Eines der ersten Opfer des Ersten Weltkriegs war eine Mammut-Schau: Die „Deutsche Werkbund-Ausstellung“ öffnete im Mai 1914 in Köln ihre Pforten. Mit riesigem Aufwand: Auf 350.000 Quadratmetern Fläche waren mehr als 50 Gebäude von namhaften Architekten entstanden. Die Festhalle hatte Peter Behrens entworfen, Henry van de Velde das Theater, Walter Gropius eine Muster-Fabrik. Bei Kriegsausbruch musste Anfang August das eigentlich bis Oktober geplante Großereignis schließen; es endete finanziell mit herben Verlusten.
Info
Made in Germany – Politik mit Dingen. Der Deutsche Werkbund 1914
25.09.2014 - 16.03.2015
täglich außer dienstags + mittwochs
12 bis 19 Uhr
im Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Oranienstraße 25, Berlin
Design-Ikonen + Hurra-Kitsch
Daran erinnert eine Gedenk-Ausstellung im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin-Kreuzberg. Sie besteht im wesentlichen aus einer Neugruppierung im Rahmen der bereits vorhandenen Schausammlung. Teilweise finden sich die Exponate in denselben Vitrinen, in denen sie auch sonst stehen. Zwischen Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts und „Hurra-Kitsch“ der Weltkriegspropaganda, der damit kontrastiert, muss man sie manchmal suchen.
Interview mit der Leitenden Kuratorin Renate Flagmeier + Impressionen der Ausstellung
Verwirrend wie Turmbau zu Babel
Dennoch setzt die Sonderschau mit Leihgaben eigene Akzente. Den Eingangsraum dominiert ein Modell der Ausstellung von 1914 auf dem Messegelände am Rheinufer in Köln-Deutz, begleitet von der Projektion historischer Aufnahmen. Es macht die enormen Ausmaße deutlich: Viele Industriebranchen hatten ihre eigenen Hallen errichtet. Vor dem Eingang stand sogar ein kompletter Rummelplatz, um Schaulustige anzulocken.
Damalige Beobachter bemängelten, das Spektakel sei verwirrend wie der „Turmbau zu Babel“ und einheitlicher Formwille oder Stil nicht erkennbar. Über den ästhetischen Anspruch des Werkbunds spottete der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe: „Wozu der Lärm? Heute sind die ‚Künstler‘ von ehedem nicht mehr Apostel, sondern Geschäftsleute, und recht gewiefte. Den Dank der Industrie streichen sie in klingender Münze ein. Man braucht sie nicht als Kulturhelden zu feiern.“
Standardisierung oder Individualität
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Dem Licht entgegen - Die Künstlerkolonie-Ausstellung 1914" - im Institut Mathildenhöhe Darmstadt
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Henry van de Velde und sein Beitrag zur europäischen Moderne" im Neuen Museum, Weimar
und hier einen Bericht über die Ausstellung “1912 – Mission Moderne“ – zur Jahrhundertschau des Sonderbundes im Wallraf-Richartz-Museum, Köln
Jugendstil-Gestalter Henry van de Velde beharrte dagegen auf individueller künstlerischer Freiheit. Wie der Streit ausging, ist klar: Der Werkbund wandte sich gegen den Historismus und stand inhaltlich dem Bauhaus nahe, aber als Interessengemeinschaft zur „Veredelung der gewerblichen Arbeit“.
Im letzten Ausstellungsraum sind die Höhepunkte versammelt, etwa das „sachliche Plakat“ gegen überdrehten Kitsch. Hier demonstriert ein Schaukasten der Firma „Weck“ die praktischen Vorzüge ihrer Gläser zum „einwecken“ – als Frischhalte-Methode. Hier findet sich auch ein wunderschönes Modell von Bruno Tauts Glashaus auf der Ausstellung 1914, einem Reklamebau der Glasindustrie.
Maschinengewehr 08/15
Der expressionistische Rundbau in Form eines Spargelkopfs hat stark romantische, fast esoterische Züge. Taut ging es um eine Einheit von Natur, Kunst und Technik; er strebte mit modernen Materialien wie Beton, Stahl und Glas kosmische Harmonie an. „Das bunte Glas zerstört den Hass“, textete der Schriftsteller Paul Scheerbart für den Fassadenfries: drei Monate vor Kriegsausbruch.
Hier wird Standardisierung für Massenproduktion demonstriert: an Schreibmaschinen, Kaffeekannen und am Mauser-Maschinengewehr 08/15, dessen Typen-Nummer bald sprichwörtlich wurde. Die vom Werkbund so hoch gepriesene Sachlichkeit, Normierung und Funktionalisierung ließ sich auch militärisch gut verwerten: Sein patriotisches Pochen auf einem „deutschen Stil“ sollte auch der Kriegführung dienen.