Wim Wenders

Every Thing Will Be Fine

Tomas (James Franco) und Christopher (Robert Naylor) bei einem Treffen. Foto: Warner Bros. Pictures
(Kinostart: 2.4.) Schuld und Sühne: Ein Schriftsteller kann sich einen Autounfall nicht verzeihen – doch sein Werk profitiert davon. Regisseur Wenders variiert das Diktum von Sigmund Freud, dass keiner ohne Neurosen ein guter Autor wird.

Every Thing Will Be Fine ist ein Titel voller Schicksalsironie. Mit diesem Satz beruhigt der mäßig erfolgreiche kanadische Schriftsteller Thomas Eldan (James Franco) einen kleinen Jungen, nachdem der nur knapp dem Unfalltod entronnen ist. Thomas hat im Auto mit seiner Freundin telefoniert und geraucht, er war kurz unaufmerksam; da schoss von links ein Schlitten mit dem Jungen vor den Wagen.

 

Info

 

Every Thing Will Be Fine

 

Regie: Wim Wenders,

118 Min., Deutschland 2015;

mit: James Franco, Charlotte Gainsbourg, Marie-Josée Croze

 

Der Fahrer bremste, stieg aus, ging um die Motorhaube herum und fand den Jungen auf seinem Schlitten: still, vielleicht geschockt, aber offenbar unversehrt. Thomas dankte Gott, nahm den Jungen an die Hand und ging mit ihm zu seinem Elternhaus; dort las er dessen Namen Christopher auf der Keramiktafel neben der Klingel. Die Mutter (Charlotte Gainsbourg) öffnet die Tür, lässt sich erklären, was los ist, schiebt den Jungen ins Haus und fragt nur: Wo ist Nicholas? Als sie zur Unfallstelle losstürzt, wird klar: unter dem Auto.

 

Absturz nach dem Unfall

 

Every Thing Will Be Fine. Der Titel macht aus einem Wort zwei und gibt jedem Begriff sein eigenes Gewicht. Nachdem Thomas ein Kind getötet hat, verliert er seinen Halt. Er beendet seine ohnehin kriselnde Beziehung, bricht unter seinen Schuldgefühlen zusammen und versucht, sich umzubringen. Dauernd erfasst ihn bleierne Müdigkeit.


Offizieller Filmtrailer


 

Aus Misere Gold machen

 

Doch er schreibt wie noch nie: Sein Notizbuch füllt sich mit Zeilen und Kapiteln, für die sich sein Verleger und bald auch das Publikum begeistern. Je schwerer ihm ums Herz ist, desto besser werden seine Texte: Not macht erfinderisch. Im Laufe des Films werden seine Verhältnisse immer geordneter, seine Behausungen immer luxuriöser. Thomas macht Karriere – indem er seine Misere in Gold verwandelt. Sein Erfolg ist der Stein, an dem der inzwischen erwachsen gewordene Christopher Anstoß nimmt.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier ein Interview mit Wim Wenders über seinen Film „Every Thing Will Be Fine“

 

und hier eine Besprechung der Dokumentation "Das Salz der Erde" - fabelhaftes Doku-Porträt über Sebastião Salgado von Wim Wenders

 

und hier einen Bericht über den Film “We need to talk about Kevin” – beklemmendes Mutter-Kind-Drama von Lynne Ramsay, Europäischer Filmpreis 2011.

 

Christopher hat am Tag des Unfalls einen zweiten Vater gefunden – und wieder verloren. Seine Mutter, für die das Leben ebenso schwer und ermüdend geworden war wie für Thomas, hat ihn für eine Nacht an sich binden können. Christopher hat ihn mehrmals aufgesucht und ihn an seine Grenzen gebracht. Und Thomas, der bei einem Unfall einen Menschen getötet und damit seinem eigenen Leben eine unverhofft positive Wendung gegeben hat, tut das Richtige.

 

Schwer und schwermütig

 

Der sehr schwere und schwermütige Regisseur Wim Wenders hat einen weiteren sehr schweren und schwermütigen Film gedreht. Auch er schlägt poetisches Kapital aus existentieller Not und bekämpft alle Müdigkeit erfolgreich mit Menschlichkeit. Darin beeindruckt James Franco sowohl schläfrig als auch wach als Held der Kunst und Künstler des Lebens.

 

Aus diesem Film kann man lernen, was es heißt, sich aufzulehnen gegen eigene Schwäche, zu zehren von eigenen Wunden und sich vertrauensvoll dem eigenen Schmerz zu überlassen. Die letzte und entscheidende Botschaft ist Versöhnung.