Dubai + Sharjah

Art Dubai + 12. Sharjah Biennale

Blick in die Wandelhalle des Messegelaendes “Madinat Jumeirah” der Art Dubai. Foto: ohe
Glitzerkram war gestern: Die Messe für Gegenwartskunst in Dubai mausert sich im neunten Jahr zur seriösen Ost-West-Drehscheibe mit hochkarätigem Angebot. Dagegen schreckt die Biennale im benachbarten Sharjah durch kopflastige Sprödheit ab.

Wachsfiguren-Kabinett aus Youtube-Videoclip

 

Filigrane Ornament-Techniken haben im Orient eine lange Tradition und werden auch von zeitgenössischen Künstlern virtuos gehandhabt. Wie von Abdullah M.I. Syed bei Aicon Gallery (New York): Seine vielfach durchbrochenen und von innen beleuchteten Hängeobjekte lassen ganze Wände irisieren wie die kinetischen Lichträume des ZERO- Künstlers Otto Piene.

 

Es geht aber auch konventioneller: Das in Dubai lebende Trio Ramin und Rokni Haerizadeh plus Hesam Rahmanian verwandelt den Stand von Isabelle van den Eynde in eine Rauminstallation zum Thema Wachsfiguren-Kabinett. Ausgehend von einem Videoclip über „Madame Tussauds“ mixen sie Malerei und Skulptur von Van Eyck bis Op-Art. Kunst als mash up, inspiriert von Youtube – das scheint symptomatisch für die Generation Easy Jetset im Kunstbetrieb.

 

32.000 Euro für Gert + Uwe Tobias

 

Die Niederländerin van den Eynde hat ihre Galerie in Dubai 2004 eröffnet; sie tritt als umtriebige Fördererin der lokalen Szene hervor. Andere europäische Galerien reisen bislang noch alljährlich an. Etwa die Galerie Raster aus Warschau; sie bietet hintersinnige Readymade-Skulpturen der bekannten russischen Konzeptkunst-Gruppe „Slavs and Tartars“ für 9.000 bis 13.500 Euro feil.

 

Oder die Brüsseler Galerie Rodolphe Janssen, die mehrere großformatige Leinwände von Gert und Uwe Tobias mitbrachte; eine wurde für 32.000 Euro abgesetzt. Kein Wunder: Die Mixed-Media-Siebdrucke der rumäniendeutschen Zwillinge sind ob ihrer bunten, facettenreichen Motivik auch hierzulande derzeit sehr en vogue.

 

Taschengeld für junge Praktikanten

 

So scheint sich der Abstand zwischen westlichem und nahöstlichem Kunstmarkt zusehends zu verringern. Genauer: Nicht nur die Künstler-Portfolios nähern sich einander an – viele orientalische Teilnehmer, etwa Wael Shawky, Susan Hefuna und Mona Hatoum, hatten schon im Westen viel beachtete Auftritte – sondern auch die Präsentationsformen: sachlich, dezent, serviceorientiert. Eine Unsitte des westlichen Kunstbetriebs hat Dubai jedoch ebenso übernommen: Junge Praktikanten werden in der dreimonatigen Vorbereitungszeit mit Tagessätzen von 30 US-$ abgespeist – in einer Stadt auf dem Preisniveau von New York.

 

Damit bewegt sich die „Art Dubai“ auf einer Ebene mit etablierten deutschen Kunstmessen der zweiten Reihe, etwa der „art KARLSRUHE“ – bei wohltuend weniger Rummel. Im Emirat ist der Messebesuch noch kein Freizeitvergnügen der unteren Mittelschicht. „Es geht etwas gemächlicher zu als auf anderen Messen“, berichtet Sibylle du Roy, sales director bei Janssen: „Hierher kommen nicht nur Profi-Sammler aus der ganzen Welt, die einander begehrte Werke wegschnappen, sondern auch viele Interessierte, die mehr über zeitgenössische Kunst lernen wollen.“

 

Radikales Kontrastprogramm zur „Art Dubai“

 

Einem ähnlichen Informations- und Bildungsauftrag folgt nach eigenem Verständnis die Sharjah Biennale. Wie es sich für eine echte Biennale ziemt, ist sie analog zu den großen Vorbildern von Venedig über Sao Paulo bis Kwangju auf zahlreiche Standorte verteilt: In Sharjah sind es traditionelle, aufwändig restaurierte Häuser und Pavillons aus der guten alten Zeit vor dem Ölboom.

 

Allerdings hat die koreanische Kuratorin Eungie Joo, die sonst etwa für das New Museum in New York arbeitet, der Biennale ein radikales Kontrastprogramm zur „Art Dubai“ verordnet: so kopflastig, unsinnlich und reduziert wie möglich. Dafür hat sie einige regionale Künstler seit der Nachkriegszeit ausgegraben, die modernistische Ansätze von Le Corbusier bis Hanne Darboven verfolgen, und mit Zeitgenossen kombiniert.

 

Pflichtveranstaltung ohne Attraktivität

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Common Grounds" - facettenreiche Ausstellung muslimischer Künstler in München

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "art Karlsruhe 2015" - 12. badische Kunstmesse in Karlsruhe

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “Berlin Art Week 2014″ mit den Kunstmessen abc – art berlin contemporary + Positions Berlin Art Fair in Berlin

 

Ihre Akzeptanz dürfte das kaum befördern. Dieser Nachhilfekurs in Konkreter und Konzept-Kunst, Minimal- und Serialismus lässt das Publikum ziemlich kalt. Am Hauptstandort „Sharjah Art Museum“ verlieren sich nur wenige Besucher, meist ausländische Touristen, in den weitläufigen Gebäudeflügeln. Der Sharjah Biennale droht das gleiche Schicksal wie ihrer Berliner Schwester-Schau: eine Pflichtveranstaltung bar jeder Attraktivität zu werden.

 

Also alles wie gewohnt – auf der Messe Zugängliches für das breite Publikum, auf der Ausstellung Denksport-Aufgaben für die in-crowd des Kunstbetriebs? Nicht ganz: Westliche Fantasien von überschäumender Glitterati-Kunst für Neureiche werden im selben Museum gleichfalls bedient – in der 33. Jahresausstellung des Kunstvereins von Sharjah.

 

Meterbreite Kaufhauskunst

 

Da sind sie: meterbreite Ölschinken, handwerklich perfekt in Bonbonfarben zugepinselt, mit allen Kaufhauskunst-Motiven, die das Herz begehrt – Menschen, Tiere, Sensationen, Himmelfahrt und Höllensturz. Mit Anklängen an Picasso, Dali, Miro oder Vasarely; was darf es denn sein? Preise stehen keine dran, aber mit diesen lokalen Malern lässt sich sicherlich reden. Sie werden alle Vorurteile über zahlungskräftige Abnehmer ohne Geschmack, aber mit prall gefüllten Konten sicher bestätigen.