Florian David Fitz

Die Lügen der Sieger

Der Journalist Fabian Groys (Florian David Fitz) liest, was die Konkurrenz schreibt. © Heimatfilm. Fotoquelle: NFP marketing & distribution
(Kinostart: 18.6.) Nichts ist so, wie es scheint: Ein Enthüllungs-Journalist und seine Kollegin verheddern sich in Halbwahrheiten und Lobby-Manipulationen. Den visuell dichten Polit-Thriller inszeniert Regisseur Christoph Hochhäusler etwas überdeutlich.

Fabian Groys (Florian David Fitz ) ist Porsche-Fahrer und überholt gerne rechts – und sei es auch nur, um schneller im Pfandhaus anzukommen, wo er mal wieder seinen silbernen 911er-Oldtimer wegen Spielschulden versetzen muss. Fabian Groys ist ein halbwegs junger, arroganter Reporter bei einem Hauptstadt-Magazin, zuckerkrank und spielsüchtig. Er spielt die Hauptrolle in Christoph Hochhäusler ambitioniertem Polit-Thriller.

 

Info

 

Die Lügen der Sieger

 

Regie: Christoph Hochhäusler,

112 Min., Deutschland 2015;

mit: Florian David Fitz, Lilith Stangenberg, Horst Kotterba

 

Website zum Film

 

Der Journalist ist einem Bundeswehr-Skandal auf der Spur, doch vor der großen Enthüllung bekommt sein Informant kalte Füße. Seine Recherchen drohen, im Nichts zu versanden. Vom aasigen Chefredakteur (Horst Kotterba) wird Groys die Volontärin Nadja (Lilith Stangenberg) aufgedrängt. Um sie loszuwerden, setzt der Einzelkämpfer Nadja auf ein bizarres Boulevard-Thema an: Im Zoo von Gelsenkirchen hat sich ein Mann ins Löwengehege gestürzt.

 

Von Afghanistan in Löwenkäfig

 

Es stellt sich heraus, dass er Bundeswehr-Soldat in Afghanistan war, später bei einer Recycling-Firma arbeitete und dort vergiftet worden sein könnte – wodurch er vermutlich psychisch erkrankte. Nun erweist sich der selbstmörderische Sprung als viel versprechende Geschichte, die sich Groys unter den Nagel reißen will. Doch Volontärin Nadja ist nur scheinbar ein naives Blondchen: Sie macht sich mit Biss und herbem Charme an die Story ran – und an ihren Kollegen.

Offizieller Filmtrailer


 

Unschärfen + Überwachungs-Imitation

 

Die visuelle Inszenierung von „Die Lügen der Sieger“ ist atmosphärisch dicht und fast packender als das Geschehen, das hier ausgemalt wird. Regisseur Christoph Hochhäusler arbeitet mit Unschärfen, nicht immer auf die Figuren fokussierten Bildern, schnellen Schnitten und Schwarzweiß-Sequenzen – um die Bilder von Überwachungs-Kameras zu imitieren. Dabei wird das aufgemotzte Hauptstadt-Berlin, das trotz aller Gentrifizierung noch viele blinde Flecken hat, oft zum Hauptdarsteller.

 

Außerdem unterscheidet sich die Filmmusik von Benedikt Schiefer angenehm von den Genre-üblichen Bombast-Klängen; sie wirkt nur in manchen Szenen etwas zu artifiziell. Doch was als plot für einen TV-Film zur primetime wohl ausreichen würde, dient hier nur als Ausgangspunkt für eine komplexe Abhandlung über das Verhältnis von Macht und Wahrheit.

 

Strippenzieher proben Schauspieler-Auftritte

 

Der Mann, der sich den Löwen zum Fraß vorwarf, illegale Giftmüll-Entsorgung und Psychopharmaka für Ex-Soldaten mit starken Nebenwirkungen – alles hängt plötzlich zusammen. Dafür ließen sich Christoph Hochhäusler und Drehbuchautor Ulrich Peltzer vage von der Realität inspirieren: dem Fall des traumatisierten Afghanistan-Veteranen Robert Sedlatzek-Müller, dem lange eine Entschädigung verweigert wurde, und der Affäre um die Entsorgungsfirma Envio in Dortmund, die Mitarbeiter mit der Chemikalie PCB verseuchte.

 

Regisseur Hochhäusler zeigt, dass Strippenzieher der Politik heute nicht mehr in dunklen Hinterzimmern, sondern in voll verglasten Luxus-Büros in Mitte sitzen, wo sie wie Schauspieler ihre Szenen für den großen Auftritt proben. Und er führt vor, wie weit der lange Arm der Chemie-Lobby reicht – vielleicht sogar bis zu Groys‘ Blutzucker-Messgerät?

 

Fitz‘ unglaubwürdige Spielsucht

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Citizenfour” – beeindruckende Doku über Überwachungs-Enthüller Edward Snowden von Laura Poitras

 

 und hier einen Beitrag über den Film "Die Vermessung der Welt" – Historienfilm von Detlev Buck nach dem Bestseller von Daniel Kehlmann mit Florian David Fitz

 

und hier eine kultiversum-Kritik des Films “Unter Dir die Stadt” – Dreiecks-Affäre im Hochfinanzmilieu von Christoph Hochhäusler.

 

Auch die Filmdialoge sind pointiert. Dass die Spannung nicht ins Unermessliche steigt und die Figuren einen weitgehend kalt lassen, liegt daran, dass Hochhäusler nicht einfach unterhalten, sondern vor allem aufklären will. Es geht ihm mehr um die Titel-These als um die Handlung und ihre Charaktere, die oft zu nah am Klischee und konstruiert wirken.

 

Man ahnt schon bald, dass Groys‘ Diabetes-Krankheit ihm noch zur Gefahr wird. Gleichzeitig nimmt man dem auch als Schnösel noch irgendwie sympathischen Florian David Fitz seine Spielsucht einfach nicht ab. Wenn sich der Reporter vor seine innere Leere in eine Spielhölle flüchtet, sieht es aus, als solle der Film nur mit vermeintlichen James-Bond-Elementen angereichert werden. Für den Verlauf der Handlung haben sie keine Bedeutung.

 

Macht manipuliert Wahrheit

 

Aber die zentralen Aussagen von „Die Lügen der Sieger“ sind am Ende überdeutlich: Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Politiker sind Marionetten – und die öffentliche Meinung ist für die Industrie viel zu wertvoll, um sie den letzten aufrechten Aufklärern von der Presse zu überlassen.

 

Tatsache ist: Wer die Macht hat, kann die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit manipulieren. Dafür braucht es gar nicht das Zitat von Lawrence Ferlinghetti, dem Verleger des Beatnik-Poeten Allen Ginsberg, von dem sich der Titel ableitet: „Geschichte wird gemacht aus den Lügen der Sieger.“