Berlin

Transmediale 2015 – Capture All + Time & Motion: Redefining Working Life

Zach Glas: Face Cages #2, 2014, Fotografie. © Christopher O'Leary; Fotoquelle: Transmediale 2015
Ganz vorne dran und doch daneben: Die Ausstellung des Medienkunst-Festivals im HKW über Daten-Sammelwut ist so besucherfreundlich wie Nutzer-Einstellungen bei Facebook. Nebenan zeigt eine kleine, feine Schau anschaulich, was Arbeit heute bedeutet.

Das Haus der Kulturen der Welt (HKW) wurde 1989 gegründet und in der Kongresshalle von Westberlin, der „Schwangeren Auster“, angesiedelt – in Sichtweite der Mauer. Als sie fiel, war das HKW genau am richtigen Platz. Einem Land, das mangels Kolonialreich und wegen der Teilung Europas wenig Berührung mit fremden Kulturen hatte, öffnete es die Augen für die Vielfalt der weiten Welt.

 

Info

 

Transmediale 2015 – Capture All

 

28.01.2015 - 01.02.2015

Donnerstag - Samstag

10 bis 22 Uhr,

Sonntag bis 23 Uhr

 

Festival-Magazin 2 €

 

Website zum Festival

 

Time & Motion: Redefining Working Life

 

29.01.2015 - 06.04.2015

täglich außer dienstags und feiertags 11 bis 19 Uhr,

während des Festivals

bis 22 Uhr

im HKW, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin

 

Weitere Informationen

 

Nicht mit staubiger Völkerkunde, sondern mit höchst gegenwärtigen Ausstellungen, Film- und Konzertreihen: Das HKW präsentierte in 1000 Facetten, wie Künstler in Übersee eigene Ausdrucksformen entwickeln, indem sie ihre Traditionen mit modernen Einflüssen mischen. Manchmal sperrig, oft sinnlich und originell, und stets anregend aktuell: the world is my oyster.

 

Dancefloor mit radical chic

 

2006 übernahm Bernd Scherer die Leitung. Der promovierte Philosoph hat das HKW in ein Weltprobleme-Debattenforum verwandelt. Anstelle von Afrika, Asien und Lateinamerika stehen nun Finanzströme, Kolonialerbe und Life Sciences auf der Agenda. Wozu Scherer mehrtägige Festivals ausrichtet, während derer sein Haus brummt: Konferenz-Marathons mit Dutzenden von Teilnehmern, stundenlange Filmvorführungen, Info-Schauen voller Grafiken und Statistiken. Und abends legen DJs im „Café Global“ dancefloor music auf.

 

Beim vorwiegend jungen Publikum kommt dieser Mix aus Volkshochschule, Uni-Seminar, Rummelplatz und Soli-Party gut an. Mag sein, dass Jungakademiker hier das irgendwie linke und kritische Denken finden, dass sie im verschulten Studium vermisst haben. Oder ihnen behagt schlicht die radical chic-Atmosphäre.


Impressionen der Ausstellungen "Capture All" + "Time & Motion"


 

Vom VideoFilmFest zum Mega-Festival

 

Jedenfalls passt diese Darreichungsform blendend zur infotainment culture, in der jeder Vortrag und jede Vernissage zum event hochgejazzt und mit Wein oder Bier begossen wird. Ob von den häufig hochtrabenden Theorien bei den Zuhörern etwas hängen bleibt, scheint fraglich.

 

Die Transmediale wird zwar von der Landesgesellschaft „Kulturprojekte Berlin“ veranstaltet, passt aber perfekt ins HKW. Das jährliche Festival begann 1988 als kleines „VideoFilmFest“ im Nebenprogramm der Berlinale. Parallel zur Digitalisierung der Gesellschaft fand es immer mehr Zulauf.

 

Abstrakter kann Thema kaum sein

 

Trotz mehrerer Namens-, Konzept- und Standortwechsel hat es heute eine internationale Fangemeinde. Der wird an fünf Tagen ein überbordendes Programm aus Medienkunst, elektronischer Musik, digitaler und Klub-Kultur geboten. Natürlich alles auf Englisch, denn im digital age sind lokale Idiome nur noch Folklore.

 

Was alles dazuzählt, weiß keiner so genau: Immerhin beinhaltet die Transmediale auch eine herkömmliche Ausstellung. Diesmal heißt sie „Capture All“; sie ist der Daten-Sammelwut von Großkonzernen wie Geheimdiensten gewidmet – und der Sorglosigkeit vieler Internet-user. Abstrakter kann ein Thema kaum sein, schwieriger zu visualisieren auch nicht. Daran krankten schon diverse Spielfilme zu Datenklau und Cyber-Kriminalität. Dieser Schau ergeht es nicht besser.

 

Im Bauzaun-Irrgarten

 

Angefangen mit dem setting: Der verwinkelte Parcours im Halbdunkel, das wohl eine düstere Zukunft symbolisieren soll, führt zu Waben-Zellen aus Bauzaun-Gittern. Hier leuchten nur Monitore oder Punktstrahler; Tafeln mit Künstlernamen und Werktiteln sind kaum zu entziffern.