Frankfurt am Main

Filmtheater – Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre

Fox Theater, Inglewood; © Yves Marchand and Romain Meffre. Courtesy Polka Galerie, Paris. Fotoquelle: Filmmuseum, Frankfurt am Main
Wenn die Leinwand für immer dunkel bleibt: Die Fotografen Yves Marchand und Romain Meffre dokumentieren heruntergekommene Kinopaläste. Manche dienen als Sporthalle, Supermarkt oder Busgarage, wie die Schau im Deutschen Filmmuseum zeigt.

Verwahrlosung und Verfall, wohin man schaut: In den ehemaligen US-Kinos, die von Yves Marchand und Romain Meffre fotografiert wurden, ist die letzte Vorstellung schon lange vorbei. 30 ihrer großformatigen Aufnahmen stellt nun das Deutsche Filmmuseum aus: eine schockierende Bestandsaufnahme von Leerstand und unsensiblen Umnutzungen.

 

Info

 

Filmtheater – Kinofotografien von Yves Marchand + Romain Meffre

 

06.11.2014 - 31.05.2015

täglich außer montags,

10 bis 18 Uhr,

mittwochs bis 20 Uhr im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt am Main

 

Weitere Informationen

 

Diese Elends-Chronik lässt das Herz aller Cinephilen bluten, die prächtige Filmtheater als passenden Rahmen für bewegende Leinwand-Epen betrachten. Früher konnten sie unter zahllosen glamourösen Kinopalästen wählen: Im Heimatland von Hollywood wurden allein in den acht Jahren von 1914 bis 1922 rund 4.000 Lichtspielhäuser eröffnet.

 

Kinosterben ab Ende der 1950er

 

Der Kino-Boom erreichte seinen Höhepunkt in den 1930er Jahren. Der Siegeszug des Fernsehens löste ab Ende der 1950er Jahre dies- und jenseits des Atlantiks ein großes Kinosterben aus. Es ließ sich durch die Aufteilung geräumiger Säle in Schuhschachtel-Kinos kaum aufhalten: Immer mehr Häuser wurden zweckentfremdet oder schlossen für immer.

 

Auf verblichenen Glanz ist das französische Fotografen-Duo spezialisiert. 2006 begannen Marchand und Meffre mit der Fotoserie „The Ruins of Detroit“: In der verwaisten Innenstadt lichteten sie leer stehende Bürogebäude und Fabriken ab. Dabei entdeckten sie entweihte Tempel der Populärkultur und widmeten ihnen die Serie „Theaters“, an der sie bis heute arbeiten.

 

Wie Höhlenforscher ins Dunkel tauchen

 

Unter erschwerten Bedingungen: Wo es keine funktionierende Beleuchtung mehr gibt, müssen sie wie Höhlenforscher bewegliche Halogenlampen benutzen. Die Langzeit-Belichtungen ihrer Großformat-Kamera dauern bis zu einer Stunde. Was Marchand und Meffre damit festhalten, ist für Kinoliebhaber starker Tobak.

 

Vom 1930 in Detroit eröffneten „Eastern Theater“ ist nicht mehr viel übrig. Unter der bemalten Kuppel erstreckt sich ein Bild der Verwüstung: Wände, Ränge und Stühle sind komplett abbruchreif. Der Boden ist ein einziger Schutthaufen, gespickt von alten Autoreifen. Dabei hatte der Palast lange gegen das Aus gekämpft: Ab 1967 wurden hier Rockkonzerte veranstaltet, später kamen Jazzer und Künstler. Bis 1984 hielt sich ein Pornokino. In den 1990er Jahren fanden im Saal noch rave-Tanznächte statt; seit der Jahrtausendwende steht er leer.

 

Werbetafeln zwischen Halbrelief-Säulen

 

Auch die übrigen gezeigten Filmtheater sind mehr oder weniger ramponiert; am besten erhalten blieben jene, die anderweitig genutzt wurden. Das 1928 eröffnete „Paramount Theater“ in Brooklyn diente nach Ende des Kinobetriebs eine Weile als Konzerthalle für Weltstars wie Miles Davis und Frank Sinatra. Heute spielt hier ein regionales Basketballteam. Andere Kinos wurden zur Tauschbörse oder Busgarage umgewidmet.

 

Hintergrund

 

Sehen Sie hier ein Video-Interview auf Französisch mit Yves Marchand + Romain Meffre samt Impressionen ihrer Filmtheater-Kinofotografien.

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "The Ruins of Detroit" mit Fotografien von Yves Marchand + Romain Meffre im Kühlhaus, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung “Cinema of the Future” über Kino-Konzepte für die Zukunft im Architekturforum Aedes, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Am Set: Paris – Babelsberg – Hollywood" - Standfotografien der Kino-Geschichte 1910 bis 1939 sowie der Gegenwart in der Deutschen Kinemathek, Berlin.

 

Besonders hart erwischte es das „Rivoli Theater“ in Berkeley: Es wurde zum Supermarkt umgebaut. Zwar wird die üppig bemalte Kuppel noch optisch von Halbrelief-Säulen getragen. Doch zwischen ihnen stehen hässliche Gipskarton-Platten mit Werbeslogans und banale Regal-Reihen.

 

Fitness unter Alhambra-Arabesken

 

Auch dem „Alhambra Theater“ in San Francisco, das von 1926 bis 1998 als Kino diente, wurde übel mitgespielt: Nun beherbergt es ein Fitness-Studio. In opulentem Ambiente: Mit viel Liebe zum Detail wurden die islamischen Arabesken des weltberühmten Bauwerks im spanischen Granada nachgebildet. Die prächtige Kuppel und die kunstvoll verzierten Wände sind perfekt erhalten, doch sie umhüllen einen Irrgarten aus klobigen Trainings-Maschinen.

 

Ergänzt wird die Fotoserie durch eine Dokumentation zur Entwicklung in Deutschland. Zwar verlief sie ähnlich wie in den USA: Von beispielsweise 85 Lichtspielhäusern, die es 1959 in Frankfurt gab, sind heute nur noch 14 übrig. Doch von flächendeckendem Kinosterben kann keine Rede sein.

 

Konzentrations-Prozess der Branche

 

Die Zahl aller deutschen Spielstätten sank zwischen 1995 und 2000 zwar deutlich, die der Kinosäle wuchs aber kräftig: um mehr als ein Fünftel. Seither pendelt sie zwischen 4.700 und 4.900 Leinwänden. Die Branche erlebt einen Konzentrations-Prozess wie der Handel: Kleine Kinos machen dicht, Multiplexe legen zu. Zumindest solange, bis jeder Haushalt Video on Demand hat.