Berlin

Made in Germany – Politik mit Dingen. Der Deutsche Werkbund 1914

Werbeplakat für Schreibmaschinen der Adlerwerke, Entwurf: Lucian Bernhard, 1912 Lithographie; © Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge / Foto: Armin Herrmann
Mobilmachung der Dinge: Kurz vor dem Ersten Weltkrieg veranstaltete der Deutsche Werkbund in Köln eine riesige Leistungsschau. An diesen Meilenstein der Design-Geschichte erinnert die Gedenk-Ausstellung des Werkbundarchivs im Museum der Dinge.

Eines der ersten Opfer des Ersten Weltkriegs war eine Mammut-Schau: Die „Deutsche Werkbund-Ausstellung“ öffnete im Mai 1914 in Köln ihre Pforten. Mit riesigem Aufwand: Auf 350.000 Quadratmetern Fläche waren mehr als 50 Gebäude von namhaften Architekten entstanden. Die Festhalle hatte Peter Behrens entworfen, Henry van de Velde das Theater, Walter Gropius eine Muster-Fabrik. Bei Kriegsausbruch musste Anfang August das eigentlich bis Oktober geplante Großereignis schließen; es endete finanziell mit herben Verlusten.

 

Info

 

Made in Germany – Politik mit Dingen. Der Deutsche Werkbund 1914

 

25.09.2014 - 16.03.2015

täglich außer dienstags + mittwochs

12 bis 19 Uhr

im Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Oranienstraße 25, Berlin

 

Weitere Informationen

 

Doch es blieb ein Meilenstein der Design-Geschichte: als größte Leistungsschau des Deutschen Werkbunds. Er war 1907 gegründet worden, um Kunst und Kultur mit der Industrie zu versöhnen und dadurch Wirtschaft und Exporte des Reiches zu fördern. „Made in Germany“, 1887 in Großbritannien als Kennzeichnung für angeblich minderwertige deutsche Waren eingeführt, sollte sich zum Gütesiegel wandeln. „Typisch deutsche“ Produkte sollten zweckmäßig, sachlich und standardisiert sein: eine Mobilmachung der Dinge.

 

Design-Ikonen + Hurra-Kitsch

 

Daran erinnert eine Gedenk-Ausstellung im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin-Kreuzberg. Sie besteht im wesentlichen aus einer Neugruppierung im Rahmen der bereits vorhandenen Schausammlung. Teilweise finden sich die Exponate in denselben Vitrinen, in denen sie auch sonst stehen. Zwischen Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts und „Hurra-Kitsch“ der Weltkriegspropaganda, der damit kontrastiert, muss man sie manchmal suchen.


Interview mit der Leitenden Kuratorin Renate Flagmeier + Impressionen der Ausstellung


 

Verwirrend wie Turmbau zu Babel

 

Dennoch setzt die Sonderschau mit Leihgaben eigene Akzente. Den Eingangsraum dominiert ein Modell der Ausstellung von 1914 auf dem Messegelände am Rheinufer in Köln-Deutz, begleitet von der Projektion historischer Aufnahmen. Es macht die enormen Ausmaße deutlich: Viele Industriebranchen hatten ihre eigenen Hallen errichtet. Vor dem Eingang stand sogar ein kompletter Rummelplatz, um Schaulustige anzulocken.

 

Damalige Beobachter bemängelten, das Spektakel sei verwirrend wie der „Turmbau zu Babel“ und einheitlicher Formwille oder Stil nicht erkennbar. Über den ästhetischen Anspruch des Werkbunds spottete der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe: „Wozu der Lärm? Heute sind die ‚Künstler‘ von ehedem nicht mehr Apostel, sondern Geschäftsleute, und recht gewiefte. Den Dank der Industrie streichen sie in klingender Münze ein. Man braucht sie nicht als Kulturhelden zu feiern.“

 

Standardisierung oder Individualität

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Dem Licht entgegen - Die Künstlerkolonie-Ausstellung 1914" - im Institut Mathildenhöhe Darmstadt

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Henry van de Velde und sein Beitrag zur europäischen Moderne" im Neuen Museum, Weimar

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “1912 – Mission Moderne“ – zur Jahrhundertschau des Sonderbundes im Wallraf-Richartz-Museum, Köln

 

Dabei fochten sie eine Debatte aus, der als Werkbund- oder Typisierungs-Streit in die Kulturgeschichte eingegangen ist; er wird im Archivraum des Museums dokumentiert. Der Architekt Hermann Muthesius forderte Standardisierung und Typisierung von Entwürfen für eine rationelle Herstellung.

 

Jugendstil-Gestalter Henry van de Velde beharrte dagegen auf individueller künstlerischer Freiheit. Wie der Streit ausging, ist klar: Der Werkbund wandte sich gegen den Historismus und stand inhaltlich dem Bauhaus nahe, aber als Interessengemeinschaft zur „Veredelung der gewerblichen Arbeit“.

 

Im letzten Ausstellungsraum sind die Höhepunkte versammelt, etwa das „sachliche Plakat“ gegen überdrehten Kitsch. Hier demonstriert ein Schaukasten der Firma „Weck“ die praktischen Vorzüge ihrer Gläser zum „einwecken“ – als Frischhalte-Methode. Hier findet sich auch ein wunderschönes Modell von Bruno Tauts Glashaus auf der Ausstellung 1914, einem Reklamebau der Glasindustrie.

 

Maschinengewehr 08/15

 

Der expressionistische Rundbau in Form eines Spargelkopfs hat stark romantische, fast esoterische Züge. Taut ging es um eine Einheit von Natur, Kunst und Technik; er strebte mit modernen Materialien wie Beton, Stahl und Glas kosmische Harmonie an. „Das bunte Glas zerstört den Hass“, textete der Schriftsteller Paul Scheerbart für den Fassadenfries: drei Monate vor Kriegsausbruch.

 

Hier wird Standardisierung für Massenproduktion demonstriert: an Schreibmaschinen, Kaffeekannen und am Mauser-Maschinengewehr 08/15, dessen Typen-Nummer bald sprichwörtlich wurde. Die vom Werkbund so hoch gepriesene Sachlichkeit, Normierung und Funktionalisierung ließ sich auch militärisch gut verwerten: Sein patriotisches Pochen auf einem „deutschen Stil“ sollte auch der Kriegführung dienen.