Ryan Gosling

Lost River

Billy (Christina Hendricks) vor dem Eingang des Nachtclubs. Foto: ©Tiberius Film
(Kinostart: 28.5.) Kult-Schauspieler Ryan Gosling erstmals nicht vor, sondern hinter der Kamera: Sein Regiedebüt orientiert sich an Mystery-Klassikern von David Lynch, doch die Endzeit-Story über eine fluchbeladene Geisterstadt verkommt zur hohlen Pose.

Mit seiner Rolle als bester Fluchtwagen-Fahrer von L.A. im Neo-noir thriller “Drive“ (2011) von Nicolas Winding Refn avancierte Ryan Gosling zum Kult-Schauspieler. Regisseur und Hauptdarsteller konnten sich im Nachfolger „Only God forgives“ (2013) in Sachen überstilisierter Gewalt-Darstellung noch einmal deutlich steigern; ob das ansehnlich war, blieb umstritten.

 

Info

 

Lost River

 

Regie: Ryan Gosling,

95 Min., USA 2014;

mit: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Saoirse Ronan, Matt Smith

 

Website zum Film (engl.)

 

Jeder weitere Schritt in diese Richtung würde lächerlich wirken. Doch genau diesen Weg schlägt Gosling mit seinem Regiedebüt ein; er hat dafür auch das Drehbuch selbst verfasst. Der mystery thriller verbindet den überbordenden Stilwillen und die grelle Farbigkeit von „Only God forgives“ mit surrealen Elementen, deren Inspirationsquelle eindeutig der legendäre Regisseur David Lynch ist.

 

Fiktive + reale Monster

 

„Lost River“ spielt in einer fiktiven ehemaligen Industriestadt. Sie befindet sich in raschem Niedergang und verwandelt sich immer mehr in eine Geisterstadt. Die allein erziehende Mutter Billy (Christina Hendricks) lebt mit ihren Söhnen Franky und Bones in einem der letzten noch bewohnten Häuser in ihrer Gegend. Das Kleinkind Franky hat Angst vor Monstern; der junge Mann Bones (Iain De Caestecker) wird vom höchst realen Monster Bully (Matt Smith) gejagt, dem Anführer einer Bande.


Offizieller Filmtrailer


 

Kunstblut-Gemetzel im Nachtclub

 

Um sich und ihre Kinder durchzubringen, nimmt Billy das Angebot des schmierigen Bankers Dave (Ben Mendelsohn) an, in einem pervers-dekadenten Nachtclub aufzutreten. Bei dortigen performances werden schöne Frauen unter verschwenderischem Einsatz von Kunstblut kunstvoll hingemetzelt. Bones lernt die Außenseiterin Rat (Saoirse Ronan) kennen: Sie erzählt ihm von einem Fluch, der angeblich die Ursache des Niedergangs von Lost River sein soll.

 

Obwohl sich Ryan Gosling deutlich an seinen Mentor Winding Refn und David Lynch anlehnt, scheitert er grandios beim Versuch, deren Stilmittel nachzuempfinden. Steht beispielsweise in „Lost River“ ein Haus in Flammen, verweist dieses Bild überdeutlich auf Lynchs psycho noir– Meisterwerk „Lost Highway“.

 

Figuren + Handlung allmählich vergessen

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Only God forgives" - bildgewaltiger Rache-Thriller mit Ryan Gosling von Nicolas Winding Refn

 

und hier einen Beitrag über den Film "Beasts Of The Southern Wild" - surreale Fantasie über die Überflutung des Mississippi-Deltas von Benh Zeitlin

 

und hier einen Bericht über den Film “The Ides of March – Tage des Verrats” - brillanter Polit-Thriller mit Ryan Gosling von George Clooney.

 

Doch bei Lynch ist dieses brennende Haus ein bildgewordenes Mysterium, für das man in Ermangelung passender Vergleiche gerne den Ausdruck „lynchesk“ bemüht. In Goslings Film brennt dagegen einfach ein Haus, was nach David Lynch aussehen soll; doch dazu fehlt ihm einfach das gewisse Etwas.

 

Nach diesem Schema ist der gesamte Film aufgebaut. Mit großer Sorgfalt wählt Gosling möglichst spektakuläre Szenerien. Ist das nicht machbar, setzt er wenigstens möglichst grelle Beleuchtung ein. Dabei vergisst er nicht nur, seine Figuren plausibel zu zeichnen, sondern nach und nach auch jede Handlung. Das allgemeine Fiasko mündet in ein Finale, bei dem man sich unweigerlich fragt, ob dies jetzt wirklich ernst gemeint sein soll.

 

Substanzlose Fassade

 

Natürlich verschließen sich brillante psycho thriller wie „Lost Highway“ gleichfalls weitgehend der rationalen Analyse. Aber Lynchs Film ist überreich an Andeutungen und Bedeutungen, die der Regisseur absichtlich nicht zu einem in sich stimmigen Ganzen fügt. Bei Goslings Film verbirgt sich hinter der großen Geste nur heiße Luft. Damit wird sein Regiedebüt zu reiner Fassade, die zwar schön anzusehen ist, der aber jede echte Substanz abgeht.