Karlsruhe

art KARLSRUHE 2015

Blick in eine Messehalle der "art Karlsruhe". Foto: art-Karlsruhe.de
Messeneuheit Art-App: Die Technik rechnet aus, ob favorisierte Kunst ins heimische Wohnzimmer passt. Ansonsten kommen zur zwölften badischen Kunstmesse viele alte Bekannte: hochpreisige Klassiker und melancholische Zeitgenossen mit Lust am Analogen.

Auch im zwölften Jahr ihres Bestehens beeindruckt der Umfang der art KARLSRUHE. Sie zählt neben Köln und Basel zu den drei größten Kunstmessen im deutschsprachigen Raum: 210 Galeristen aus elf Ländern zeigen vier Tage lang Werke von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart in vier Hallen mit insgesamt 35.000 Quadratmetern Fläche.

 

Info

 

art KARLSRUHE 2015

 

05.03.2015 - 08.03.2015

täglich von 12 bis 20 Uhr, am 08.03. von 11 bis 19 Uhr

auf dem Messegelände Karlsruhe, Messeallee 1, Rheinstetten

 

Katalog 33 €

 

Weitere Informationen

 

Dabei will Messe-Initiator und Kurator Ewald Karl Schrade abermals „der Fotografie ein Gewicht geben“: Diesmal wird vor allem ungarische Fotokunst präsentiert. Im Zentrum stehen klassische Aufnahmen von Robert Capa; er kam 1913 als Endre Ernő Friedmann in Budapest zur Welt.

 

Bambi-Figuren für Karlsruhe

 

Auf einem der 19 „Skulpturenplätze“ stellt Schades eigene Galerie Schloss Mochental mobile Skulpturen von Jörg Wiele aus. Außerdem feiert in diesem Jahr die Stadt Karlsruhe den 300. Jahrestag ihrer Gründung – und bereichert die Messe mit „Bambi“-Plastiken aus der Majolika: Ja, die Tierfigur für den deutschen Fernsehpreis wurde 1936 in Karlsruhe gestaltet.


Impressionen der Kunstmesse


 

Some like it cool

 

Seit einiger Zeit bietet die Messe auch repräsentativen Privatsammlungen ein Podium. In diesem Jahr wird die Sammlung von Peter Schaufler gezeigt, der sein Geld mit Kältetechnik verdient: unter dem Titel „Some like it cool“. Ansonsten im „Schauwerk Sindelfingen“ untergebracht, ist hier eine Auswahl zu sehen: etwa die acht Meter lange Spiegel-Installation „Split“ von Gary Webb und minimalistisch kühle Arbeiten von Jason Martin, Peter Halley und Subodh Gupta.

 

Ähnlich wie Schauflers Kollektion kann die Galerie Ludorff aus Düsseldorf mit mancher öffentlichen Kunsthalle konkurrieren. Das exquisite Angebot großer Namen brilliert auch bei kleinen Formaten, etwa einer Bleistiftzeichnung von Picassos: „Les Déjeneurs“. Die Galerie Valentien aus Stuttgart zeigt „Lukas Cranach und die Folgen“ aus eigenen Beständen.

 

Schrift-Zeichen

 

Unterstrichen wird der Anspruch der Messe, nicht nur ein Handelsplatz zu sein, seit 2008 auch durch den „Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift“, den die gleichnamige Stiftung vergibt: in diesem Jahr an Rikuo Ueda. Der japanische Künstler bezieht häufig Luftbewegungen ein und lässt den Wind „mitwirken“. Dagegen arbeitet Vera Röhm seit 1985 an einer Mammut-Installation: „Die Nacht ist der Schatten der Erde“ (märz galerie mannheim). Der von Platon inspirierte Satz ist in 76 Sprachen auf schwarzen Kuben von 100 Zentimeter Kantenlänge zu lesen (je 22.000 Euro).

 

Neon-Schriften der Berliner Galerie Circle Culture schlagen einen Lichtbogen zum Messestand des Karlsruher „Zentrums für Kunst und Medientechnologie“ (ZKM). Auf einem Riesenmonitor erklären ZKM-Chef Peter Weibel und andere Experten in Laufschrift dem Publikum die – selbstredend digitale – Zukunft der Kunst. Ergänzt von der erstmals angebotenen Art-App: Sie führt dem Betrachter vor, ob Werke zur eigenen Wohnungseinrichtung passen.

