Oft machen Kleinigkeiten den entscheidenden Unterschied aus: „Los Ángeles“ heißt der Debütfilm des US-Ethnologen und Regisseurs Damian John Harper. Der Akzent über dem „A“ ist kein Tippfehler, sondern die spanische und somit ursprüngliche Schreibweise für die „Stadt der Engel“.
Info
Los Ángeles
Regie: Damian John Harper,
97 Min., Mexiko/ Deutschland 2014;
mit: Mateo Bautista Matías, Marcos Rodríguez Ruíz, Lidia García
Was Wanderarbeiter antreibt
Vor allem aus Mexiko strömen unablässig Zuwanderer in die Metropole; daran verdienen Schleuser-Banden ein Vermögen. Davon handeln zahlreiche Genrefilme – aber die wenigsten schildern die Ursachen, die viele Latinos zur illegalen Einwanderung in die USA treiben.
Offizieller Filmtrailer
Weg aus dem verarmten Provinznest
Nach seinem Anthropologie-Studium hat Regisseur Harper ein Jahr lang in dem kleinen südmexikanischen Dorf Santa Ana del Valle gearbeitet und dort Freundschaften geschlossen. Seine Erfahrungen flossen nicht nur in das Drehbuch zu „Los Ángeles“ ein; der Film wurde auch dort komplett gedreht und mit Laiendarstellern besetzt.
Santa Ana del Valle ist eines von zahllosen Nestern in der mexikanischen Provinz, die völlig verarmt sind. Um ihre Familien finanziell zu unterstützen, wandern etliche Männer illegal in die USA aus; viele von ihnen suchen Arbeit im Großraum von Los Angeles. Dort finden sie meist alles andere als das vermeintlich gelobte Land.
Gang-Mitglied erst nach drei Mutproben
Auch der Vater des 16-jährigen Mateo (Mateo Bautista Matías) ging vor Jahren nach Norden; seit langer Zeit hat er nichts mehr von sich hören lassen. Deshalb soll ihm jetzt Mateo folgen. Er hat gehört, man habe in L.A. kaum Überlebenschancen, wenn man dort nicht einer gang angehöre. Also schließt er sich in seinem Dorf einer heimischen Bande an, da diese angeblich Kontakte in diese Stadt hat. Ihr Erkennungszeichen sind drei eintätowierte Punkte im Handrücken.
Um vollwertiges gang-Mitglied zu werden, muss sich Mateo von der übrigen Gruppe verprügeln lassen. Auch lässt er sich überreden, die Kirche der kleinen Gemeinde zu bestehlen. Als er aber ein Mitglied einer rivalisierenden Bande erschießen soll, weigert er sich – womit er den Zorn des Anführers auf sich zieht. Er will den Neuling bestrafen, doch zuvor bricht sich Mateo beim Rodeo der alljährlichen Fiesta ein Bein. An seiner Stelle soll nun sein Bruder gen USA aufbrechen; damit gerät er ebenfalls ins Fadenkreuz der Kriminellen.
Wie in Kafkas Novelle „Vor dem Gesetz“
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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und hier einen Bericht über den Film “Miss Bala” von Gerando Naranjo über Opfer des Drogen-Kriegs in Mexiko
und hier einen kultiversum-Beitrag zum Film “Sin Nombre” von Cary Fukunaga über Armutsflüchtlinge aus Mittelamerika.
Davon abgesehen ist der Film jedoch sehr geerdet; seine große Stärke liegt gerade in unprätentiösem Realismus. Mit locker geführter Handkamera folgt Regisseur Harper seinen Akteuren, die sich meist selbst spielen. Motiviert von anthropologischem Eifer und Sympathie, zeigt der Filmemacher ihren Alltag, Feste und Fehden, Lachen und Leiden, aufkeimende Liebe und tiefste Verzweiflung.
Held + Film treten auf der Stelle
Über weite Strecken ist das eher ein genau beobachtetes Sozial- als ein Flüchtlings-Drama, als das der Film vermarktet wird. Was kein Manko ist: Die bodenständigen bis leicht schrulligen Charaktere wachsen einem schnell ans Herz. Etwa Mateos störrischer Onkel, der sich nach seiner Rückkehr aus den USA wieder in der alten Heimat zurechtfinden muss. Auch mit dem jungen Hauptdarsteller fiebert man mit. Selbst wenn er öfter auf der Stelle tritt – genauso wie die Dramaturgie des Films.