
Ein Sonnenstich ähnelt dem Fieberwahn: Phantasien werden zu Tatsachen, und alles scheint möglich. Aus einer Schnapsidee spinnt das kochende Hirn in flirrender Hitze einen Plan, der gar nicht schief gehen kann – sagt das ausgedörrte Urteilsvermögen. Um Entstehen und Folgen von sonnenverbranntem Übermut geht es im knallbunten argentinischen Film „Las Insoladas – Sonnenstiche“. Die Kammerspiel-Komödie kommt ebenso leicht wie schrill daher und steigt zu Kopf wie ein hitziger Tag im Freibad.
Info
Las Insoladas - Sonnenstiche
Regie: Gustavo Taretto,
102 Min., Argentinien 2014;
mit: Carla Peterson, Luisana Lopilato, Marina Bellati
In Temperatur-Kapitel unterteilt
Glück pur für sechs Freundinnen, die sich zum ausgiebigen Sonnenbad auf einem Hochhaus-Dach treffen: um ihrem Alltag für ein paar Stunden zu entfliehen und sich richtig schön braun braten zu lassen. Leicht überdreht und dabei recht unaufgeregt plätschert der Film wie ein träger Sommertag dahin; Uhrzeit- und Temperaturangaben unterteilen ihn in Kapitel.
Offizieller Filmtrailer OmU
Ohrenzeuge auf dem Handtuch
Als läge man auf dem Handtuch neben den Sonnenanbeterinnen, belauscht man die mal intimen, mal belanglosen Geschichten, mit denen sich diese Porteñas – die Einwohnerinnen der Hauptstadt – den Tag vertreiben. Zwischen Sehnsüchten, Ängsten, Alltagssorgen und guten Vorsätzen fürs neue Jahr kreisen ihre Gespräche vor allem um die Hoffnung auf ein besseres Leben. Vergeblich: Drei Jahre später traf Argentinien eine schwere Wirtschaftskrise.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Medianeras” – subtile Tragikomödie von Gustavo Taretto über Singles in Buenos Aires auf Partnersuche
und hier einen Bericht über den Film “Wild Tales – Jeder dreht mal durch!” – schwarzhumoriger Episodenfilm aus Argentinien von Damián Szifrón
und hier einen Beitrag über den Episoden-Film “Paulista” von Roberto Moreira über Liebesglück und -leid von Großstädtern in São Paulo.
Bei Hitze funktioniert Kommunismus
Obwohl für sie unerschwinglich, planen sie gemeinsam eine Pauschalreise nach Kuba – der Inbegriff von Luxus und Freiheit! Denn auf der Karibikinsel sind alle Menschen glücklich und haben keine Probleme. Bekanntlich tanzen sie ständig Salsa und sehen allzeit das Meer, so dass die Damen messerscharf folgern: „Deswegen funktioniert der Kommunismus da auch – in allen kalten Ländern ist er gescheitert!“
Der Widerspruch, ihr Glück ausgerechnet auf einer sozialistischen Insel voller Restriktionen und Mangelwirtschaft zu suchen, dämmert im Lauf ihres Palavers irgendwann auch den Mädels. Doch da sind sie längst drin in ihren sonnigen Wahnvorstellungen und heben völlig ab: Sie wollen gleich für immer nach Kuba auswandern, um dort endlich das gute Leben zu finden.
Hochhaus statt Palmenstrand
Ein Traum, den man dem schwadronierenden Sextett gerne gönnt, denn eines ist sonnenklar: Der Alltag der Frauen wird ab morgen wieder ein Schreibtisch in den Bürokästen an der Avenida 9 de Julio sein, der zentralen Achse von Buenos Aires – und Hochhaus-Fassaden statt Sandstrand und Palmen.