Mark Burton & Richard Starzak

Shaun das Schaf − Der Film

Shaun das Schaf bereitet sich auf seinen ersten Kinofilm vor. Foto: Studiocanal
(Kinostart: 19.3.) Weg mit dem Pulli aus eigener Wolle: In seinem ersten Kinofilm stürzt sich Shaun mit seiner Schafherde ins Getümmel von London. Der jüngste Plastilin-Film der britischen Aardman-Studios katapultiert Slapstick in eine neue Dimension.

Shaun das Schaf hatte seinen ersten Auftritt im Animationsfilm „Wallace & Gromit unter Schafen“ (1995): als kleinstes, aber schlauestes Schafe der Herde, die der Erfinder und sein kluger Hund damals vor dem Fleischwolf retten mussten. Shaun war auch das erste Schaf, an dem Wallace seine Scher- und Strickmaschine ausprobierte: Fortan trug das pfiffige Lamm einen Pullover aus der eigenen Wolle − und kam auf diese Weise zu seinem Namen: eine Anspielung auf „shorn“ (geschoren).

 

Info

 

Shaun das Schaf −
Der Film

 

Regie: Mark Burton & Richard Starzak

85 Min., Großbritannien 2014;

mit: Shaun das Schaf, Hund Bitzer, die Herde, der Bauer

 

Website zum Film

 

Aus dem Pullover ist Shaun mittlerweile herausgewachsen. Und mehr als das: Die Karriere des charakterstarken Plastilin-Schafs ging seither steil nach oben. Shaun bekam eine eigene TV-Show, die vor allem Kinder ansprach, sowie einen sidekick namens Timmy. Dazu kamen merchandising-Produkte wie Rucksäcke, Flausch- und Vinyl-Figuren, Brett- und Computerspiele.

 

Zwei Ebenen für jung + alt

 

Doch beim ersten Kinofilm mit Shaun als Hauptfigur kommen Eltern, Tanten, Onkels und andere Begleit- und Aufsichtspersonen ebenfalls auf ihre Kosten: Wie alle Spielfilme der britischen Aardman-Studios funktioniert auch dieser auf zwei Ebenen. Im Gegensatz zu „Chicken Run“ (2000) oder „Die Piraten!“ (2012) richtet er sich allerdings primär an die Allerjüngsten.


Offizieller Filmtrailer


 

Schafe wissen, wie man Leute einschläfert

 

So beginnt die Handlung, wie aus dem TV gewohnt, recht behäbig mit der Routine auf dem Bauernhof des „Farmers“. Der namenlose Landwirt und sein Schäferhund Bitzer sind quasi die hinterwäldlerischen Cousins der technologiebegeisterten Wallace & Gromit; sie gebieten über eine kleine Schafherde, drei dumme Schweine und einen Stier.

 

Shaun ist hier zuhause und von der Einförmigkeit des Landlebens und seiner regelmäßig geschorenen Dorfdeppen-Frisur wenig begeistert. Also beschließt er, den Farmer mit ein paar Tricks für eine Weile aus dem Weg zu räumen, um sich und den anderen Schafen einen freien Tag zu ergaunern. Der Plan geht auf, doch durch ein Missgeschick des nicht besonders hellen Bitzer rast bald ein tief schlummernder Farmer − Schafe wissen, wie man Leute einschläfert − in seinem Wohnwagen in Richtung Großstadt.

 

Diabolischer Tierfänger auf Shauns Spuren

 

Die entpuppt sich als Plastilin-Ebenbild von London, das mit enormer Liebe zum Detail und realitätsnaher Multi-Ethnizität gestaltet wurde: Deutsche Kinderfilme, die auffällig oft in seltsam national befreit wirkenden Zonen spielen, könnten sich hiervon eine Scheibe abschneiden.

 

Der treue Bitzer ist seinem Herren dicht auf den Fersen, wird aber in Schwierigkeiten verwickelt. So sieht sich Shaun in der Pflicht, Hund und Herrchen zu finden und beide zurück auf die Farm zu bringen. Natürlich folgen ihm Timmy und die Herde − aber auch ein diabolischer Tierfänger hat bereits Shauns Witterung aufgenommen.

 

Tarnung als „Shaun“-Rucksack

 

Dann stürzen sich die überzeugten Provinzler in ihre Großstadt-Abenteuer. Der Farmer verliert sein Gedächtnis und macht ausgerechnet als In-Friseur von sich reden, während Bitzer nach einem herrlich komisch gescheiterten Versuch, sich als Chirurg zu tarnen, im Tierasyl landet: Dort trifft er Charaktere aus allerlei Film-Klassikern. Derweil macht die Herde die City unsicher. Sicherheitshalber verkleiden sich die Schafe auf ihrer Rettungsmission als Menschen, wobei Timmy sich praktischerweise als „Shaun“-Rucksack tarnt.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Wie der Wind sich hebt" - grandioser Animations-Historienfilm von Hayao Miyazaki

 

und hier einen Bericht über den Film “The Congress”  – Science-Fiction-Animationsfilm von Ari Folman mit Robin Wright nach dem Roman von Stanislaw Lem

 

und hier einen Beitrag über den Film "Chico & Rita" - jazzige Animations-Love-Story in Kuba von Fernando Trueba + Javier Mariscal, Europäischer Filmpreis 2011.

 

Wie alle Filme der Aardman-Studios basiert auch „Shaun das Schaf“ auf der arbeitsintensiven stop-motion-Technik: Die Figuren bestehen aus formbarem Plastilin, das auf Drahtgestelle modelliert wird, weshalb die Branche auch von claymotion spricht.

 

Gibberish meets gobbledegook

 

Was die Animateure an Drama, timing und Charakterisierung leisten, ist nach mehr als 20 Jahren Erfahrung ziemlich unerreicht. Trotz der kindgerechten Erzählung nimmt der Film von Szene zu Szene Fahrt auf, und trotz rührender Szenen blitzt an jeder Straßenecke typisch britischer Humor auf.

 

Der bleibt übrigens erhalten, obwohl die Übertragung ins Deutsche öfter mal daneben liegt: In Shauns Welt reden Mensch und Tier in einem universalen, nonverbalen gibberish. Dazu passt, dass die britische Humor-Ikone Stanley Unwin, der Erfinder des gobbledegook-Kauderwelsch, einen cameo-Auftritt als Lautsprecher-Ansager hat.

 

Indiana Jones meets Terminator

 

Darüber hinaus funktioniert „Shaun das Schaf“ gleichsam als Stummfilm mit hervorragendem Soundtrack − abgesehen von Tim Bendzkos Schlussnummer − und einer Fülle von Slapstick-Einlagen, welche die Kunst von Charlie Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd auf eine neue, quietschbunte Ebene heben. Das Finale ist erwartungsgemäß eine Massen-Verfolgungsszene, die mit Zitaten aus „Indiana Jones“-, „Terminator“- und anderen Aardman-Filmen gespickt ist: ein rundum gelungener, sprichwörtlicher Film für jung und alt.