
Surfen, das klingt nach Sehnsucht, Fernweh und Freiheit! Wer jetzt an die Mutter aller Surfer-Filme „The Endless Summer“ von 1966 denkt, also an einen beach movie über hippiesken Lebensstil unter ewigem Sonnenschein am blauen Pazifik, so leicht wie Gischtschaum – der irrt.
Info
Atlantic.
Regie: Jan-Willem van Ewijk,
94 Min., Marokko/ Niederlande/ Belgien 2014;
mit: Fettah Lamara, Thekla Reuten, Mohamed Majd
Surf-Eldorado mit perfekter Welle
Fettah (Fettah Lamara) ist ein begnadeter Windsurfer. Der junge Mann mit den traurigen Augen wohnt mit seinem Vater in einer einfachen Siedlung an Marokkos Atlantikküste; beide leben bescheiden vom Fischfang. Außer begrenzten Chancen gibt es hier nur die „perfekte Welle“, die den Ort im Sommer zum Eldorado für Windsurfer aus aller Welt macht.
Offizieller Filmtrailer OmU
Verführt durch blonde Nixe aus dem Norden
Mit abgelegtem, meist beschädigten equipment, das Touristen zurückgelassen haben, trainieren die jungen Männer der Gegend; so fühlen sie sich den weit gereisten und wohlhabenden Europäern wenigstens auf dem Wasser ebenbürtig. In dieser Saison kommt der Holländer Jan (Jan-Willem van Ewijk) mit seiner Freundin Alexandra (Thekla Reuten) zum Windsurfen.
Der stille Fettah verliebt sich in die blonde Frau; sie weckt in ihm die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Er will Teil der modernen Welt werden, die ihm seine Freunde verführerisch vorleben. Als die Urlauber wieder nach Hause fahren, empfindet Fettah schreckliche Leere: Seine Hütte und sein Dorf erscheinen ihm plötzlich schäbiger und auswegsloser denn je. Er beschließt, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und bricht im Neopren-Anzug mit Surfboard und Rucksack Richtung Europa auf – 300 Kilometer über das offene Meer.
Unendliche Weite der Wellen ermüdet
„Atlantic.“ ist ein stiller, ja meditativer Film, der in Rückblenden von Fetthas Leben und dem erzählt, was er zurückgelassen hat. Seine Fahrt über den Ozean ist vor allem eine Innenschau; eine endlose Gedankenkette, wie einsame Reisende sie oft erleben. Fetthas Stimme flüstert als voice-over Namen, Orte und Erinnerungen, während die unendliche Weite der Wellen unter ihm wogt. Und das ist nach einer Weile etwas ermüdend.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Kon-Tiki” – klassisches Abenteuer-Epos über Thor Heyerdahls Pazifik-Überfahrt von Joachim Rønning + Espen Sandberg
und hier einen Bericht über den Film “Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger” – Bestseller-Verfilmung von Ang Lee mit Gérard Depardieu
und hier einen Beitrag über den Film “Die Farbe des Ozeans” – intensives Flüchtlings-Drama auf Gran Canaria von Maggie Peren.
Drehbuch einer Urlaubsbekanntschaft
Der Niederländer van Ewijk hat seinen Hauptdarsteller Fettah Lamara tatsächlich beim Surfen in Marokko kennen gelernt und ihm das Drehbuch von „Atlantic.“ auf den Leib geschrieben. So bleibt der Film ganz persönlich, seinem Helden und dessen Gedankenwelt verhaftet.
Solche Beschränkung auf intime Nabelschau erscheint in einer Zeit, in der Tausende von Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken, wie ein Luxusproblem. Der Film weigert sich, seine Fabel in größere Zusammenhänge zu stellen; diese Ignoranz gegenüber aktuellen Weltgeschehnissen wirkt ziemlich fragwürdig.