Anton Corbijn

Ich bin kein Fan von James Dean

Anton Corbijn. Fotoquelle: Universum Film
Hommage unter Kollegen: Der renommierte Fotograf Anton Corbijn hat einen Film über Dennis Stock gedreht, dessen Aufnahmen von James Dean weltberühmt wurden. Die Beziehung von Star und Fotograf beruhe auf einem Missverständnis, erklärt er im Interview.

Mijnheer Corbijn, könnte man „Life“ als Ihren bisher persönlichsten Film bezeichnen?

 

Das man sagen, weil der Film tatsächlich viel mit meinem Leben zu tun hat. Auch ich habe meine Laufbahn als Fotograf begonnen; dabei hatte ich mit vielen Leuten im Rampenlicht zu tun. Zwischen Fotograf und Star kann sich durchaus ein besonderes Verhältnis herausbilden, auch wenn ich selbst das nie so erlebt habe, wie es in „Life“ geschildert wird. Gewiss ist es ein persönlicher Film, aber nicht emotional gesehen.

 

Hatten Sie nie eine derart enge Beziehung zu einem Ihrer Modelle, die vergleichbar wäre mit der zwischen Dennis Stock und James Dean?

 

Info

 

Life

 

Regie: Anton Corbijn

111 Min., Kanada/ Deutschland 2015;

mit: Robert Pattinson, Dane DeHaan, Ben Kingsley

 

Website zum Film

 

Doch, sonst wäre ich an diesem Film nicht so interessiert gewesen. Anfang der 1970er Jahre traf ich in den Niederlanden auf einen Klavierspieler. Ich fing an, ihn zu fotografieren; dabei entstanden immer mehr Fotos. Er veröffentlichte sein erstes Soloalbum und wurde damit in den Niederlanden ein großer Rockstar, der auch in Deutschland bekannt wurde: Es war Hermann Brood.

 

Dadurch änderte sich das Verhältnis, das zwischen uns durch die Fotografie entstanden war, weil plötzlich alle ihn fotografieren wollten. Ich konnte das nicht verstehen und fragte ihn, was aus unserer Sache geworden sei. Es bestand keine Balance mehr zwischen uns; wahrscheinlich war sie auch zuvor nie vorhanden.

Offizieller Filmtrailer


 

Heikle + spannende Balance

 

Geht es darum letztlich in „Life“?

 

Natürlich! Dennis Stock glaubt, er würde James Dean einen Gefallen tun, wenn er ihn fotografiert – und James Dean denkt, er würde Dennis Stock einen Gefallen tun, indem er erlaubt, dass Dennis Bilder von ihm machen darf. Die Balance zwischen ihnen ist sehr heikel, aber auch sehr spannend.

 

Haben Sie das Thema auch aufgegriffen, weil James Dean eine Art Idol für Sie ist?

 

Da muss ich sie leider enttäuschen. Zwar bin ich im selben Jahr geboren, in dem er starb, nämlich 1955, aber in meiner Jugend habe ich nie einen James-Dean-Film gesehen. Klar entdeckte ich irgendwann poster mit seiner Gestalt, aber meinen ersten Film mit Dean sah ich relativ spät in meinem Leben. Mit „Life“ wollte ich aber auch keinen Film über James Dean machen; für mich steht der Fotograf Dennis Stock im Mittelpunkt der Geschichte.

 

Emotional ergreifende Original-Fotos

 

Warum blenden Sie am Ende des Films Originalfotos von James Dean ein, obwohl man zuvor Dane DeHaan in der Dean-Rolle sieht?

 

Das war eine bewusste Entscheidung; ich bin froh, dass ich es getan habe. Lange Zeit sträubte ich mich dagegen, aber irgendwie wollte ich doch, dass die Originalfotos ein Teil des Films werden. Deshalb sieht man sie auch während des Films immer wieder mal, etwa wenn sich beide die Kontaktabzüge ansehen, oder im Büro des Agenten von Dennis Stock. Ich wollte, dass sich die Originalbilder organisch ins Geschehen einfügen. Wenn man sie am Ende nochmals richtig sieht, ist das emotional sehr ergreifend – finde ich zumindest.

