Suizid ist im Digital-Zeitalter gar nicht so einfach: Charleen (Jasna Fritzi Bauer) hat alles vorbereitet, doch im letzten Augenblick klingelt das Handy – ihre beste Freundin Isa ruft an. Was gerade schlecht passt; aber ohne Abschiedsworte dahinscheiden will Charleen auch nicht. So wird aus dem diskret eingefädelten Exitus ein läppischer gestauchter Halswirbel.
Info
About a Girl
Regie: Mark Monheim,
105 Min., Deutschland 2015;
mit: Jasna Fritzi Bauer, Heike Makatsch, Sandro Lohmann
Musik toter Idole + Fotos toter Tiere
Eigentlich hat sie nur versucht, ihrem Lebensgefühl stilecht Ausdruck zu verleihen. Die 15-Jährige ist kein Gruftie, kultiviert aber recht morbide Neigungen: Ihre Pop-Idole Jimi Hendrix, Kurt Cobain und Amy Winehouse sind alle längst tot. Sie sammelt Fotos von Kleintier-roadkill im Rinnstein, und ein schulbegleitendes Praktikum absolviert sie beim Bestatter, wo sie Leichen vor der Beerdigung schminkt. In ihren Augen sehen Verstorbene glücklich und zufrieden aus, während lebendige Erwachsene ihr meist „unendlich peinlich“ vorkommen.
Offizieller Filmtrailer
Selten schlagfertiger Weltekel
Ganz unpeinlich ist, wie Regisseur Mark Monheim und Autor Martin Rehbock ihre verhinderte Selbstmörderin porträtieren: Das Drehbuch kommt völlig ohne aufgesetzte Teenie-Sprache oder Jugendkultur-Klischees aus. Jasna Fritzi Bauer schlurft und raunzt vollendet missmutig durch den Film; sie zelebriert quasi schlechte Laune aus Prinzip in allen Lebenslagen. Um flapsige Antworten ist sie nie verlegen: Selten war Weltekel so schlagfertig.
Da kann ihre Familie nicht mithalten. Ihre patente Mama Sabine (Heike Makatsch) kümmert sich aufmerksam um sie, hat aber als eBay PowerSeller alle Hände voll zu tun. Bruder Oskar taucht in online games ab, Mutters Lebensgefährte Volker ist dummerweise zugleich ihr verhasster Biologie-Lehrer. Und ihr Erzeuger, der Altrocker Jeff, eilt zwar nach zehn Jahren sorgenvoll herbei, findet aber nie die richtigen Worte; zumindest repariert er kaputte Lampen.
Erste Liebe mit dem Streber
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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und hier einen Bericht über den Film "Love Steaks" - rasant realistischer Film über Amour-Fou-Jugendliebe von Jakob Lass
und hier einen Beitrag über den Film "Scherbenpark" - Prekariats-Girlie-Porträt von Bettina Blümner mit einer wunderbar rotzigen Jasna Fritzi Bauer.
Ausgerechnet für den schlaksigen Streber Linus, der alle mit seiner Besserwisserei nervt und ausgestopfte Tierpräparate sammelt: ein Außenseiter wie sie selbst, ähnlich geistreich und gespannt darauf, wie sich der erste Kuss anfühlt. Doch ihre Romanze scheint nicht von Dauer; erst ein wirklicher Todesfall lässt Charleen Trauer fühlen, die ihrem eigenen Leben Wert verleiht.
Authentische teenage depression
Jahrelang haben Rehbock und Monheim am Skript gefeilt. Seinem Spielfilmdebüt merkt man diese Sorgfalt an: Das ernste Thema wird mit federleichtem Esprit behandelt, ohne je ins Alberne abzugleiten. Der Alltag in der middle class patchwork-Familie ist genauso präzise beobachtet wie im Klassenzimmer. Dezente gags werden sparsam dosiert; alles bleibt wunderbar kunstvoll in der Schwebe.
Auch wenn die zweite Hälfte sich etwas in die Länge zieht und der säuselnde soundtrack aus lauter neofolk-Balladen kaum zu Charleens Musikgeschmack passt – dieses Psychogramm heutiger teenage depression wirkt absolut authentisch. Was eine echtes Kunststück ist: Filme über jugendliche Seelenqualen werden ja stets von Leuten gedreht, die ihnen längst entwachsen sind und nur noch vage Erinnerungen daran haben.