
Nach 50 Jahren internationaler Isolation ist das Interesse enorm: Zwei große Ausstellungen in München und Stuttgart zur gleichen Zeit widmen sich Myanmar. Das südostasiatische Land hieß bis 1989 Burma und wurde ein halbes Jahrhundert lang von einer brutalen Militär-Diktatur beherrscht. Seit 2011 demokratisiert sich der Vielvölkerstaat und öffnet sich wieder der Außenwelt – Grund genug, seine kaum bekannte Kultur endlich ausgiebig vorzustellen.
Info
Myanmar - Von Pagoden, Longyis und Nat-Geistern
19.09.2014 - 03.04.2016
täglich außer montags
9.30 bis 17.30 Uhr
im Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, München
Begleitband 24,80 €
Flickenteppich aus 135 Völkern
Neben der größten Volksgruppe Myanmar zählen zu den 57 Millionen Einwohnern – je nach Unterteilung – zwischen 68 und 135 Völker, die Dutzende von Idiomen aus fünf verschiedenen Sprachfamilien sprechen; einige davon kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Zentralregierung. Diesen kulturellen Flickenteppich in seiner ganzen Vielfalt will die multimedial inszenierte Schau ausrollen.
Impressionen der Ausstellungen
Zweitgrößter Opium-Exporteur der Welt
Sie schickt den Besucher auf eine Reise durch zwölf Räume, in denen historische Exponate mit heutigen Alltagsgegenständen kontrastiert werden. Man durchquert quasi das ganze Land – etwa doppelt so groß wie die Bundesrepublik – von der Südküste am Indischen Ozean bis in den gebirgigen Norden.
Es geht los mit einem kleinen Marktplatz, der mit echten Waren bestückt ist. Märkte sind die sozialen und kommunikativen Zentren des Landes, wovon die Überfülle exotischer Produkte zeugt: von traditioneller Medizin und longyi-Beinkleidern bis zu quietschbunten Plastik-Importen. Beiläufig erfährt man, dass aus dem „Goldenen Dreieck“ im Nordosten von Myanmar viel Opium exportiert wird: nach Afghanistan die zweitgrößte Menge der Welt.
Brillen-Buddha heilt Augenleiden
Dann folgen Einblicke in den Theravada-Buddhismus, dem fast 90 Prozent der Bevölkerung angehören. Aufwändig geschmückte Pagoden, Schreine und Tempel-Figuren sowie rituelle Kleider und Gerätschaften zeugen von der tiefen Gläubigkeit im Land, das rund 400.000 Mönche zählt. Sie genießen hohes Ansehen; jeder Knabe geht mit sieben Jahren für einige Zeit ins Kloster. Freundlich-lebenspraktisch zeigt sich die Religion beim weltweit einzigen „Brillen-Buddha“ von Schwedaung – zuständig für Augenleiden aller Art.
Die Tour führt weiter ins Landesinnere: Man trifft auf Speere, Helme und mit Affen-Schädeln dekorierten Kriegsschmuck des wehrhaften Naga-Volkes, das beiderseits der Grenze zu Indien lebt. Derlei kauften die Shermans; dagegen erhielten sie schöne Trachten der Katurr-Palaung-Frauen von Stammesfürsten geschenkt. Den Schmuck der Chin-Frauen konnten die Reisenden aber nicht mitnehmen: Sie tragen großflächige Tätowierungen im Gesicht.
Musiker sitzt im Trommel-Kreis
Danach werden die geschickten Einbein-Ruderer vom Inle-See vorgestellt. Auf diesem Gewässer wird Gemüse in „schwimmenden Gärten“ gezogen; deren Wasserbedarf lässt jedoch den See langsam austrocknen. Man begegnet auch den Fischern am Chindwhin-Fluss. Die umliegenden Wälder lieferten schon den Briten das begehrte Teakholz; es ist bis heute neben Edelsteinen wie Rubinen einer der wichtigsten Exportartikel von Myanmar.
Wichtige Elemente der Kultur von Myanmar sind Musik und Marionetten-Theater. Traditionelle Ensembles spielen 32 Trommeln, mehr als 70 Gongs und weitere Instrumente. Die Trommeln sind zum hsaing waing-Kreis angeordnet; der Musiker sitzt mittendrin. Ihn begleiten Klänge von Krokodil-Zithern und Bogenharfen. Ähnlich eindrucksvoll ist eine große silberne Kesseltrommel des Shan-Volkes; damit werden Geister der Ahnen besänftigt.