Dresden

Supermarket of the Dead – Brandopfer in China und der Kult des globalisierten Konsums

Präsentation der papiernen Damenschuhe im Ausstellungsraum, Privatsammlung, zeitgenössische chinesische Brandopfer (Joss Paper, Zhizha); Foto: Adrian Sauer, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Die wertvollste Ausstellung des Jahres: Im Residenzschloss wird das Sortiment ausgebreitet, das Chinesen ihren Ahnen zuliebe verbrennen. Eine Parade teurer Markenprodukte aus Papier, die westlichen Warenfetischismus in Rauch aufgehen lassen.

Der Kunstbetrieb ist längst ein riesiger Basar. Auf dem geht es hoch her: Galeristen locken ständig das Publikum mit neuen Spektakeln; Ausstellungen werden wie Pop-Festivals inszeniert, Auktionserlöse wie Weltrekorde hinausposaunt und Kunstwerke wie Markenartikel gehandelt. Da liegt es nahe, Museen in shopping malls umzuwandeln.

 

Info

 

Supermarket of the Dead - Brandopfer in China und der Kult des globalisierten Konsums

 

14.03.2015 - 14.06.2015

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr

im Residenzschloss, Dresden

 

Dreibändiger Katalog 38 €

 

Weitere Informationen

 

Einen solchen Supermarkt hat der in Venedig lehrende Philosoph Wolfgang Scheppe im Dresdener Residenzschloss eingerichtet. Mit allem, was dazu gehört: apart drapierten Sonderangeboten, Präsentations-Plattformen mit Bergen von Produkten, ellenlangen Reihen von Kleidungsstücken, Paletten voller Stapelware. Man möchte sie sofort einpacken und mitnehmen, aber das wäre sinnlos: Alle Artikel sind Attrappen.

 

Brandopfer seit 1300 Jahren

 

Genauer: Sie sind Papp-Kopien der realen Gebrauchsgüter, mehr oder weniger täuschend nachgeahmt. Solche zhizha genannten Papier-Objekte werden in China seit mindestens 1300 Jahren zur Ehre und Versorgung der Toten verbrannt. Ursprünglich legte man Verstorbenen, wie in vielen anderen Kulturen auch, Ritualgefäße und andere Wertgegenstände mit ins Grab.


Interview mit Kurator Wolfgang Scheppe + Impressionen der Ausstellung


 

Beamte im Geisterreich bestechen

 

Doch schon etwa 500 v. Chr. empfahl Konfuzius in seinem „Buch der Riten“, dafür Nachbildungen alltäglicher Dinge anzufertigen, damit die Ahnen diese „Geistergeräte“ (mingqi) im Schattenreich benutzen könnten. Das chinesische Jenseits unterscheidet sich von dem der meisten Kulturen: Es ist quasi ein Spiegelbild des Diesseits und ähnlich organisiert.

 

Die Toten sind nicht nur empfindungsfähig, benötigten also Nahrung, Kleidung und Hausgerät. Sie hausen auch in einer hierarchisch geordneten Sphäre, über die Geister-Beamte wachen. Diese muss man bezahlen, um von unteren in höhere Ebenen aufzusteigen; dazu brauchen die Ahnen Geld oder Edelmetalle. Erhalten sie das Nötige, danken sie den Nachfahren mit Schutz und Hilfe: Im Jenseits geht es genauso materialistisch zu wie hienieden.

 

Alle Verbote blieben zwecklos

 

Im 7. Jahrhundert kam die Sitte auf, dafür Scheingeld und andere Papier-Objekte rituell zu verbrennen. Mit der Begründung, Tote könnten reale Dinge nicht verwenden; Feuer verwandele sie, befördere sie ins Schattenreich und mache so die Opfergaben gebrauchsfähig. Natürlich waren Imitationen auch billiger, aber das änderte sich: Aufwändige Gespanne und Häuser aus Pappe wanderten in die Flammen – je nachdem, wie wohlhabend der Verstorbene gewesen war, und was man von ihm erhoffte.

 

Dieser Volksglaube war der Obrigkeit stets ein Dorn im Auge; sie sah darin sinnlose Verschwendung. Dagegen deuten ihn Anthropologen als parodistische Praktik: Mit symbolischer Güter-Verbrennung verspotte das Volk den Reichtum der Oberschicht. Jedenfalls scheiterten alle Versuche, den Brauch einzudämmen – zuletzt 1997 ein gesetzliches Verbot, Papier-Kopien herzustellen und zu handeln: De facto werden sie geduldet.

 

Spanferkel für rund 6 Euro

 

Und das Angebot ist riesig, wie die Schau im Residenzschloss zeigt; das Sortiment wurde von einem Großhändler aus Hongkong importiert. Den kleinen Geister-Appetit stillen Reisklößchen für 5 Hongkong-Dollar (HK$; ca. 0,50 Euro) oder Pommes Frites für 10 HK$. Für 45 HK$ sind Früchteteller, für 60 HK$ gebratene Hühner, Enten oder Spanferkel erhältlich. Durst wird mit soft drinks oder Bier im Sechserpack (40 – 45 HK$) gelöscht.