
Abschied von der Fata Morgana: Normalerweise sind Trugbilder in der Wüste schillernder als die dürre Wirklichkeit – hier ist es umgekehrt. Aus der Ferne wurde 2007 die erste Messe im Emirat noch belächelt; als neuestes Spielzeug für Scheichs, die nach Luxuskarossen und Wolkenkratzern nun auch Kunstwerke shoppen wollten. Ob die Vorstellung von ignoranten Nabobs, denen gerissene Impresarios glitzernden Tand zu Fabelpreisen andrehen, je zutraf? Jedenfalls ist sie überholt.
Info
Art Dubai
18.03.2015 - 21.03.2015
täglich 16 bis 21.30 Uhr
in Madinat Jumeirah, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate
Zweibändiger Katalog
18 US-$
12. Sharjah Biennale
05.03.2015 - 05.06.2015
täglich 15 bis 21 Uhr
in Sharjah, diverse Standorte
Von Design Days bis World Trade
Den Anfang machen die vierten „Design Days“, laut Eigenwerbung die einzige jährliche Design-Messe in Mittel- und Südasien. Daran schließt die „Art Dubai“ an, die mittlerweile bei Galerien und Publikum international etabliert ist. Parallel dazu läuft die zehntägige „SIKKA Art Fair“, die sich auf regionale Nachwuchs-Künstler konzentriert. Anfang April soll erstmals die „World Art Fair“ mit Teilnehmern von vier Kontinenten folgen: Der Standort „Dubai World Trade Center“ darf als Hinweis gelten, was dort geboten werden dürfte.
Feature zur Kunstmesse "Art Dubai"; © Gulf News TV
Hervorragende Aufenthalts-Qualität
Außerdem findet zur gleichen Zeit die 12. Sharjah Biennale statt, die bereits seit 1993 existiert – in dieser Weltgegend eine kleine Ewigkeit. Seit 2009 wird sie von der „Sharjah Art Foundation“ ausgerichtet, die unter der Patronage der Herrscherfamilie steht; das eröffnet unbegrenzte Möglichkeiten. Für hiesige Besucher wartet die Biennale mit einer seltenen Überraschung auf: Keines der ausgestellten Exponate kann man kaufen.
Das ist auf der „Art Dubai“ naturgemäß anders. Doch merkantile Absichten werden so diskret behandelt wie in einer Edelboutique. Eintritt und Katalog-Gebühr sind moderat; niemand klebt rote Punkte an verkaufte Arbeiten, und Preise finden sich – wenn überhaupt – in winzigen Lettern notiert. Großzügig bemessene und sparsam bestückte Kojen werden von weitläufigen Wandelhallen voller Getränkestände flankiert. Die Aufenthalts-Qualität ist hervorragend, würden die hier allgegenwärtigen Immobilien-Profis sagen.
Gebauter Traum aus tausendundeiner Nacht
Alles zielt darauf ab, einer vermögenden Kundschaft den gewohnten Komfort zu bieten, ohne das Fußvolk der Schaulustigen abzuschrecken. Dazu trägt auch der Veranstaltungsort „Madinat Jumeirah“ bei. Das schönste Messegelände dieser an solchen Arealen nicht armen Retortenstadt ist ein gebauter Traum aus tausendundeiner Nacht; eine gelungene Mischung aus Alhambra, arabischem Souk und hypermoderner Business-Architektur. Samt künstlichem See mit Insel, auf der allabendlich rauschende Partys gefeiert werden – einer der wenigen Orte an der Golfküste, wo der Alkohol in Strömen fließt.
Nüchtern geht es hingegen während der Geschäftszeit zu – das heißt hier: von 16 bis 21.30 Uhr. Neben dem üblichen Beiprogramm aus Konferenz-Marathon, Auftragsprojekten, Preisverleihungen, Vermittlungs-Formaten und Sonderschau, ohne die keine Messe mehr auskommt, die etwas auf sich hält, ziehen drei große Hallen die Kunstliebhaber an.
Stelldichein der gesamten Welt
In der kleinsten soll die „Art Dubai Modern“ die Veranstaltung mit historischer Patina anreichern: 14 Galerien aus dem Raum zwischen Lissabon, Lagos und Karachi präsentieren Künstler, die in den 1940er bis 1980er Jahren aktiv waren. So schreibt die Messe an der Geschichte einer afro-arabo-asiatischen Klassischen Moderne mit.
Der Löwenanteil der insgesamt 92 Galerien aus 40 Ländern belegt aber die beiden „Contemporary“-Hallen: ein Stelldichein der gesamten Welt wie in der Stadt ringsum. Für europäische Augen sind Galerien aus Afrika und Asien wesentlich stärker vertreten als gewohnt, was die Veränderungen im globalen Kunstmarkt verdeutlicht. Dichte und Qualität ihres Angebots sind durchweg hoch; kein Teilnehmer hat einen Exotenbonus nötig.
Kunst soll optisch etwas bieten
Zudem fällt auf, wieviele Beiträge eine farbenfrohe und großflächige Formensprache verwenden, ohne deswegen gefällige, simpel gestrickte Deko-Kunst zu sein. In sub- und tropischen Breiten wird augenscheinlich von Kunst erwartet, dass sie optisch etwas zu bieten hat. Monotonen Minimalismus und karge Konzeptkunst will hier keiner sehen; ausgeblichen und –gemergelt ist schon die Wüste am Stadtrand.
Gewiss, leicht konsumierbarer Edelkitsch wird auch angeboten: etwa die mannshohen, pastos-abstrakten Farbschlachten eines Marwan Sahmerani, von denen Kashya Hildebrand (London) mehrere Exemplare um 30.000 US-$ losschlug. Oder die possierlich gehäkelten Tierfiguren von Joanna Vasconcelos bei Galleria Marie-Laure Fleisch (Rom): Nippes in Vollendung, auf den Jeff Koons neidisch sein könnte.
Edelstahldraht der Zahnmedizin
Doch die meisten Beiträge verbinden große Gesten mit Raffinement, zeigen eyecatcher mit Tiefgang. Etwa das elegant geometrische Metallband-Relief von Gülay Semercioglu, das ein lokaler Sammler für 50.000 US-$ bei Pi Artworks (Istanbul) erstand. Oder die biomorphen Netzgeflecht-Gebilde, die Maria Loizidou aus Zypern knüpft: Sie bestehen aus feinstem Edelstahldraht, der sonst von Zahnmedizinern verwendet wird (15.-25.000 Euro; Kalfayan Galleries, Athen).