Während der letzten zehn Jahre vor seinem Tod 2006 galt es als schick, Robert Altman als „Regie-Altmeister“ zu titulieren. Nun ist Robert Altman bereits seit acht Jahren Ex-Regie-Altmeister: 2014 wäre er 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass erinnert ein angenehm altmodisch komponierter Dokumentarfilm daran, wie lang und beschwerlich sein Weg war: vom Industriefilmer zum unberechenbaren Regelbrecher, vom gefallenen Hoffnungsträger zum Altmeister.
Info
Altman
Regie: Ron Mann,
95 Min., Kanada 2014;
mit: Robert Altman, Kathryn Altman
Was ist „altmanesk“?
Der Film kommt ohne Schnörkel und Schnickschnack aus. Die Wortbeiträge der zahlreich auftretenden Hollywood-Prominenz, von den Schauspielern Lily Tomlin und Bruce Willis bis zum Regisseur Paul Thomas Anderson, beschränken sich auf die Beantwortung einer einzigen, immer wieder gestellten Frage: Was ist „altmanesk“? Ihre verschiedenen Antworten dienen als Zwischentitel der chronologisch erzählten Lebensgeschichte.
Offizieller Filmtrailer (engl.)
Vom Industriefilm über TV zum Kino
Im Gegensatz zu vielen Kollegen wie Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese, die ihr Handwerk in der B-movie-Werkstatt von Roger Corman lernten, begann Altman als Industriefilmer; ein Job, der Pragmatismus und Kreativität erfordert, aber keine künstlerischen Ambitionen. Die entwickelte der Jungregisseur erst, als er zum Fernsehen wechselte.
Dort machte er damit von sich reden, dass er zwei Figuren gleichzeitig sprechen ließ – zu dieser Zeit ein Tabu. Altman wollte so drehen, wie das Leben war; manchmal eben unordentlich. Doch gegen die festgefahrenen Schemata der TV-Serienunterhaltung vermochte Altman im Alleingang nichts auszurichten; so ging er zum Kino.
Einführung des Mehrkanalton-Verfahrens
Um 1970 begann die Blütezeit von New Hollywood. Obwohl Altman eigentlich zu alt war, passten seine Konzepte hervorragend in eine Phase, in der das alte Studio-System von Langhaarigen umgekrempelt wurde: Von der nouvelle vague beeinflusst, erzählten sie neue Geschichten und bürsteten alte Genres gegen den Strich.
Dazu leistete Altman mit dem gefeierten Anti-Kriegsfilm „M*A*S*H“ (1970), dem Anti-Western „McCabe und Mrs. Miller“ (1971) und dem US-Gesellschafts-Panorama „Nashville“ (1975) wichtige Beiträge. Doku-Regisseur Ron Mann erinnert daran, dass Altmans Innovationen sich nicht auf die Inszenierung beschränkten. Er setzte auch neue technische Standards, etwa mit der Einführung des Mehrkanalton-Verfahrens. Das erlaubte ihm, beim Dreh gleichzeitig ablaufende Dialoge nachträglich in den Vorder- oder Hintergrund zu mischen.
Zwischen Höhenflügen und Abstürzen
So folgt diese Doku einer zwischen Höhenflügen und Abstürzen schlingernden Karriere, markiert vom Grand Prix in Cannes 1970 für „M*A*S*H“, dem Erfolg von „Nashville“, dem Flop von „Popeye“ (1980), dem umjubelten Comeback mit „The Player“ (1992) und „Short Cuts“ (1993) sowie dem Alterswerk mit „Gosford Park“ (2001) und „Last Radio Show“ (2006). Von seinen Filmen zählen heute rund die Hälfte zum Kanon des Hollywood-Autorenfilms.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Martin Scorsese” - weltweit erste Werkschau des Regisseurs im Museum für Film und Fernsehen, Berlin
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Maximale Bedeutung im Chaos
Ron Mann gelingt es, Altmans Meisterschaft auf seine eigene Doku anzuwenden, ohne selbst altmanesk zu werden: Durch kluge, unaufdringliche Montage bringt er komplexe Zusammenhänge auf den Punkt und schafft dabei Raum für Zwischentöne. Er nimmt den Zuschauer bei der Hand, stößt ihn aber nicht ständig mit der Nase auf das Offensichtliche. Und er setzt ein ausuferndes Star-Ensemble behutsam und effektvoll ein.
Was ist altmanesk? Vielleicht: aus organisiertem Chaos ein Maximum an Bedeutung herauszuholen. Wie in der legendären, achteinhalb Minuten lang ungeschnittenen Eröffnungssequenz von „The Player“, in der etliche absurde, aber in diesem Kontext plausibel erscheinende Filmprojekte präsentiert werden, während zwei Charaktere über lange, ungeschnittene Eröffnungssequenzen fachsimpeln. Einer von vielen Momenten für die Ewigkeit, die Robert Altman geschaffen hat: Altmeister wie ihn wird es nicht mehr oft geben.