 

Fertiges Drehbuch verfilmt

 

Wie viel mussten Sie recherchieren, um die Beziehung zwischen Dennis Stock und James Dean rekonstruieren zu können?

 

Damit hatte ich nichts zu tun; als ich zu diesem Projekt dazu stieß, stand mir bereits ein fertiges Drehbuch zur Verfügung. Der Autor Luke Davies hat den Sohn von Dennis Stock getroffen, der seinen Vater aber kaum kennt. Außerdem sprach er mit dem Cousin von James Dean und mit Dennis Stocks letzter Ehefrau, von denen er mehr Informationen bekam. Natürlich musste alles etwas dramatisiert werden. Doch es stimmt, dass Stock und Dean eine intensive Phase miteinander verbrachten, die bei beiden noch lange nachwirkte.

 

Dean engagierte Stock als Berater

 

Können Sie ein Beispiel nennen, an welcher Stelle der Film von der Realität abweicht?

 

Im Film sieht es am Ende so aus als seien sich die beiden danach nie wieder begegnet. Tatsache ist jedoch, dass Dennis Stock von James Dean für seinen zweiten Film „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ („Rebel without a cause“, 1955) als Berater engagiert wurde. Er wollte ihn also definitiv noch um sich haben.

 

War es schwierig, einen Schauspieler für die Rolle des James Dean zu finden?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Life" von Anton Corbijn

 

und hier eine Besprechung des Films “A Most Wanted Man” – Agenten-Thriller von Anton Corbijn

 

und hier einen Bericht über den Film “On The Road”  – Roadmovie als Verfilmung des Beatnik-Kultbuchs von Jack Kerouac durch Walter Salles

 

und hier einen Bericht über den Film “Das erstaunliche Leben des Walter Mitty” – fantasievolle Komödie über einen Foto-Archivar des “Life Magazine” von + mit Ben Stiller.

 

Ja, das war wirklich nicht einfach – da ich einen guten Schauspieler wollte und nicht nur jemanden, der genauso aussieht wie James Dean. Ich finde, Dane DeHaan macht seine Sache wirklich gut. Man nimmt ihm seine Verwandlung in James Dean wirklich ab; sobald er im Bild erscheint, denkt man nur noch an Dean. Damit das funktioniert, war es natürlich auch nötig, dass sein Aussehen anpasst wurde.

 

Keine 1950er Jahre auf Times Square

 

Wie ist es Ihnen gelungen, für „Life“ die 1950er Jahre wieder aufleben zu lassen?

 

Es war so gut wie unmöglich, noch Originalschauplätze aus jener Zeit zu finden. Man kann auch nicht einfach den Times Square in New York so herrichten wie er damals aussah – unmöglich. Das ging nur mit einem teilweise nachgebauten set vor einem blue screen. Wir drehten hauptsächlich in Kanada und mussten die restlichen Drehorte sehr präzise wählen, um den Zuschauer zumindest das Gefühl zu geben, dass wir uns in den 1950er Jahren befinden.

 

Stocks Fotos sind Zeitdokumente

 

Wie gefallen Ihnen eigentlich persönlich die Fotografien von Dennis Stock mit James Dean?

 

Außerordentlich gut! Als ich mit der Fotografie begann, war ich noch sehr schüchtern und wusste nicht wirklich, wie ich es anstellen sollte. Also fotografierte ich Menschen in ihrer gewohnten Umgebung. Dennis Stock beschritt einen ähnlichen Weg; man könnte den Stil seiner Bilder fast schon dokumentarisch nennen.

 

Er hat nur wenige Porträts gemacht, sondern Menschen meist in ihrer Umgebung abgelichtet. Dafür können wir dankbar sein, denn dadurch sind seine Fotos auch Zeitdokumente. Man sieht stets Details der Umgebung, etwa Autos und Straßen, und kann ausmachen, ob das Bild in den 1950er, 1960er oder 1970er Jahren entstanden ist. Mich spricht das immer wieder an.