Ein Herz für Tiere: Bob Saginowski (Tom Hardy) hat für Sentimentalitäten wenig übrig. Gleichmütig stapft er jeden Tag zur schäbigen Bar, die sein Cousin Marv (James Gandolfini) in Brooklyn betreibt. Stoisch schiebt er jede Nacht den Gästen ihre drinks über den Tresen. Sinn für Höheres zeigt er nur, wenn er in die Kirche zur katholischen Messe geht.
Info
The Drop - Bargeld
Regie: Michaël R. Roskam,
107 Min., USA 2013;
mit: Tom Hardy, Noomi Rapace, James Gandolfini, Mathias Schoenaerts
Keine romcom, sondern Shakespeare
Das klingt nach schrecklich kitschiger romantic comedy, die sowohl harten Kerlen mit weichem Kern als auch engagierten Tierschützerinnen gefallen soll. Wir sind aber in einem Film von Michaël R. Roskam: Der Belgier hat 2011 mit „Bullhead“ einen der originellsten Krimis der letzten Jahre gedreht. In diesem Psychodrama unter Rinderzüchtern gerät ein Bodybuilder in Machenschaften der Hormon-Mafia; so wuchtig und packend wie bei Shakespeare.
Offizieller Filmtrailer
Bargeld deponieren + abzweigen
Auch in „The Drop“ ist einiges faul: Der Titel steht für eine schwarze Kasse in der Bar. Dort deponieren die Ganoven des Viertels schmutziges Geld, wenn ihnen die Polizei auf den Fersen ist – was aber für die Handlung keine große Rolle spielt. Sie nimmt Fahrt auf, als zwei Maskierte die Bar überfallen und die Tageseinnahmen plündern; zum Missfallen des Besitzers, eines tschetschenischen Gangsterboss mit sadistischen Neigungen.
Überdies rückt Eric (Matthias Schoenaerts) Bob auf den Pelz. Der jähzornige Ex-Freund von Nadia will erst den Hundewelpen zurück, dann seine Geliebte; außerdem lässt er sich von Bobs Cousin für ein krummes Ding einspannen. Marv begleicht die Klinik-Rechnungen seines Vaters, indem er fingierte Überfälle vortäuscht, das Geld abzweigt – und Bob die Schuld dafür in die Schuhe schieben will. Daran zerbricht selbst polnische Familienbande im Exil.
Rare Rachedramen aus der Lebenswelt
Der plot ist so windungsreich und zugleich nachvollziehbar wie schon in „Bullhead“. Doch abermals geht es eigentlich um eine Milieu-Studie: anstatt bei Rinder-Haltern in Gummistiefeln diesmal unter Gestrauchelten in New York. Alle kommen von ihrer Vergangenheit nicht los; alle strampeln, um den Kopf über Wasser zu halten, und alle begegnen einander mit misstrauischer Distanz – weil sie wissen oder ahnen, dass ihr Gegenüber nicht ganz koscher ist.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Bullhead" - brillanter Rinderzüchter-Krimi aus Belgien von Michaël R. Roskam mit Mathias Schoenaerts
und hier einen Beitrag über den Film "Auge um Auge – Out of the Furnace" - perfektes Rachedrama unter US-Stahlarbeitern mit Christian Bale von Scott Cooper
und hier einen Bericht über den Film "No Turning Back (Locke)" - spannendes One-Man-Roadmovie mit Tom Hardy von Steven Knight
und hier eine Kritik des Films “Dead Man Down” - gelungener Rache-Thriller mit Noomi Rapace von Niels Arden Oplev.
Street smartness in Mundwinkeln
Aber Regisseur Roskam gelingt Ähnliches; vor allem dank vorzüglicher Schauspieler. Allen voran Tom Hardy als barkeeper: Bob ist ein scheuer Einzelgänger, der alles mit abwartender Skepsis aufnimmt – Zögern als Überlebens-Strategie einer tief verwundeten Seele. Die dennoch genug street smartness mitbringt, um die Zügel in der Hand zu behalten; was Hardy mit wunderbar subtilem Minenspiel seiner Mundwinkel ausdrückt.
James Gandolfini spielt in seiner letzten Rolle einen Schurken, der sich mit Gemütlichkeit panzert; so hätte man ihn gern öfter gesehen. Matthias Schoenaerts gibt schon wie in „Bullhead“ oder dem Anti-Melodram „Der Geschmack von Rost und Knochen“ (2012) von Jacques Audiard eine verkrachte Existenz, die wütend gegen ihr Verhängnis anrennt. Und Noomi Rapace mal nicht als Racheengel, sondern als woman next door mit kratzbürstigem Charme zu erleben, ist ein Erlebnis.
Wie cash in kleinen Scheinen
Da kann man über verquere Details wie das überflüssige Ganoven-Gelddepot oder radebrechende Kaukasus-Mafiosi getrost hinwegsehen. „The Drop – Bargeld“ ist so handfest wie cash in kleinen Scheinen und lebensnah wie der Tagesablauf von allen, die morgens zur Arbeit gehen und abends ein Bier in der Kneipe zischen – oder im Kino.