Kate Winslet

Die Gärtnerin von Versailles

König Ludwig XIV. (Alan Rickman) und Sabine De Barra (Kate Winslet) mit Hofstaat. Foto: Tobis, Berlin
(Kinostart: 30.4.) Eitel Sonnenschein am Hof des Sonnenkönigs: Regisseur Alan Rickman lässt eine Gärtnerin die Gunst des Monarchen und das Herz seines Architekten gewinnen. Hübsch kostümiert und anzusehen – doch barocker Gartenbau spielt keine Rolle.

Manche Berufsgruppen werden vom Kulturbetrieb sträflich vernachlässigt. Etwa Gärtner: Sie tauchen allenfalls als Mörder in schlechten Krimis auf. Ihre lebenswichtige Fähigkeit, die Menschheit mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen, wurde allenfalls von Alten Meistern auf niederländischen Genre-Bildern gewürdigt. Und die Gartenkünstler, die Landschaft in herrliche Parks und Grünanlagen verwandeln, werden von der Kunst meist ignoriert.

 

Info

 

Die Gärtnerin von Versailles

 

Regie: Alan Rickman,

117 Min., Großbritannien 2014;

mit: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Stanley Tucci

 

Website zum Film

 

Auch im Kino kommt Hortikultur kaum vor. Ralph Fiennes als „Der ewige Gärtner“ (2005) im Film von Fernando Meirelles sorgte sich nicht um Blumenbeete, sondern um Machenschaften der Pharmaindustrie in Afrika. Insofern beackert der britische Schauspieler Alan Rickman mit seiner zweiten Regie-Arbeit „Die Gärtnerin von Versailles“ brachliegendes Terrain; das könnte reiche Früchte tragen.

 

Le Nôtre engagiert Unbekannte

 

Die Handlung spielt im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts: Sonnenkönig Louis XIV., gespielt von Rickman selbst, lässt den riesigen Schlosspark von Versailles anlegen. Damit betraut ist André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts), der für die Residenz den Prototyp eines Barockgartens entwickelt. Dafür braucht er Helfer – und engagiert die unbekannte Gärtnerin Sabine De Barra (Kate Winslet), weil ihm an ihren Entwürfen „a little chaos“ gefällt; so der Originaltitel des Films.

Offizieller Filmtrailer


 

Steiler Aufstieg mit rosenfrischem Teint

 

Chaotisch geht es aber überhaupt nicht zu, sondern so wohlgeordnet und schnurgerade wie die Axialsymmetrie im Park. Die erfundene Gärtnerin geht tatkräftig an die Arbeit und erntet dafür überall nur Wohlwollen. Zwar stapft sie durch den Matsch und macht sich beim Graben, Pflanzen und Jäten auch die Hände schmutzig. Doch in der nächsten Szene glänzt sie wieder in blütenreinen Roben mit rosenfrischem Teint – comme il faut laut höfischer Etikette.

 

Was nötig ist, denn auf sie wartet ein steiler sozialer Aufstieg. Natürlich wirft Le Nôtre, der unter der Fuchtel seiner durchtriebenen Gattin steht, von Anfang an ein Auge auf sie. Auch alle übrigen Höflinge mit ellenlangen Adelstiteln reißen sich darum, der rustikalen Bürgerlichen den Weg zu ebnen.

 

Schicksalsschlag würzt süßliche Idylle

 

Von Kabinett zu Boudoir wird sie nach oben durchgereicht, bis sie vor versammeltem Hofstaat dem König persönlich Bauernweisheiten vortragen darf. Da kennt sie den Monarchen längst, nach einem Inkognito-Stelldichein unterm Birnbaum. Huldvoll nimmt er ihre Sentenzen entgegen; pflichtschuldig ist er vom Ballsaal-Boskett entzückt, das sie im Park angelegt hat. Und endlich darf Le Nôtre seinen Augenstern, der sich lange zierte, liebend in die Arme schließen.

 

Kate Winslet spielt diese Powerfrau, die im Eiltempo alle Klassenschranken des Feudalismus durchbricht, als Unschuld vom Lande, die kaum weiß, wie ihr geschieht. Ihr macht noch der Unfalltod von Mann und Kind zu schaffen, den sie nicht verwinden kann: eine Prise Tragik soll die süßliche Idylle zartbitter würzen.

 

Wie remake von „Angélique“-Filmen

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films Leb wohl, meine Königin! - Historiendrama über Marie Antoinette, Frankreichs letzte Monarchin, von Benoît Jacquot

 

und hier einen Beitrag über den Film "Mary - Königin von Schottland" - exzellent inszeniertes Historiendrama von Thomas Imbach

 

und hier einen Bericht über den Film "Der Geschmack von Rost und Knochen" - körperbetontes Melodram von Jacques Audiard mit Matthias Schoenaerts

 

und hier eine Rezension des Films "Bullhead" - belgisches Rinderzüchter-Psychodrama von Michaël R. Roskam mit Matthias Schoenaerts.

 

Ansonsten ist alles eitel Sonnenschein am Hof des Sonnenkönigs. Matthias Schoenaerts brillierte in „Bullhead“ (2011) und „Der Geschmack von Rost und Knochen“ (2013) als explosives Kraftpaket. Hier gibt er den Schlosspark-Schöpfer als melancholischen Grübler, der sehnsüchtig schmachtet und über die Tugend der Pflanzen sinniert, sich allem anzupassen. Und Rickman lässt seinen Monarchen in maliziöser Ironie schwelgen; der Macht überdrüssig und nur an Lustbarkeiten interessiert.

 

Mit dem realen Absolutismus hat dieses Mauerblümchen-blüht-auf-Lustspiel wenig zu tun. Es wirkt wie ein remake von Historienfilmen der 1960er Jahre, etwa der Verfilmungen von „Angélique“-Romanen, bei denen das ancien régime als farbenprächtige Kulisse für schwülstige love stories herhalten musste. Ob der britische Regisseur auch mit der Geschichte seines Landes so unverfroren umspringen würde? Doch mit den frogs kann er es ja machen.

 

Blind für Gartenkunst-Reize

 

Vor allem aber spielt barocke Gartenarchitektur kaum eine Rolle. Da werden ein paar Pläne begutachtet, ein paar Kanalrohre verlegt, und am Ende sprudeln munter die Fontänen. Man erfährt nichts über die Gestaltung von Versailles und das barocke Prinzip, Natur der menschlichen Formung als Abbild monarchischer Souveränität zu unterwerfen. Nicht einmal die Pflanzen, die Le Nôtre und seine begnadete Gehilfin dafür auswählen, werden genannt. Es bleibt dabei: Das Kino ist für die Reize der Gartenkunst blind.