Diese Sternbilder sind zum Sterben schön. Allerdings tragen die Gestirne in den „Constellations“ von Bouchra Khalili aus Marokko Städtenamen: Gepunktete Linien verbinden Mogadischu mit Bari in Süditalien, Bamako in Mali über Dubai und Dhaka mit Rom, oder Tunis in einer weiten Schleife mit Marseille.
Info
Common Grounds
12.02.2015 - 17.05.2015
täglich außer montags
11 bis 18 Uhr
in der Villa Stuck, Prinzregentenstr. 60, München
Katalog 30 €
Nur ein Künstler nicht im Exil
„Constellations“ ist Teil der sehenswerten Ausstellung „Common Grounds“, im Münchner Museum Villa Stuck. Kuratorin Verena Hein trug dafür Filme, Foto-Arbeiten, Installationen, Skulpturen und Gemälde von zwölf Künstlern bzw. -kollektiven zusammen, die aus den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens stammen. Bis auf den saudischen Arzt und Künstler Ahmed Mater leben sie allerdings alle längst im Exil.
Impressionen der Ausstellung "Mecca Journeys" vom Ahmed Mater;© Culturunners
Individuen, keine Landes-Vetreter
„Common Grounds“ ist ein Begriff der Kommunikationswissenschaft; er meint den gemeinsamen Wissensraum, auf dessen Basis sich Gesprächspartner verständigen können. Dieser Titel kann als Frage, Behauptung und Forderung zugleich verstanden werden. Doch wer sind hier die Gesprächspartner – „wir“ und „die Anderen“? Die Konturen sind verwischt, wie die Biografien aller Beteiligten zeigen. Jeder dieser Künstler agiert als Individuum, nicht als Vertreter eines Landes; sei es westlich geprägt, arabisch oder persisch.
Manche Exponate fußen auf Traditionen der islamischen Kunst, ohne den Islam selbst zum Thema zu machen. Etwa die Spiegel-Objekte des saudischen Architekten und Kalligraphen Nasser Al Salem, der sich zugleich auf minimal art bezieht. Oder die abstrakten Gemälde des palästinensischen Malers Hazem Harb, deren hermetische Raumstrukturen plastisch werden.
Mekka-Pilger füllen Autobahn
Dagegen dokumentiert Ahmed Mater in seinen detailreichen, großformatigen Fotografien den irrwitzigen Wandel seiner Heimatstadt Mekka: Das Heiligtum der Kaaba verschwindet winzig klein hinter Wolkenkratzern. Gigantische Pilgerströme füllen ein Wege-System von den Dimensionen einer Autobahn. Andere Aufnahmen halten aus der Vogelperspektive das traditionelle Wohnviertel Al Mansur fest, das inzwischen abgerissen wurde.
Zwischen Susan Hefuna (geboren 1962) und Sophia Al Marias (geboren 1979) aus Ägypten liegt eine Generation; doch beide thematisieren in ihrem Werk die Stellung der Frau in der arabischen Welt und zeigen die Enge ihres Lebensraumes. Bei Parastou Forouhar aus dem Iran ist dagegen das Ornament – frei nach Adolf Loos – wirklich ein Verbrechen: In ihrer Wandarbeit „Zeit der Schmetterlinge“ sind Schönheit und Schrecken miteinander verwoben.
Höllisch dekorative Tapete
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Dokumentarfilms "Art War" von Marco Wilms über die Street-Art-Szene in Kairo
und hier eine Besprechung der Ausstellung “Cabaret Crusades + Al Araba Al Madfuna” des Ägypters Wael Shawky auf der documenta 13 in Kassel + in den KunstWerken, Berlin
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Abbas Kiarostami: Stille und bewegte Bilder" - Landschafts-Fotografie des iranischen Filmemachers in der Kunsthalle Situation Kunst, Bochum.
Ebenfalls von Trauer umweht sind die filigranen Schätze von Abbas Akhavan, die wie sterbliche Überreste von Menschen auf weißen Tüchern über dem Boden ausgebreitet sind. Bei den betörend zarten Bronze-Plastiken von „Studies for a Hanging Garden“ handelt es sich um Abgüsse von Pflanzen, die nur im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris vorkommen, aber nun vom Aussterben bedroht sind – nicht zuletzt durch den Irak-Krieg.
Subtil vermittelte Wahrheiten
Diese Ausstellung überzeugt auch deshalb, weil die präsentierten Werke niemals effekthascherisch zugespitzt sind, sondern ihre Wahrheiten subtil vermitteln. „Common Grounds“ nivelliert nicht die Unterschiede zwischen verschiedenen Traditionen. Aber die Schau betont in einer Zeit, in der die Kluft zwischen den Kulturen zuweilen als unüberwindbar dargestellt wird, eine gemeinsame Basis künstlerischen Schaffens: die Verzweiflung über den Zustand der Welt und dennoch die Hoffnung, dass eine bessere nicht unmöglich ist.