 

What the fuck is Heimat?

 

Allerdings zeichnen sich auf dieser Messe viele Arbeiten durch ihre Lust am Analogen aus, mit wenig Affinität zu Weibels multimedial globalisierten ZKM-Projekten. Kuckucksuhren und Heimat-Müllcontainer des Offenburgers Stefan Strumbel bei Circle Culture sind bösartig bodenständig. Karlsruhes Nachbarstadt Bruchsal feiert in diesem Jahr „Heimattage“; auf ihnen wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann, einst Revoluzzer im maoistischen KBW, samt Gattin auftreten. So weht der Zeitgeist im Ländle. Das kontert Messe-Kurator Schrade mit dem Aufkleber „What the fuck is Heimat?“ auf seinem knallroten E-Mobil.

 

Wobei die Auseinandersetzung mit Heimat und Ursprung häufig süß und üppig daherkommt. Etwa bei Strumbels Tortenstücken oder Robert Matthes: Er verbindet Tierversuche an Schimpansen mit Konditoreiwaren (Galerie Cyprian Brenner). Auf Bildern von Anna Bittersohl breiten sich ausschweifende Picknicks im Vordergrund vor urwaldähnlichen Auenlandschaften aus; etwa „Bridging the Abbys“ für 7.800 Euro (Brennecke, Berlin). Und in vielen Messekojen lauern barocke Frauenfiguren, oft bondagiert (Annette Merrild bei Galerie Schultz, Berlin) oder im freien Sprung (Lilli Hill bei Klaus Kiefer – Essen).

 

Verfall, Melancholie + Augentäuschung

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Bericht über die Kunstmesse "art KARLSRUHE 2014" in Karlsruhe

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Subodh Gupta – Everything is inside" - Werkschau des indischen Künstlers im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Main

 

und hier einen Beitrag über die "Berlin Art Week 2014" mit den Kunstmessen abc – art berlin contemporary + Positions Berlin Art Fair in Berlin

 

und hier eine Besprechung der Kunstmesse "art KARLSRUHE 2012" in Karlsruhe.

 

Andere Themen, die auffallend häufig auftauchen, sind Verfall und Melancholie. Die bürgerlichen Raum-Interieurs von Anne-Françoise Coulomy (Galerie Meier, Freiburg) erscheinen ebenso menschenleer wie die zerfallenden Schlösser von Niki Feijen (Lauth, Ludwigshafen). Vincent Wenzel kennt Figuren in seinen ruinösen Holzhütten-Anlagen nur als Puppen – unter dem Titel „Unterholz“ (Westphal, Berlin).

 

Seltsam altmeisterlich wirken die Skulpturen von Andreas Theurer bei Tammen & Partner: Material ist für ihn „nicht so wichtig wie die Oberfläche“. So gestaltet er futuristisch anmutende Hochhaus-Architektur aus Pappe, angeschabt und mit Leinöl verdichtet – oder er schnitzt Steinportale aus Holz. Für sein trompe l’œil zitiert er historische Vorbilder: „Im Barock war der Marmor nur gemalt.“ Auch ein mögliches Motto für diese Kunstmesse.

 

Einsame revolutionäre Gesten

 

Schon bei vergangenen Messen präsent, sind abermals die Gartenzwerge von Ottmar Hörl zu sehen. Rot und überdimensioniert steht einer mit gestrecktem Mittelfinger als one artist show bei der Galerie Kasten aus Mannheim: Heimat allüberall.

 

Aktionskünstler HA Schult hat seine altbekannten Gestalten aus Getränkedosen mitgebracht, die vom Dosenpfand längst ironisch überholt sind. An seinem Stand plaudert er über Wasserproben, die er an allen Orten entnehme, an denen er lebe: „So macht die Natur für mich Kunst.“ Aktueller ist eine rote Gasflasche mit aufgesprühtem bärtigem Imam (DavisKlemmGallery, Wiesbaden), doch sie steht ähnlich einsam da wie Hörls Gartenzwerg: Politische Kunst fühlt sich auf einer Messe nicht wirklich zuhause.