.12.) Wie der Monotheismus in die Welt kam: Bibelfest erzählt Regisseur Ridley Scott den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten in so akkurater wie opulenter Ausstattung. Der Pharao stiehlt Christian Bale als Moses glatt die Show.

An Ridley Scotts zweitem Ausflug in die Welt des so genannten Sandalen-Films, dessen revival er selbst durch „Gladiator“ eingeläutet hat, gibt es allerhand zu mäkeln. Zunächst wäre ein Jahr nach „Noah – Das Ende ist erst der Anfang“ von Darren Aronofsky eine originellere Interpretation der alten Mär vom ersten hebräischen Superhelden hoch willkommen gewesen.

 

Info

 

Exodus –
Götter und Könige (3D)

 

Regie: Ridley Scott,

154 Min., Großbritannien/ USA 2014;

mit: Christian Bale, Joel Edgerton, John Turturro, Sigourney Weaver

 

Website zum Film

 

„Exodus – Götter und Könige“ hätte Fragen nach der wahren Herkunft von Moses (Christian Bale) und der Geburt des Monotheismus stellen können, wie es schon Siegmund Freud tat. Stattdessen werden vom Weidenkörbchen bis zur Teilung des Roten Meeres brav die narrativen Standards der biblischen Erzählung verfilmt.

 

Wie von Ägyptologen empfohlen

 

Paradoxerweise fischt Regisseur Scott zwar historisch im Trüben – doch die Ausstattung behauptet Wohlrecherchiertheit in jeder Einstellung. Von der Haarspange bis zur Streitwagen-Felge wird auf prachtvolle Authentizität geachtet, wie sie die aktuelle Forschungslage der Ägyptologie nahe legt.


Offizieller Filmtrailer


 

Zu blass, zugekleistert + schweigsam

 

Beim casting greift Scott dagegen auf eine Riege von Hollywood-Stars zurück, die nicht nur watchdogs in den social media zu blass vorkommt; sie werfen dem Film „whitewashing“ vor. Das ist im doppelten Sinne zu verstehen: Spitzenkräfte wie Sigourney Weaver oder Aaron Paul haben für ihre nordafrikanisch-kleinasiatischen Rollen nicht nur zu wenig Melanin in der Haut, sondern verschwinden auch darstellerisch hinter make-up, Bartfusseln, Turmfrisuren, wallenden Kostümen, Dreck, Blut und später Geschwüren, wenn die zehn Plagen zuschlagen.

 

Dazu kommen computergenerierte Kulissen, die sich angesichts eines überschaubaren Drehbuchs schnell in den Vordergrund spielen. Zwar sind mit Golshifteh Farahani als Ramses‘ Gattin, Indira Varma und Hiam Abbas wenigstens einige Darstellerinnen nach Typ besetzt; ihnen werden aber kaum mehr als zwei Sätze gegönnt. Zweifellos wird es bald auch einen Director’s Cut des immerhin nicht langatmigen Films geben; vielleicht dürfen die Nebenfiguren dann etwas mehr von sich erzählen.

 

Selbst gehämmerte zehn Gebote

 

Bis dahin darf man dem 3D-Spektakel bescheinigen, dass es keine kohärente Neuinterpretation des Auszugs der Israeliten aus Ägypten geworden ist, sondern eher ein zeitgemäß kürzeres remake des Monumental-Klassikers „Die zehn Gebote“ (1956) von Cecil B. DeMille mit Charlton Heston als Mose; nur ohne göttliche Flammenschrift – hier hämmert der Prophet die Gesetzestafeln noch selbst.

 

Und das Rote Meer lässt sich mit Computern natürlich noch herrlicher teilen! In der Tat: Seit „Avatar“ ist die 3D-Technologie nicht mehr so üppig und umwerfend angewandt worden. Es macht Spaß, sich in dieser Welt umzuschauen. Was die Charaktere, die darin umher wandeln, dabei so von sich geben, ist – zumindest für Atheisten – ziemlich unerheblich.

 

Gott als zorniger Knirps

 

Während Christian Bale als zupackender Zweifler, der die Hebräer ins Gelobte Land führt, wie stets einen soliden Job erledigt, stiehlt ihm der Australier Joel Edgerton als innerlich zerrissener Ramses glatt die Show. Und die Ideen, Gott als zornigen Knirps und die Episode mit dem brennenden Dornenbusch als Folge einer Gehirnerschütterung darzustellen, sind witzig – wenn man bedenkt, in welches vulgärtheologische Minenfeld Ridley Scott sich mit diesem Film begibt.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Regisseur Ridley Scott über "Exodus – Götter und Könige"

 

und hier eine Besprechung des Films "Noah - Das Ende ist erst der Anfang" - Bibelverfilmung mit Russell Crowe von Darren Aronofsky

 

und hier einen Bericht über den Film “Pompeii”  - Antike-Action-Spektakel von Paul W.S. Anderson

 

und hier einen kultiversum-Beitrag über den Film Agora – Die Säulen des Himmels von Alejandro Amenábar über die Zerstörung der antiken Bibliothek von Alexandria

 

Kurzum: Denkende Menschen müssen allerhand ausblenden, um sich von diesem Weihnachts-Epos überwältigen oder zumindest unterhalten zu lassen. Auf jeden Fall irrt Ridley Scott mit seiner Selbsteinschätzung, er sei eine Art blockbuster-Autorenfilmer. Sein Talent liegt in der professionellen Verwaltung eines 140-Millionen-Dollar-Budgets zum Zwecke der Erheiterung und finanziellen Erleichterung eines weltweiten Publikums unter Einhaltung eines Erzählmodus‘, der nicht zu sehr von den gebotenen Schauwerten ablenkt.

 

Was hier auf Erden falsch läuft

 

Dass Scotts Ruf als Regisseur zusätzlich ein paar Akademiker ins Kino lockt, ist in dieser Kalkulation ein Pluspunkt; ein Moses, der aussieht, als sei er einer illustrierten Mormonen-Bibel entsprungen, allerdings auch. Wer damit leben und den visuellen Pomp von Multi-Millionen-Dollar-Inszenierungen genießen kann, dem sei dieser Film wärmer empfohlen als der dritte „Hobbit“-Teil, der soeben im Kino angelaufen ist.

 

Immerhin erzählt „Exodus“ nicht irgendeine Geschichte, sondern jenen Mythos, dem die Menschheit den Glauben an einen einzigen Gott verdankt – mit so weit reichenden wie durchaus katastrophalen Auswirkungen. Kritischen Geistern gibt der Film gerade wegen seiner Kritikwürdigkeit reichlich Futter: Es lässt sich an ihm allerhand ablesen, was falsch läuft in dieser Welt.